Geist
Geist: an Gespenster/Geister glauben
Umschreibung: an Dinge, die gar nicht da sind, glauben [RR]
Analyse der Bedeutung: Die Wendung an Geister oder Gespenster glauben rekurriert auf den abergläubischen Geisterglauben, der in enger Verbindung mit den Termini Geisterfurcht und -verehrung steht. Diese abergläubische Überzeugung beruht auf der Annahme, es existieren übernatürliche Kräfte und geheimnisvolle Mächte innerhalb aller kleinsten Teilchen (lebendig oder tot). Der sogenannte Animatismus ist kein Relikt heidnischer Völker, sondern noch gegenwärtig präsent. [Vgl. HdA: Geist] In der übertragenen Wendung wird nicht wortwörtlich auf den Geisterglauben angespielt, sondern das Sujet ‚Geisterglaube‘ als törichtes Hirngespinst bedient, in der Bedeutung von Wahnvorstellungen oder dem Glauben an Dinge, die nicht existieren. Wenn jemand an Geister oder Gespenster glaubt, imaginiert die Person etwas, das nicht existiert. [RR] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. to believe in ghosts [pons.de] - Querverweis: (am helllichten Tage) Gespenster sehen
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Geist: Geisterbahn
Umschreibung: auf Jahrmärkten o. Ä. aufgestellte Bahn, die durch dunkle Räume führt, in denen schaurige Geräusche und Erscheinungen die Mitfahrenden erschrecken sollen [DUW: Geisterbahn]
Analyse der Bedeutung: Die erste Geisterbahn entstand in der ersten Hälfte des 20. Jh. [vgl. WIKI: Geisterbahn], während ‚echte’ Geister innerhalb einer aufgeklärten Gesellschaft, in der der Geisterglaube (siehe den Beleg an Gespenster/Geister glauben↗) rückläufig war, viel von ihrer realen Überzeugungskraft gebüßt hatten. Im Ausdruck ‚Geisterbahn‘ stehen diese übernatürlichen Wesen für einen angetriebenen Zug durch eine gruselige Halle, in der hinter jeder Ecke Gefahr durch spezielle technische Effekte lauert, Pate. Dass der Namensgeber auch als guter Geist dienstbar gemacht werden kann, daran ist bei einer Fahrt mit der Geisterbahn nicht zu denken, denn schließlich geht es um den Adrenalinausstoß der Insassen und gespenstischen Nervenkitzel. [RR] - Entstehungszeit: 20. Jh. [PA: Geisterbahn] - Interlingual Kompatibles: engl. ghost train [LA]; haunted house [dict.cc] - Figuriertheit: Hyperbel; Komik
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Geist: Geisterbahnfahrt
Umschreibung: schlimme, schreckliche Erfahrung, Darstellung, Schilderung [RR]
Analyse der Bedeutung: Eine Geisterbahnfahrt mit der Geisterbahn (siehe den Beleg Geisterbahn↗) verspricht schaudernden Nervenkitzel, der in der übertragenen Bedeutung gleichermaßen zum Tragen kommt. Eine übertragene Geisterbahnfahrt durch etwas richtet das Augenmerk auf das Schauderhafte. Demnach wird etwas zur Geisterbahnfahrt, wenn nur Schlimmes und Schreckliches in den Fokus rückt. Dies kann für Aufführungen im Bereich der Kunst und Literatur ebenso zutreffen wie z. B. für einen Spaziergang durch ein zwielichtiges Viertel (siehe aktuelle authentische Belege). [RR] - Entstehungszeit: 20. Jh. [RR] - Querverweis: Geisterbahn - Figuriertheit: Drastik
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Geist: (politischer) Geisterfahrer
Umschreibung:
- Falschfahrer [DUW: Geisterfahrer]; Kraftfahrer auf der falschen Richtfahrbahn der Autobahn [KUE: Geisterfahrer]
- jemand, der eine der vorgegebenen politischen Richtung entgegengesetzte Meinung vertritt [DUW: Geisterfahrer]; Politiker, der einen zum Mißerfolg führenden Kurs unbeirrt beibehält [KUE: Geisterfahrer]
