Ton
Ton: den falschen Ton in jemandes Äußerung(en) hören
Umschreibung: man hört, dass das, was gesagt wird, nicht ehrlich gemeint ist [vgl. DUW]
Historische Analyse: Gemeint ist ein Tonfall der Falschheit/ Verstellung beim Sprechen. Die Verwendung von 'Ton' im Sinne von 'Ausdruck und Stil des Sprechens' wurde im 18. Jahrhundert von der vielfältigen Gebrauchsweise des französischen 'ton' übernommen, das bald zum Modewort avancierte [vgl. Gr]. Die Übertragung erfolgte vom Ton der menschlichen Sprech- oder Singstimme über die Rhetorik auf den Ausdruck und Inhalt des Sprechens und Benehmens [vgl. Gr]. Der Gegensatz zum 'falschen' Ton ist der 'natürliche, unverstellte' Ton [vgl. Gr]. In der Musik ist ein 'falscher' ein unharmonischer, dissonanter Ton. Wer im 'falschen Ton spricht' (siehe dort), sagt etwas ebenso unpassendes wie jemand, der einen falschen Ton spielt, eine unpassende Note verwendet. Wenn jemand einen falschen Ton 'hat' (siehe dort), bedeutet das, dass keine seiner Äußerungen zum tatsächlich Gemeinten passt. [HS] - Entstehungszeit: seit dem 18. Jahrhundert [vgl. Gr]
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Ton: den Ton angeben/ tonangebend sein
Umschreibung: 1.) als nachzuahmendes Vorbild gelten [DUW]; regelmäßig den Anfang mit etwas machen, worauf es alle anderen nachahmen [Rö] 2.) eine maßgebliche Rolle spielen [DUW]; bestimmen, was geschieht [DURW]; die Richtung bestimmen, maßgebend sein [Rö]
Historische Analyse: Man möchte bei diesen Redensarten heutzutage an einen Dirigenten denken, der den Chorsängern oder den Musikanten den Stimmungston angibt, doch stammen die Redensarten noch aus einer Zeit, in der Ton entsprechend der mittelalterlichen Kunstlehre 'Tonart', 'Singweise', 'Melodie' bedeutet. [Rö] Wer den Ton angibt, bestimmt also, was gespielt wird. [DURW] 'Ton' hat in dieser Bedeutung keinen Plural. Für das Adjektiv 'tonangebend' führt Grimm vier grammatische Verwendungsweisen an, die anhand von Beispielen erläutert werden: 1) attributiv: wo diese kleinen tonangebenden herren alles ... persifliren ZIMMERMANN einsamkeit 1, 76 2) prädicativ: der verein ... ist weder tonangebend, noch von so grosser macht STIFTER 14, 105 3) adverbial: (die deutschen neugebildeten wörter, die man) allmählich in gute gesellschaft zog, wo sie jetzt tonangebend walten JAHN 1, 335 4) substantivisch: dieser mächtigere wird immer der hervorragende, der tonangebende seyn HALLER restaur. 3, 143. [Gr] - Entstehungszeit: in übertragenem Sinne seit dem 18. Jahrhundert bezeugt [Rö] - Fremdsprachen: italienisch 'dare il tono', französisch 'donner le ton'; englisch 'to give the tone' [Rö]; englisch: (in der Mode, Kunst usw.) to set the tone; (in einer Gruppe.) have the most or greatest say [DUOE-D]
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Ton: einen (furchtbaren oder ähnlichen) Ton am Leibe haben
Umschreibung: abwertend: in ungebührlicher Weise sprechen, sich äußern [DUW]; hochfahrend, herrisch reden [Kü, S. 28368]
Historische Analyse: Die gewählte Tonlage (Tonart) der Sprechstimme, die Sprechweise klingt unpassend, unschön, allzu schrill. [vgl. Kü, S. 28368]. 'Ton' in dieser Verwendungsart hat keinen Plural. Der Ausdruck 'am Leibe' bezieht sich auf den Charakter, die Seele eines Menschen, welche 'im Leib' wohnen und sich äußerlich, 'am Leibe' zeigen [vgl. Gr] und schließt an eine Reihe anderer, älterer Ausdrücke an wie 'mut, ehre, furcht, liebe im leibe haben; grillen im leibe haben' [vgl. Gr]. Der 'furchtbare' Ton im Umgang mit Menschen ist das Gegenstück zum 'guten' Ton (siehe dort). [HS] - Entstehungszeit: seit dem 19. Jahrhundert [Kü, S. 28368] - Gebräuchlichkeit: umgangssprachlich [DUW]
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Ton: einen anderen/ schärferen Ton/ andere Töne anschlagen
Umschreibung: 1.) von nun an größere Strenge walten lassen [DUW]; strenger werden [DURW]; energischer werden; seine Forderungen erhöhen [Kü, S. 28367] 2.) energischer, ungeduldiger mit jemandem reden; unumwunden sagen, was einem nicht behagt [Rö] 3.) seine Redeweise ändern; höflicher werden [HS]
