geigen
geigen: jemandem Bescheid geigen
Umschreibung: jemanden heftig zurechtweisen [Kü, S. 3454]
Historische Analyse: 1.) Fußt auf der Gleichsetzung von Geigenbogen und Prügelstock [Kü, S. 3454]. Die damit ausgedrückte Zurechtweisung muss man sich als handgreifliches Einprügeln seiner Meinung mit einem Stock, in diesem Fall mit einem Geigenbogen vorstellen. [HS] 2.) Eine ältere, im 19. Jahrhundert gebräuchliche sprichwörtlichen Redensart, die wahrscheinlich als 'Vorgängerin' von 'jemandem Bescheid geigen' anzusehen ist, führt Grimm an: 'die wahrheit geigen': das heißt eigentlich zur geige singen, wie der spielmann [Gr]. So wie ein Spielmann, vielleicht ein Hofnarr, unter dem Deckmantel der Kunst die Wahrheit sagen darf, indem er sie singt und sich mit der Geige begleitet, kann man auch allgemein und ohne Musik die 'Wahrheit geigen', wobei 'geigen' hier eine Umschreibung für 'sagen' ist. Danach nennt Grimm auch einige Varianten: 'ich will dirs schon geigen', eigentlich wol eben die wahrheit geigen, den standpunkt klar machen, aber auch 'ich will dir was geigen', einen wunsch nicht erfüllen (CAMPE), tirolerisch 'einem ains aufgeigen, fürgeigen' SCHÄPF 182. [Gr]. In den letzten Varianten merkt man schon den Wandel von 'die Wahrheit sagen' zur Drohung, jemandem seine Meinung - wenn nötig mit Gewalt - aufzudrängen, die Küpper ab den 1950er-Jahren nachweisen kann und bei der ein Geigenbogen als Prügelstock eingesetzt wird (vgl. dazu die historischen Belege). - Entstehungszeit: 1950 ff. [Kü, S. 3454] - Gebräuchlichkeit: umgangssprachlich
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Geigen: jemandem/ für jemanden hängt der Himmel voller Geigen (Baßgeigen, Fiedeln)
Umschreibung: 1.) jemand ist schwärmerisch glücklich und blickt froh in die Zukunft [DUW] bzw. sieht erwartungsvoll in die Zukunft [DURW]; jemand ist voller Zuversicht, voller Freude; er ist sehr guter Stimmung [Kü, S. 12168] 2.)
Historische Analyse: 1.) Wahrscheinlich geht die Vorstellung der Redensart auf die Malerei der späten Gotik bzw. Frührenaissance zurück, als man den Himmel mit musizierenden Engeln belebt darstellte. So schmückt die Festtagsseite des Isenheimer Altars von Matthias Grünewald ein farbenprächtiges Engelskonzert. Auch Raffaels Bild 'Krönung Mariens' zeigt den Himmel mit geigenspielenden Engeln erfüllt. [Rö] 2.) Die Wendung geht von der Vorstellung aus, dass der Himmel bei der Geburt Christi durch Geige spielende und singende Engel voller Harmonie war [DURW]. Dort empfindet man nichts als Freude [Ad, S. 20766]. Der himmel hat sich geöffnet, dasz man die 'harmonie der sphären' hört und sieht, die aus griechisch-philosophischer anschauung her umgekleidet eigenthum der christlichen vorstellung geworden war (s. z. b. LUTHER u. geigen 2, b, vgl. WACKERN. kl. schr. 1, 313), wie sie noch im 17. 18. jh. die künstler auch bildlich darstellten als himmlisches orchester, das denn auch noch in unsere ziemlich verschwimmende vorstellung von der sog. sphärenharmonie mit eingieng. [Gr] 3.) Eiselein (Die Sprichwörter und Sinnreden des deutschen Volks. Zum ersten mal aus den Quellen geschöpft, erläutert und mit Einleitungen versehen von J. Eiselein. Freiburg 1840, S. 310) fragt, ob bei der frühern Schreibweise 'Gigen' das Wort 'Giege' (fatuus, Narr, Tölpel, Thor) oder 'Geige' (Violine) gemeint ist. Die erstere Annahme scheint dem Sinne nach mehr für sich zu haben, da sich die Thoren, denen die Erde zu schlecht ist, gern an den Himmel hängen. Auch Megerle entscheidet sich für sie, indem er sagt: 'Der Himmel hangt voll Geigen, stultorum plena sunt omnia.' Indes spricht ein anderes Sprichwort, das von Bassgeigen redet, für die letztere Annahme. [Wa, S. 19842f.] - Entstehungszeit: schon im 15. Jahrhundert belegt [Rö] - Gebräuchlichkeit: gehoben [DUW]
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