Acht und Bann
Acht und Bann: jmdn./etw. in Acht und Bann tun/stellen/schlagen / in Acht und Bann getan/geschlagen werden/kommen
Umschreibung: jmdn. aus einer Gemeinschaft ausschließen, aufs Schärfste verurteilen [DUR: Acht]; jmdn. verstoßen [LDR: Acht]; etw. verbieten [LDR: Acht]; etw. nicht zulassen [ROE: Acht] / aus einer Gemeinschaft ausgeschlossen werden, aufs Schärfste verurteilen werden [Vgl. DUR: Acht]; verstoßen werden [Vgl. LDR: Acht]; verboten werden [Vgl. LDR: Acht]
Analyse der Bedeutung: Das feminine Substantiv ‚Acht‘ in der Bedeutung von ‚Recht- und Friedlosigkeit‘ sowie ‚Ausschluss aus der Gesellschaft‘ lautet im Ahd. āhta, im Mhd. āhte oder æhte, im Mnd. und Mnl. achte, im Nl. acht, im Aengl. ōht ‘ und weist eine Parallele zu der ir. Form ēcht auf, die auf ‚Totschlag (aus Rache)’ referiert. Zur näheren Herkunft ist nichts weiteres bekannt. Die Phraseologisierung zur Zwillingsformel ‚Acht und Bann‘ ist ab dem Beginn des 14. Jhs. zu beobachten. [Vgl. WPE: Acht].
Das Maskulinum ‚Bann‘ in seiner heutigen übertragenen Bedeutung von ‚zwingende Gewalt, Fesselung, Zauber‘ weist im germanischen Sprachraum die Formen ahd. und mhd. ban, asächs. bann, afries. bonn und bann, aengl. gebann, engl. ban sowie anord. bann, basierend auf germ. *banna- auf. Sie stehen mit den Verbalformen ahd. bannan und gibannan, mhd. bannen, asächs. sowie aengl. bannan (‚befehlen, aufbieten, vor Gericht fordern’) mit germ. *bannan in Verbindung, wobei sich über die germ. Form Parallelen zu lat. fārī (‚künden, sprechen, sagen’), griech. phánai (φάναι) (‚kundmachen, sagen’), russ.-kslaw. bajati (‚erzählen, besprechen, heilen’) und russ. bájat’ (баять) (‚reden, sprechen’) erkennen lassen. Dadurch ist es möglich, die zugrundeliegende ie. Wurzel *bhā- (‚sprechen’) zu rekonstruieren. ‚Bann‘ bedeutete ursprünglich ‚feierlicher Spruch‘ und referierte im mittelalterlichen Rechtskontext zunächst auf ‚Befehl‘, Gebot‘, ‚Verbot unter Strafandrohung‘ und auf ‚Einberufung zum Gericht‘, bis damit konkret der ‚Ausschluss aus der Gemeinschaft der katholischen Kirche‘ bezeichnet wurde. [Vgl. WPE: Bann].
Die Redewendungen, die sich mit der Zwillingsformel ‚Acht und Bann‘ bilden lassen, führen auf den rechtlich angeordneten Zustand der Recht- und Friedlosigkeit sowie die damit verbundenen Sanktionen im Kirchenbereich zurück. [Vgl. DUR: Acht; vgl. LDR: Acht; vgl. ROE: Acht].
Das Verhängen der Acht ist ab dem frühen Mittelalter insbesondere für den germanischen Raum und bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches nachweisbar. Die unterschiedlichen Formen der Acht manifestieren sich in der Ungehorsamsacht, der Säumnisacht und der Strafacht, wobei Letztere das Knüpfen der Acht an den Kirchenbann beinhaltet. Während des Spätmittelalters konnte die Acht temporär, auf Jahr und Tag, oder auf ewig festgelegt sein. Während die Dauer der Acht variabel war und mehrere Formen existierten, blieben die rechtlichen Folgen über die Zeit hinweg konstant: Die Person, über die die Acht ausgesprochen worden war, war der klagenden Person sowie Drittpersonen ausgeliefert, galt als vogelfrei und war folglich gefährdet, getötet zu werden. Neben der Verfolgungspflicht, wie sie vor allem für das Spätmittelalter und die Frühe Neuzeit belegt ist, erstreckte sich die Friedlosigkeit sowohl auf alle Tätigkeiten wie z. B. das wirtschaftliche Gewerbe der geächteten Person als auch deren persönliches Vermögen und andere mit ihr verbundenen Personen. Die Aufhebung der Acht, die sich hinsichtlich ihrer Wirkung und Gültigkeit nach der jeweiligen Gewalt des Gerichtes orientierte, konnte bspw. über Sühneverträge, Anwesenheit vor Gericht oder über den Achtschilling bzw. -schatz erwirkt werden. [Vgl. HRG-FB: Acht].
