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Tinte

Tinte: tintenklecksendes Säkulum

Umschreibung: ein auf Schriftlichkeit basierendes Zeitalter (Jahrhundert), das kraftlos und ohne Tatendrang ist [WH]

Analyse der Bedeutung: Die Bezeichnung "Tintenkleckser" wird abwertend für Menschen verwendet, deren Beruf das Schreiben ist [vgl. DUW: Tintenkleckser]. Ein tintenklecksendes Säkulum ist ein Jahrhundert (oder allgemeiner: ein Zeitalter), das von Schriftlichkeit (und Bürokratie) geprägt ist, im Gegensatz zum vermeintlichen Tatendrang früherer Zeiten. Aktuell wird die Wendung nur noch selten und meist zur Abgrenzung früherer Jahrzehnte vom aktuellen, computerdominierten Zeitalter verwendet. [WH] - Realienkundliches: Die Wendung geht auf Friedrich Schillers Drama "Die Räuber" zurück (siehe histor. Belege), wo Karl Moor mit diesem Begriff die Schlappheit und Kraftlosigkeit seiner Zeit beklagt [vgl. DUZ: Tintenklecksendes Säkulum]. - Entstehungszeit: 18. Jh. [WH] - Diastratik: bildungssprachlich [WH] - Semantische Prozesse: phraseologisiert (Redensart); ursprünglich pejorativ

 

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Tinte: klar wie dicke Tinte

Umschreibung: sich von selbst verstehen [DUW: Tinte]; ganz klar, offensichtlich, unleugbar, deutlich sein [Rö: klar]; völlig einleuchtend sein [Kü: Tinte]

Analyse der Bedeutung: Die Redensart ist ironisch aufzufassen: Dicke Tinte ist nicht klar und durchsichtig, genauso wenig wie die bundesdeutsch in dieser Wendung anzutreffende Kloßbrühe [vgl. WDG: Kloßbrühe]. Es wird somit einer nicht durchsichtigen Flüssigkeit die Qualität des offensichtlich Durchschaubaren zugeschrieben. Dieselbe Ironie findet sich auch in den fremdsprachlichen Parallelbindungen des Englischen (Schmutz, Dreck) und des Niederländischen (Kaffeesatz). - Entstehungszeit: Anfang 19. Jh. [Kü: Tinte] - Diastratik: ugs. [DUR: klar] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Figuriertheit: Oxymoron; Vergleich; scherzhaft [Rö: klar] - Interlingual Kompatibles: engl. that's as clear as mud [dict.cc]; nl. zo helder als koffiedik [dict.cc]; fr. être clair comme la bouteille à l'encre [Kü: Tinte]

 

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Tinte: in die Tinte geraten/kommen

Umschreibung: in eine missliche Lage geraten [DUR: Tinte]; in eine unangenehme, schlimme Lage geraten [Kü: Tinte]; in Verlegenheit, in Schwierigkeiten kommen [Fr: Tinte]

Analyse der Bedeutung: Der Schreibstoff Tinte als dunkle Flüssigkeit steht hier stellvertretend für die Missgeschicke des Lebens [vgl. Rö: Tinte]. Die Übertragung dürfte aufgrund der dunklen Farbe der Tinte stattgefunden haben, da Dunkelheit kulturell negativ konnotiert ist. Wer in die Tinte gerät, ist also in eine unangenehme Situation oder in Verlegenheit geraten. [WH] - Entstehungszeit: 1700ff. [Kü: Tinte] - Diastratik: ugs. [DUR: Tinte] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Querverweise: in der Tinte (sitzen/stecken/...)

 

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Tinte: Tinte gesoffen haben

Umschreibung: verrückt sein [DUR: Tinte]; meist als Ausdruck der starken Ablehnung einer Zumutung [Paul: Tinte]

Analyse der Bedeutung: Tinte zu trinken ist sehr ungewöhnlich, weswegen man annehmen kann, dass Menschen, die dies tun, verrückt sein müssen. Die Deutung Bechsteins, die Wendung käme vom schweren Rotwein Vino Tinto, der besonders schnell betrunken macht, wurde von Wander zurückgewiesen [Wa: Tinte, Nr. 8], Küpper zitiert sie jedoch wieder und stellt einen Zusammenhang mit der Schreibtinte in Abrede [Kü: Tinte]. Denkbar ist auch eine Prägung mit Blick auf den "verrückten Gelehrten", der ständig mit Tinte hantiert und dessen Tätigkeit für das einfache Volk oft nicht zu durchschauen war. [WH] - Entstehungszeit: um 1830 [Kü: Tinte] - Diastratik: salopp [DUR: Tinte] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Figuriertheit: Hyperbel

 

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Tinte: die Tinte nicht halten können

Umschreibung:

  1. den Drang verspüren, über alles und jedes ein Gedicht, lange Zeitungsaufsätze oder Leserbriefe zu schreiben [Kü: Tinte]
  2. ein Vielschreiber sein [Rö: Tinte]

Analyse der Bedeutung: Wander weist darauf hin, dass dieser Aphorismus Lichtenbergs, der sich zur Redensart entwickelte, die Wendung jemand könne das Wasser nicht halten parodiert [Wa: Tinte, Nr. 14]. Die Redewendung unterstellt dem damit Bezeichneten somit geistige Inkontinenz und den Drang sich zu allen erdenklichen Themen äußern zu müssen, weil er die Tinte, seit dem Mittelalter das verbreitetste Mittel zum Schreiben, nicht halten kann. [WH] - Entstehungszeit: 18. Jh. [Kü: Tinte] - Semantische Prozesse: phraseologisiert (Redensart); pejorativ - Figuriertheit: scherzhaft

 

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Tinte: in der Tinte (sitzen/stecken/...)

 

Umschreibung: in einer sehr misslichen, ausweglosen Situation sein [DUW: Tinte]; in großer Verlegenheit sein [Rö: Tinte]

Analyse der Bedeutung: Der Schreibstoff Tinte als dunkle Flüssigkeit, mit der man sich leicht schmutzig machen kann, wird hier stellvertretend für die Missgeschicke des Lebens verwendet [vgl. Rö: Tinte]. Wer daher im übertragenen Sinn in der Tinte sitzt oder steckt, hat sich in eine unangenehme, ausweglose Situation gebracht. In den fremdsprachigen Belegen wird anstelle der Tinte Suppe bzw. Puree als unangenehme 'Flüssigkeit' verwendet. [WH] - Entstehungszeit: 1500ff. [Kü: Tinte] - Diastratik: ugs. [DUR: Tinte] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Figuriertheit: scherzhaft - Interlingual Kompatibles: engl. to be in the soup [dict.cc]; isl. að sitja í súpunni [dict.cc]; fr. être dans la purée [leo.org]; spa. estar en un apuro [leo.org] - Querverweise: in die Tinte geraten/kommen

 

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Projektleitung

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr.

Wernfried HOFMEISTER



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