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Brief

Brief: ein blauer Brief

 

Umschreibung:

  1. Mitteilung unangenehmen Inhalts [Rö: blau]
  2. Kündigungsschreiben [DUW: Brief]
  3. Mitteilung der Schule an die Eltern wegen schlechten Verhaltens des Kindes [DUW: Brief]

Analyse der Bedeutung: Seit 1870 wurde preußischen Offizieren der Abschied in einem blauen Briefumschlag zugestellt [DUW: Brief]. Amtliche Briefe für eigenhändig zuzustellende Schriftstücke (RSa-Briefe) werden nach wie vor in blauen Umschlägen verschickt [vgl. Rö: blau]. Nachdem diese Briefe häufig unangenehme Inhalte für den Empfänger (Einberufungsbefehl, Strafbescheid o.Ä.) enthalten, zielt die Redewendung im übertragenen Sinn auf eine Mitteilung unangenehmen Inhalts ab. Die Bedeutung 'Kündigungsschreiben' ist noch nahe an der das Bild motivierenden Zusendung des Abschieds an Offiziere, die negative Schulmitteilung ist durch das Moment des Unangenehmen motiviert. [WH] - Entstehungszeit: 1./2.) um 1870 [Kü: Brief]; 3.) 1960ff. [Kü: Brief] - Diastratik: ugs. [DUW: Brief] - Semantische Prozesse: phraseologisiert

 

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Brief: ein offener Brief

 

Umschreibung: ein in der Presse veröffentlichter Brief an eine prominente Persönlichkeit oder Institution, in dem ein die Allgemeinheit angehendes Problem aufgeworfen, eine Kritik ausgesprochen wird o.Ä. [DUW: Brief]

Analyse der Bedeutung: Ein offener Brief ist ein nicht verschlossener, sondern für die Allgemeinheit lesbarer und wichtiger Brieftext, der jedoch nicht tatsächlich als Brief gesendet, sondern in der Presse veröffentlicht wird. Ursprünglich wurden offene Briefe als Aufruf zum Kriegsdienst eingesetzt [vgl. Rö: Brief]. Bereits im Mittelalter wurden Urkunden als offene Briefe bezeichnet, da ihr öffentlicher Rechtscharakter sie zu innerhalb der Adelsschicht allgemein lesbaren Dokumenten machte. [WH] - Realienkundliches: Röhrich und der Redewendungen-Duden führen die Wendung auf den dänischen König Christian VIII. zurück, der in einem "Offenen Brief" am 08.07.1846 erklärte, dass die Erbfolge in Schleswig dem dänischen Königsgesetz von 1665 unterliege [Rö: Brief; DUR: offen]. Die Verwendung des Ausdrucks im Rechtsbereich ist allerdings bereits im Mittelalter greifbar, wo Urkunden als offene Briefe aufgefasst wurden. Die Veröffentlichung von Urkunden als offene Briefe in Zeitungen findet man dann ab dem 18. Jh. (siehe den zweiten histor. Beleg). - Entstehungszeit: 13. Jh. (öffentliche Urkunde), 19. Jh. (Schriftstück in Zeitung) [Pf: verbriefen] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. open letter [dict.cc]; nl. open brief [dict.cc]; swe. öppet brev [dict.cc]; fr. écrire une lettre ouverte [Rö: Brief] - Querverweise: (jemandem) Brief und Siegel (geben)

 

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Brief: jemandem Brief und Siegel geben

Umschreibung: feste Zusicherung, Garantie für etwas [vgl. DUR: Brief]; jemandem größte Gewissheit für etwas geben [Fr: Brief]

