Ausschlag
Ausschlag: den Ausschlag geben
Umschreibung: entscheidend sein [eWDG: Ausschlag; ausschlaggebend]; die Entscheidung herbeiführen [DUO: Ausschlag]
Analyse der Bedeutung: Das Verbum ‚schlagen‘ (‚hauen, prügeln, töten, einen Gegner überwinden, besiegen, mit einer heftigen, gezielten Bewegung geräuschvoll einen Gegenstand treffen, sich in einer bestimmten Richtung entwickeln, nach jmdm. geraten’) wird im Ahd. als slahan, im Mhd. als slahen sowie slān, im Asächs. als slahan, im Mnd. als slān, im Mnl. als slaen, im nl. als slaan, im Afries. als sla, im Aengl. als slēan, im Anord. als slā, im Schwed. als slå, im Got. als slahan realisiert und führt auf germ. *slahan zurück. Die Formen ahd. sluog, asächs. sowie aengl. slōg resultieren aus dem grammatischen Wechsel. Aufgrund der außergerman. Formen kelt. slacc (‚Schwert’), ir. slacaire (‚Schläger’), mir. slachta (‚geschlagen’), ir. slacht (‚gute Erscheinung, von gutem Schlag’) und gäl. slachdaim (‚schlage mit dem Hammer’) wird als ie. Wurzel *slak- (‚schlagen, hämmern’) angenommen. Das Substantiv ‚Ausschlag‘ mit dem Bedeutungsspektrum von ‚Austrieb der Schweine in die Eichelmast, Herabsinken des Waagebalkens nach der schweren Seite’ entsteht im 15. Jh, während die Idee der ‚Entscheidung‘, des ‚Ergebnisses‘, ‚Erfolges‘ oder ‚Ausgangs‘ erst im 16. Jh. damit verbunden wird. Die medizinische Bedeutungskomponente von ‚Hautschorf, Erkrankung der Haut‘ kommt im 17. Jh. hinzu, die Bedeutung von ‚Trieb‘ oder ‚Spross‘ schließlich im 18. Jh. [Vgl. WPE: schlagen].
Die vorliegende Redensart den Ausschlag geben wird auf die Waage als Wiegeinstrument zurückgeführt. Präziser formuliert ist von der alten Form die Rede, wo zwei Waagschalen über einen Balken verbunden sind und anhand der Zunge am Mittelpunkt das Gewichtsverhältnis abgelesen werden kann. [Vgl. ROE: Ausschlag; vgl. DUO: Ausschlag; vgl. LDR: Ausschlag; vgl. DUR: Ausschlag; vgl. DWB1: ausschlag]. Unter dem rechtlichen Aspekt taucht die Praxis des gerichtlichen Wägens des Herzens der verstorbenen Person bereits im Alten Ägypten auf, wie Reliefdarstellungen und dem Totenbuch zu entnehmen ist. Seit antiker Tradition fungiert die Waage als Attribut der Justitia, als welches sie aequitas, die ausgleichende Gerechtigkeit, verkörpert. Im Mittelalter wird sie als Instrument für die sog. ‚Seelenwägung‘ im Rahmen des Jüngsten Gerichts hochstilisiert und ab 1000 häufig im Zusammenhang mit Erzengel Michael als Symbol der göttlichen Gerechtigkeit in Szene gesetzt. [Vgl. Damm 2000 43f.].
Vom gerichtlichen Wägen mittels der Balkenwaage motiviert, wird mittels der Wendung den Ausschlag geben bzw. ausschlaggebend sein zum Ausdruck gebracht, dass etwas den entscheidenden Faktor oder Unterschied darstellt. [GG] - Entstehungszeit: 15. Jh. [ROE: Ausschlag]; 16. Jh. [WPE: schlagen; LDR: Ausschlag] - Realienkundliches: Innerhalb des altägyptischen Totenbuchs ist u. a. der Totenspruch 125 überliefert, der sich näher mit dem Totengericht befasst. Er handelt von einer verstorbenen Person, die in der Halle der Vollständigen Wahrheit Zeugnis vor den 42 Totenrichtern ablegen muss. Zuallererst listet diese alle nicht begangenen Taten sowie alle Errungenschaften in Monologform auf und bittet die Götter um Rettung. [Vgl. Universität Bonn 2021]. Wie die zugehörige Vignette erkennen lässt, wird mittels einer Waage das Gewicht des Herzens gegen eine Feder, die die Göttin Maat symbolisiert, gewogen. Ist das Herz zu schwer, wird die verstorbene Person der Totenfresserin Ammit ausgeliefert - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Interlingual Kompatibles: dän.: gøre udslaget [PONS]; engl.: to tip the balance [dict.cc]; engl.: to tip the scales [dict.cc]; engl.: to turn the balance [dict.cc]; isl.: að gera útslagið [dict.cc]; nl.: de doorslag geven [PONS]; norw.: det gjør utslaget [PONS]; schwed.: ge utslag, avgöra saken [PONS] - Querverweis: ↑das Zünglein an der Waage sein; ↑ausschlaggebend sein
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