Analyse der Bedeutung: Möglicherweise ist der Ausdruck ‚Geisterfahrer‘ in Analogie zu ‚Geisterschiff‘ als ‚unbemanntes Schiff’ [KLU: Geisterfahrer] Mitte des 20. Jh. entstanden [vgl. KLU: Geisterfahrer]. Der Geisterfahrer ist eine Person hinter dem Steuer eines Fahrzeuges oder der Politik, welche sich nicht in die vorgeschriebene Fahrtrichtung fortbewegt bzw. sich auf einen fatalen Politkurs einschwört. [RR] - Entstehungszeit: 1) 1975 [PA: Geisterfahrer]; 2) 1978 ff. [KUE: Geisterfahrer] - Allgemeiner Gebrauchskontext: 2) Politikjargon [DUW: Geisterfahrer] - Interlingual Kompatibles: norw. spøkelsesbilist [LA]; nl. spookrijder [pons.com] - Figuriertheit: Drastik
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Geist: wie von/durch Geisterhand
Umschreibung: wie durch eine unsichtbare Kraft bewegt [DUR: Geisterhand]; von unsichtbaren Wesen, ohne menschliches Zutun [ROE: Geist]
Analyse der Bedeutung: Hinter der übertragenen Wendung, so Röhrich, steckt vermutlich die magische Idee vom Treiben dienstbarer Geister oder Heinzelmännchen, die im Verborgenen, ohne zu erscheinen, Allfälliges verrichten. [Vgl. ROE: Geist] - Entstehungszeit: im 18. Jh. [dwds.de: Geisterhand] - Semantische Prozesse: Vergleich - Interlingual Kompatibles: as if by an invisible hand [leo: Geisterhand] - Figuriertheit: Drastik
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Geist: die Geister, die man rief
Umschreibung: bewusst eingesetzte Kräfte, die außer Kontrolle geraten sind [DUR: Geist]
Analyse der Bedeutung: Die Verse "Die ich rief die Geister, / werd ich nun nicht los" (siehe Realienkundliches) aus Goethes Zauberlehrling gelten als Quelle der übertragenen Bedeutung und beziehen sich auf entgleisende Bemühungen. Ferner steht die übertragene Bedeutung mit der irrationalen Natur von Geistern in Verbindung. [Vgl. DUR: Geist; vgl. ROE: Geist] - Entstehungszeit: ab 1798 [ROE: Geist] - Realienkundliches: Hat der alte Hexenmeister / sich doch einmal wegbegeben! / Und nun sollen seine Geister / auch nach meinem Willen leben. / Seine Wort und Werke / merkt ich und den Brauch, / und mit Geistesstärke / tu ich Wunder auch. [...] / "In die Ecke, /Besen, Besen! / Seids gewesen. / Denn als Geister / ruft euch nur zu diesem Zwecke, / erst hervor der alte Meister." [Goethe, Zauberlehrling, 1797] - Semantische Prozesse: phraseologisiert; sprichwörtliche Redensart - Allgemeiner Gebrauchskontext: Die Redensart wird vor allem im umwelt- und wirtschaftspolitischen Kontext gebraucht. [Vgl. ROE: Geist]
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Geist: von allen guten Geistern verlassen sein
Umschreibung: völlig unvernünftig, konfus sein [DUR: Geist]; nicht wiederzuerkennen sein, unverständlich und wider alle Vernunft handeln oder sprechen [ROE: Geist]
Analyse der Bedeutung: Die Aufgabe guter Geister war es, Menschen von allem Bösen, unholden Wesen und Dämonen zu schützen. Der Glaube, gute Geister vertreiben, bedrohen und jagen Dämonen Furcht ein, ist bereits in der paganen Tradition belegt. Sämtliche Orakeltiere, wie etwa weiße Mäuse, wurden für gute Geister gehalten. [Vgl. HdA: Dämon, Maus, Geist] Küpper vermutet, hinter den guten Geistern stecken Heinzelmännchen aus dem Volksmärchen [KUE: Geist]. Ist jemand im übertragenen Sinn von allen guten Geistern verlassen (weil keine guten Geister zur Seite stehen, um das Böse abzuschirmen), handelt er oder sie im übertragenen Sinne irrational und völlig unvernünftig. [RR] - Entstehungszeit: 1900 ff. [KUE: Geist] - Diastratik: ugs. [DUO: Geist] - Semantische Prozesse: phraseologisiert; sprichwörtliche Redensart - Interlingual Kompatibles: engl. to take leave of one’s senses [dict.cc] - Figuriertheit: Euphemismus
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