Analyse der Bedeutung: Die Redensart stammt aus dem Rechtsbereich, wo der Brief als Urkunde zu verstehen ist. Ohne das Siegel war eine Urkunde nicht gültig, so dass die Formel Brief und Siegel ursprünglich als Ausdruck eines vollgültigen Rechtsanspruchs galt. Die Wendung ist seit dem 13. Jh. im Rechtsbereich belegt, in fnhd. Zeit entstand daraus die übertragene Bedeutung 'kräftige Versicherung' [Rö: Brief]. Wenn man jemandem Brief und Siegel gibt, garantiert man eine Sache als sicher, genau so sicher, als hätte man sie mit einer versiegelten Urkunde bestätigt. [WH] - Entstehungszeit: 14. Jh. [Paul: Brief] - Semantische Prozesse: phraseologisiert; Zwillingsformel [vgl. Hof, Nr. 125] - Interlingual Kompatibles: engl. to give somebody something under one's hand and seal [dict.cc] - Querverweise: mit Brief und Siegel; ein offener Brief

 

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Brief: mit Brief und Siegel

 

Umschreibung: größte Gewissheit [vgl. Fr: Brief]; feste Zusicherung, Garantie für etwas [vgl. DUR: Brief]

Analyse der Bedeutung: Die Redensart stammt aus dem Rechtsbereich, wo der Brief als Urkunde zu verstehen ist. Ohne das Siegel war eine Urkunde nicht gültig, so dass die Formel Brief und Siegel ursprünglich als Ausdruck eines vollgültigen Rechtsanspruchs galt. Die Wendung ist seit dem 13. Jh. im Rechtsbereich belegt, in fnhd. Zeit entstand daraus die übertragene Bedeutung 'kräftige Versicherung' [Rö: Brief]. - Entstehungszeit: 14. Jh. [Paul: Brief] - Semantische Prozesse: phraseologisiert; Zwillingsformel [Hof, Nr. 125] - Querverweise: jemandem Brief und Siegel geben; ein offener Brief

 

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Brief: Brandbrief

Umschreibung:

  1. sehr dringendes Bitt- oder Mahnschreiben [DUW: Brandbrief]
  2. eindringlicher, wütender Brief, der Missstände anprangert [WH]

Analyse der Bedeutung: Der Brandbrief ist seit dem Spätmittelalter bekannt, konnte jedoch unterschiedliche Bedeutungen haben: (a) Norddeutschland: ein Fehdebrief, der das Abbrennen von Haus und Hof androhte, (b) süddeutscher Raum: eine obrigkeitliche Verfügung, die zum Sammeln von Gaben für Brandgeschädigte berechtigte, (c) ein an einer Ecke angekohlter Brief eines Studenten an seine Eltern, der finanzielle Not anzeigen sollte [Rö: Brandbrief]. Aus diesen Bedeutungen haben sich die heutigen Bedeutungsmöglichkeiten abgeleitet: Einerseits ein eiliger Mahn- oder Bittbrief, andererseits in der Tradition des Fehdebriefs ein wütendes Aufzeigen von Missständen. [WH] - Entstehungszeit: 2. Hälfte 18. Jh. [Rö: Brandbrief] - Diastratik: ugs. [DUW: Brandbrief] - Interlingual Kompatibles: spa. carta apremiante [leo.org]

 

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Brief: ein toter Briefkasten

 

Umschreibung: von Spionen oder Agenten vereinbarte Stelle, an der unauffällig Nachrichtenmaterial deponiert und ausgetauscht wird [DUW: Briefkasten]

Analyse der Bedeutung: Als Briefkasten wird im 15. Jh. eine 'Urkundentruhe' bezeichnet, ab Anfang des 19. Jh. ist der 'Postbriefkasten' belegt [Pf: Brief]. In einem Briefkasten empfängt man Postzustellungen, die man diesem regelmäßig entnimmt. Bei einem toten Briefkasten hingegen ist nicht zu erkennen, dass es sich bei einer bestimmten Aufbewahrungsstätte um ein Instrument des Nachrichtenaustauschs handelt. Solche toten Briefkästen (z.B. Mauernischen, ausgehöhlte Steine, etc.) werden daher häufig von Agenten und Spionen benützt. [WH] - Entstehungszeit: 1950ff. [Kü: Briefkasten] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. dead letter box [dict.cc]

