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lesen

lesen: jemandem etwas von den Augen ablesen

 

Umschreibung: die unausgesprochenen Wünsche des anderen von alleine erkennen [DUW: Auge]; erraten, was jemand insgeheim möchte, was in ihm vorgeht [DUR: Auge]; jeden Wunsch, auch unausgesprochen, erkennen und erfüllen [Fr: Auge]

Analyse der Bedeutung: Die Augen des Menschen lassen häufig Rückschlüsse auf das Befinden des Menschen zu. Wenn man im übertragenen Sinn jemandem etwas von den Augen abliest, so erkennt man durch das Verhalten oder die Mimik dieser Person, welche Wünsche sie unausgesprochen in sich trägt und versucht diese zu erfüllen. Man kann aus den Augen der Person ihre Wünsche so gut erkennen, als wären sie deutlich dort geschrieben. [WH] In einer älteren Form lautete die Wendung jemandem etwas aus den Augen stehlen, das heißt der Wunsch, das Geheimnis o.Ä. wurde tatsächlich als im Auge befindlich gedacht [Rö: Auge]. - Realienkundliches: In der mittelalterlichen Anthropologie galten die Augen als Fenster der Seele. Die Grundlage dieser Auffassung bildet Matth. 6,22: "Das Auge gibt dem Körper Licht. Wenn dein Auge gesund ist, dann wird dein ganzer Körper hell sein." [vgl. Wenzel 1988, 192]. Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. to read something in somebody's eyes [dict.cc]; port. ver cada desejo através dos olhos de alguém [dict.cc] - Querverweise: jemandes Gedanken lesen können

 

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lesen: jemandes Gedanken lesen können

 

Umschreibung: jemandes Gedanken erraten können [DUW: Gedanke]; erraten können, was jemand denkt [DUR: Gedanke]

Analyse der Bedeutung: Die Gedanken eines Menschens sind nur demjenigen zugänglich, der sie denkt. Wenn man jedoch erraten kann, was ein anderer denkt, so ist man im übertragenen Sinn in der Lage seine Gedanken so zu lesen wie Schrift in einem Buch. [WH] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. to read somebody's mind [dict.cc]; swe. att läsa någons tankar [dict.cc]; ita. essere in grado di leggere i pensieri di qualcuno [dict.cc] - Querverweise: jemandem etwas von den Augen ablesen; jemanden wie ein offenes Buch lesen

 

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lesen: (im) Kaffeesatz lesen

Umschreibung:

  1. die Zukunft erfahren wollen, Hellseherei betreiben [Rö: Kaffee]
  2. Unsinn prophezeien [Kü: Kaffeesatz]
  3. Gerüchte ersinnen und verbreiten [Kü: Kafffeesatz]

 

Analyse der Bedeutung: Der Kaffeesatz ist der Bodensatz, der nach dem Aufguss vom gemahlenen Kaffee übrig bleibt. In der Neuzeit entstand der Aberglaube, aus den verschiedenen Formen, die der Kaffeesatz annimmt, die Zukunft ablesen zu können [vgl. Gr: Kaffeesatz]. Wenn man daher im Kaffeesatz liest, betreibt man Hellseherei und versucht etwas über die Zukunft in Erfahrung zu bringen. Der Kaffeesatz entspricht dabei einem Buch, das gelesen wird. Mit der Zukunftserforschung sind auch die beiden anderen Bedeutungen verbunden: Unsinn prophezeien und Gerüchte ersinnen bzw. verbreiten, die möglicherweise wahr sein könnten, meist aber erlogen sind. [WH] - Realienkundliches: In Leipzig erschien 1742 "Die Wahrsagerin aus dem Coffee-schälgen", worauf F. W. Zachariä in seinem scherzhaften Heldengedicht "Der Renomist" Bezug nimmt: "In Leipzig war damals die nun verlohrne Kunst, / Aus dickem Caffesatz, durch schwarzer Geister Gunst, / die Zukunft auszuspähn; und die geheimsten Thaten, / geschehn, und künftig noch, prophetisch zu errathen." [Rö: Kaffee] - Entstehungszeit: Küpper datiert auf um 1900 [Kü: Kaffeesatz], allerdings sind frühere Belege zu finden (siehe histor. Belege) - Semantische Prozesse: phraseologisiert; pejorativ - Interlingual Kompatibles: engl. to read tea leaves [dict.cc]; fr. lire dans le marc de café [leo.org]

 

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lesen: jemandem die Leviten lesen

 

Umschreibung: jemanden wegen eines tadelnswerten Verhaltens nachdrücklich zur Rede stellen [DUW: Levit]; jemandem einen Verweis erteilen, ihn zurechtweisen [Rö: Leviten]

Analyse der Bedeutung: Aus dem frühmittelalterlichen Brauch des tatsächlichen Vorlesens der Priestergesetze aus dem Buch Leviticus (siehe Realienkundliches) entwickelte sich die übertragene Bedeutung 'jemandem einen Verweis erteilen, jemanden zurechtweisen'. Das Moment der Belehrung verknüpft die beiden Bedeutungen miteinander, da auf die Lesung aus Leviticus häufig eine Mahn- oder Strafpredigt an die versammelten Geistlichen erfolgte [DUR: Leviten]. - Realienkundliches: Die Redewendung entwickelte sich aus dem mittelalterlichen Brauch, den Geistlichen, Diakonen und Subdiakonen täglich aus der Bibel, besonders aus Leviticus (3. Buch Mos.) vorzulesen, da dieses den Priesterkodex und die kultische Gesetzgebung regelt [Pf: Leviten]. Diese Regel wurde bereits 760 von Bischof Chrodegang von Metz zur Besserung der verwilderten Geistlichkeit aufgestellt [Rö: Leviten]. - Entstehungszeit: 15. Jh. [Pf: Leviten] - Diastratik: ugs. [DUW: Levit] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: nl. iemand de levieten lezen [dict.cc]; swe. att läsa lagen för någon [dict.cc] - Querverweise: Vgl. Schlagbauer 2005: Leviten; jemandem den Text lesen; jemandem einen Denkzettel verpassen

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Projektleitung

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr.

Wernfried HOFMEISTER



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