Tarantel
Tarantel: wie von einer Tarantel gestochen
Umschreibung der Bedeutung: urplötzlich (z. B. auffahren, emporfahren, umherrennen) [ROE: Tarantel]; plötzlich überaus heftig [DUR: Tarantel]; in plötzlicher Erregung sich wild gebärdend, wie besessen [DUW: Tarantel]
Analyse der Bedeutung: Ein sehr alter magischer Aberglaube tradiert, weibliche Wesen würden sich in Spinnen verwandeln und diese Spinnen – sonderbare (magische) Kreaturen – wären eine Art Modifikation der Hexe. Charakterisierungen und in Erfahrung gebrachte Informationen über Spinnen (siehe Realienkundliches) übertreffen dementsprechend aus heutiger Sicht jegliche Phantasie, was mit der Wendung wie von einer Tarantel gestochen bespielhaft ausgedrückt wird. Der Biss einer Tarantel ist zwar nicht folgenlos (er zieht eine ernstzunehmende Entzündung nach sich), aber auch nicht tödlich, wie die abergläubische Tradition fürchtet. Durch den Tarantelbiss werde eine Tanzwut verursacht, sodass die Gestochenen solang wie toll tanzen, bis sie letztlich in einem manisch-magischen Zustand zu Boden gehen. Röhrich beschreibt diese Tanzwut als magische Heilungsmethode (= Heiltanz) infolge eines Tarantelbisses [vgl. ROE: Tarantel]. [Vgl. HdA: Spinne; Tarantel; vgl. DUR: Tarantel] Gegenwärtig lebt die Vorstellung einer veitstanzartigen Erregung von Tarantelgestochenen nur noch in der übertragenen Bedeutung weiter. Wenn jemand eine Tätigkeit (vor allem in Form einer Bewegung wie laufen, springen etc.) wie von einer Tarantel gestochen verrichtet, wird diese Handlung sehr schnell, in plötzlicher Erregung und wie wild ausgeführt. [RR] - Entstehungszeit: Ende 18. Jh. [vgl. ROE: Tarantel] - Diastratik: ugs. [DUR: Tarantel] - Realienkundliches: Tarans haizt ain tarant, daz ist ain klain tierl und ist ain slängel, scorpen geslähtes, sam Plinius spricht, ez hât flügel, und fleugt ainer lai tarant, aber niht allerlai. daz tierl ist gar schedleich, wan wen ez sticht der stirbt, man helf im dann mit driaker oder mit anderr erznei. der tierl ist vil in Lamparten und übcral in Italia, aber diu sint dik unschedleich. ir ist auch vil in den landen lenger ân ezzen. wenn man in toet und in paizt in öl, daz öl ist guot wider des tarandes hecken und stechen. [Konrad von Megenberg, Das Buch der Natur, S. 283f., 1348/50] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. like a scalded cat; as if stung by an adder [dict.cc]; frz. elle sursauta comme si une mouche l'avait piquée [pons.de] - Figuriertheit: Vergleich, Hyperbel, Komik
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