 

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Brief: etwas als Freibrief (an-)sehen

 

Umschreibung: etwas (völlig willkürlich) für eigene Zwecke ausnutzen [DUR: Freibrief]; etwas für seine Zwecke ausnutzen [DUW: Freibrief]

Analyse der Bedeutung: Wie der mittelalterliche Freibrief seinem Träger rechtliche Immunität zusicherte (siehe Realienkundliches), so sichert der Freibrief im übertragenen Sinn seinem Besitzer die Freiheit von Einschränkungen zu. Wenn man etwas als einen Freibrief ansieht, so interpretiert man eine Sache als Erlaubnis, etwas ohne Einschränkungen und ohne drohende Konsequenzen zu tun, das sonst unsittlich oder verboten wäre. Der Freibrief existiert dabei aber nicht tatsächlich als Schriftstück, sondern nur in der Imagination. [WH] - Realienkundliches: Der Freibrief stammt aus dem Mittelalter, wo er eine Urkunde über die Freilassung aus der Leibeigenschaft oder eine Ablösung der Leistungen aus der Unfreiheit darstellte. Er wurde v.a. für die Aufnahme Stadtfremder in Zünfte benötigt. Darüber hinaus wurde der Freibrief auch als Urkunde über die Freiung (im Sinne von rechtlicher Immunität für den Inhaber des Briefs) verstanden; daraus wurde die moderne Bedeutung 'Recht zur Willkür' abgeleitet. [Rö: Freibrief]. - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Querverweise: für etwas einen Freibrief erhalten/bekommen; jemandem einen Freibrief ausstellen/geben

 

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Brief: jemandem einen Freibrief ausstellen/geben

 

Umschreibung: jemandem die volle Freiheit gewähren, etwas zu tun [DUR: Freibrief]

Analyse der Bedeutung: Der mittelalterliche Freibrief sicherte seinem Besitzer rechtliche Immunität zu (siehe Realienkundliches bei etwas als Freibrief (an-)sehen). Wenn man jemandem im übertragenen Sinn einen Freibrief ausstellt, so erlaubt man demjenigen ohne Einschränkungen und frei von Konsequenzen zu tun, was ihm zum Vorteil gereicht und unter normalen Umständen z.B. als unsittlich angesehen werden würde; dieser Freibrief existiert dabei aber nicht tatsächlich als Schriftstück, sondern nur in der Imagination. [WH] - Realienkundliches: siehe Realienkundliches bei etwas als Freibrief (an-)sehen - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. to give somebody a carte blanche to do something [dict.cc]; fr. donner carte blanche à quelqu'un [dict.cc] - Querverweise: für etwas einen Freibrief erhalten/bekommen; etwas als Freibrief (an-)sehen

 

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Brief: für etwas einen Freibrief erhalten/bekommen

 

Umschreibung: die besondere Erlaubnis haben/bekommen, etwas ohne Einschränkung zu tun [DUR: Freibrief]; frei sein von jeder Art von Einschränkung, sich alles erlauben können [Rö: Freibrief]

Analyse der Bedeutung: Wie der mittelalterliche Freibrief seinem Träger rechtliche Immunität zusicherte (siehe Realienkundliches bei etwas als Freibrief (an-)sehen), so sichert der Freibrief im übertragenen Sinn seinem Besitzer die Freiheit von Einschränkungen zu. Wenn man einen Freibrief hat, kann man sich uneingeschränkt alles erlauben, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen; dieser Freibrief existiert dabei aber nicht tatsächlich als Schriftstück, sondern nur in der Imagination. [WH] - Realienkundliches: siehe Realienkundliches bei etwas als Freibrief (an-)sehen - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. to have a carte blanche to do something [dict.cc]; spa. tener carta blanca en algo [leo.org] - Querverweise: etwas als Freibrief (an-)sehen; jemandem einen Freibrief ausstellen/geben

 

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Projektleitung

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr.

Wernfried HOFMEISTER



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