Die Verknüpfung der Reichsacht mit dem Kirchenbann gelang im Jahr 1220 unter Friedrich III. in der Confoederatio cum principis ecclesiasticis. Der geistliche Bann definiert nicht nur den Ausstoß aus der kirchlichen Gemeinschaft, sondern kann sich u. a. auch auf partielle Ausschlüsse wie aus der eucharistischen Gemeinschaft der Spätantike (excommunicatio medicinalis) beziehen. Martin Luther (1483–1546) befürwortet bei religiösen Sünden eine temporäre Ausgrenzung aus der Sakramentsgemeinde sowie das Zuweisen bestimmter Plätze in der Kirche, um die ausgeschlossenen Personen zu kennzeichnen. Die Befreiung vom Kirchenbann durch finanzielle Vergütungen beweist die Verschmelzung von weltlichen mit religiösen Rechtsbelangen. Obwohl der kirchliche Bann ab dem 18. Jh. einen deutlichen Rücklauf verzeichnet, setzt er mit dem 19. Jh. wieder verstärkt ein. [Vgl. HRG-CB: Bann, kirchlicher]. Der weltliche Bann fasst unter sich diverse Gebote und Verbote zusammen und taucht in schriftlicher Form frühestens in der Lex Salica und der Lex Ribuaria auf. [Vgl. HRG-KK: Bann, weltlicher].
Mittels der Paarformel jmdn./etw. in Acht und Bann tun/stellen/schlagen wird folglich vor dem Hintergrund der Recht- und Friedlosigkeit einerseits sowie des rechtlichen Ausschlusses andererseits über die Paarformel im bildhaften Sinne verstärkt zum Ausdruck gebracht, dass man sich gänzlich gegen etw. oder jmdn. stellt, indem man Ausgrenzung betreibt und die betreffende Person oder Sache verdammt. [GG] - Entstehungszeit: Anfang 14. Jh. (Paarformel: Acht und Bann) [WPE: Acht] -
Realienkundliches: Einer Belegstelle des Jahres 1517 innerhalb der Badischen Rechtsgeschichte von Rudolf Carlebach ist zu entnehmen, dass sich eine unter Acht und Bann stehende Person gegen finanzielle Entlohnung und/oder Verbüßen einer Freiheitsstrafe vom Kirchenbann befreien kann:
§17.
Von bann und acht.
a) Item wer im bann und achten -leit und die kilch von seinen wegen verschlagen würdet, wellichs under denen beschicht, der verbessert uns fünf pfund stebler on gnad, dazu sol man in in thurm legen und nit danauſz lassen, er hab sich dann usser dem bann erlöst, damit die kirch wider von im entschlagen werd. b) Item so bald einer ein frevel verfelt, so sol ein vogt ine eines ersten gerichts, so er hat, fürnemen und, so er felig würdt, mit ime für unsern landvogt komen mit dem zu überkomen in acht tagen nach dem gericht. Und wie er überkumpt, das sol er usrichten; und wellicher nichts hat zu geben, den sol man in thurm legen und für jedes pfund ein wochen darin ligen lassen, wasser und brot geben, damit das unrecht gestraft werd. [Carlebach 1906, S. 148f.]
Diastratik: gehoben [DUO: Acht] - Semantische Prozesse: phraseologisiert; Zwillingsformel (Acht und Bann) - Interlingual Kompatibles: dän.: lyse i band [PONS]; frz.: mettre qn au ban de la société [PONS]; nl.: in de ban/acht doen [PONS]; poln.: skazać kogoś na banicję [PONS] - Figuriertheit: Hyperbel - Querverweis: ↑jmdn./etw. verfemen; ↑jmdn./etw. mit einem Bann belegen / mit einem Bann belegt werden; ↑jmdn./etw. bannen; ↑jmdn./etw. verbannen / verbannt sein/werden; ↑(als) verfemt (gelten) / verfemt sein; ↑jmdn./etw. ächten / geächtet sein/werden
* * *