Historische Analyse: Während Küpper [vgl. S. 28367] vermutet, der Ausdruck sei erst um 1935 entstanden und habe etwas mit dem Anschlagen einer Stimmgabel zu tun (eine Stimmgabel ist jedoch nur auf einen Ton gestimmt), weist Grimm nach, dass diese Verwendungsweise von 'Ton' bereits im 18. Jahrhundert aufgekommen ist: eine bedeutsame einwirkung haben dann etwa seit dem späteren 17. jahrhundert die gebrauchsweisen des französisch ton ausgeübt. seit früher zeit wurde dieses auf den ausdruck der sprechstimme bezogen, und nunmehr wird auch das deutsche wort in diesem sinn als technischer terminus der redekunst gebraucht; [...] dann begegnen im französischen die übertragungen dieses gebrauchs auf ausdruck und inhalt der rede in wort und schrift, in verkehr und umgang [...]. im deutschen wird ton in solchen verwendungen seit etwa dem 18. jahrhundert lieblings- und modewort, doch ist nicht zu übersehen, dasz bereits mittelalterliche übertragungsweisen aus der bedeutung 'melodie' diesen gebrauch vorbereitet haben [Gr]. Mit 'Ton' ist also die Art und der Inhalt des Sprechens gemeint, wobei die Stimme wie ein Instrument 'angeschlagen' wird. Die Wendung lautete zunächst 'einen anderen Ton singen/ pfeifen/ sprechen; aus einem anderen Ton musizieren' [vgl. Gr]. Genauso wie bei der sprichwörtlichen Redensart 'andere Saiten aufziehen' (Synonym im 18. Jahrhundert: 'den Ton wechseln'; vgl. Wa, S. 47761) wurde 'aus einem anderen Ton sprechen' zunächst für eine positive Änderung der Sprech- und Verhaltensweise verwendet. Wander nennt als Bedeutung 'vortheilhaftere, mildere Bedingungen, günstigere Anerbietungen machen' [Wa, S. 47760]. Die Wendung zum Negativen scheint sich erst im Laufe des 19. Jahrhunderts vollzogen zu haben, wie die Beispiele im Grimm‚Äôschen Wörterbuch dokumentieren. [HS] - Entstehungszeit: 18. Jahrhundert [vgl. Gr]
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Ton: etwas gehört zum guten Ton/ der gute, [seltener:] feine Ton
Umschreibung: etwas gehört zu den Regeln des Umgangs [DUW], wird als selbstverständlich angesehen, gehört zum guten Benehmen [vgl. DURW], zur in einer gesellschaftlichen Schicht üblichen Umgangsart [vgl. Rö]
Historische Analyse: Gemeint ist der gute 'Umgangston' in einer Gemeinschaft, der Ton der guten Gesellschaft [vgl. Ad, S. 54084] - in dieser Bedeutung ohne Plural. 'Daß in einer Residenz sich alles nach dem Ton stimmt, den der Fürst angiebt', schreibt Adolph Freiherr von Knigge ('Roman meines Lebens' 3, 11), der durch sein Buch 'Umgang mit Menschen' wesentlich zur Verbreitung seines Lieblingsausdrucks 'der gute Ton', das heißt die in einer gesellschaftlichen Schicht übliche Umgangsart, beigetragen hat. [Rö] Wie sich der Wandel vom Ton der menschlichen Stimme zur Umgangsform vollzog, erläutert Grimm: Die reiche und weit verzweigte entfaltung solcher verwendungsarten von ton im 18. jahrhundert steht aber im zusammenhang mit der bedeutungsentwicklung des französischen wortes, die unmittelbar an jenen gebrauch anknüpft, der sich auf den gefühlsausdruck der sprechstimme bezog. unvermerkt erweitert sich der kreis dieser beziehung, und ton ist nicht nur der hörbare ausdruck der sprechstimme, sondern auch der geistig wahrnehmbare inhalt und ausdruck der rede, der sich in der art und weise der wortfügung, des stils und im thatsächlichen gegenstand der rede offenbart. diese geistige wahrnehmung, die nicht mehr durch das sinnliche hörorgan vermittelt wird [...]. [Gr] Einige Belege, die Grimm anführt, weisen darauf, hin, dass der 'gute' zugleich der 'schöne' Ton sei. Hier lässt sich die Bedeutungsentwicklung von der schönen Sprech- oder Singstimme zum ästhetisch anspruchsvollen gesellschaftlichen Umgang nachvollziehen, wobei es sich hier eher um eine Nebenentwicklung zu handeln scheint [HS]. - Entstehungszeit: 18. Jahrhundert [vgl. Gr] - Fremdsprachen: französisch 'le bon ton' [Rö]
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Ton: im falschen Ton sprechen/ den falschen Ton erwischen/ sich im Ton vergreifen
Umschreibung: eine falsche bzw. unpassende Rede-, Sprechweise verwenden, sich sehr unpassend ausdrücken [DURW]; etwas unpassend formulieren [Rö]
Historische Analyse: Der ton [in dieser Verwendungsweise ohne Plural, Anm.] ist der nach der besonderen stimmführung, stimmlage und stimmfärbung wohl zu unterscheidende ausdruck, der einen bestimmten gefühls- und gedankeninhalt erkennen läszt. diese bedeutung muszte sich schon früh im mittelalter ergeben, wenn der ton der stimme nach seiner ausdrucksfähigkeit beurtheilt wurde. in mehr allgemeiner und technischer verwendung begegnet aber dieser gebrauch doch erst seit der zweiten hälfte des 17. und dann besonders im 18. jahrhundert, und hier bereits ist der einflusz des französischen worts anzunehmen, das, wie schon lateinisch tonus in diesem sinn, bereits in früher zeit üblich war und in solcher verwendung vor allem seit dem 17. jahrhundert erscheint; [...] ganz dieser gebrauchsweise des französischen entspricht die des deutschen worts [...] [Gr]. So wie man an der Klangfärbung der Singstimme den ausgedrückten Gefühls- und Gedankeninhalt in Liedern erkennen kann, lässt auch die Wahl der Redeweise bzw. Formulierung auf den Inhalt schließen, der mehr oder weniger passend sein kann (vgl. der gute Ton und sein Gegenstück, der furchtbare Ton, den man am Leibe hat). [HS] - Fremdsprachen: englisch: to adopt the wrong tone; strik
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