Bart
Bart: Bei meinem Barte(!)
Umschreibung: Beteuerungsformel [DUR: Bart]; bei meiner Ehre, so wahr ich hier stehe [ROE: Bart]
Analyse der Bedeutung: Das maskuline Substantiv ‚Bart‘ in seiner Bedeutung von ‚Behaarung von Kinn und Wangen‘ weist die Formen ahd. sowie mhd. bart, mnd. bārt, mnl. baert, nl. baard, aengl. und engl. beard auf und geht aus germ. *barða- hervor. Über die Verknüpfung mit den außergermanischen Varianten aslaw. brada, russ. borodá (борода) und lat. barba kann ie. *bhardhā (‚Bart’) mit der Wurzel ie. *bhar-, *bhor- (‚Hervorstehendes, Borste, Spitze’) als Ursprung angenommen werden. [Vgl. WPE: Bart].
Der Ausruf Bei meinem Barte! führt auf eine alte Schwurgeste zurück, wo zur symbolischen Bekräftigung der Eidesleistung der Bart berührt wurde [vgl. ROE: Bart; vgl. LDR: Bart]. Grundsätzlich setzte sich die Ablegung eines Eides in der heidnischen Kultur aus einer Hand- oder Fingergestik und dem Auflegen der Hand auf Artefakte wie das Schwert oder den Richterstab, auf Naturalien wie Felsen, Bäumen, Gräsern, der Erde oder einer sakralen Quelle und schließlich auf Körperteile wie dem Kopf- oder Barthaar zusammen. Wollten Frauen einen Schwur ablegen, unterstützten sie dies durch das Berühren ihrer Haarflechten durch die Finger der rechten Hand. Innerhalb des Christentums wurde entweder auf das Kreuz, auf Reliquien oder Evangelien geschworen und dadurch Gott oder bestimmte Heilige angerufen. Eine Eidesverletzung wurde rechtlich mit diversen Strafen wie dem Ehr- und Rechtsverlust sowie Körperstrafen geahndet. [Vgl. HRG-DM: Eid; vgl. LDR: Barte; vgl. GRA I, S. 203]. Nach Jacob Grimm existieren keine Rechtstexte, die das Schwören beim Bart oder durch die Berührung des Bartes belegen, jedoch wird diese Form des Rechtsgestus von altfranzösischen und mittelhochdeutschen literarischen Texten oder Liedern aufgegriffen. [Vgl. GRA II, S. 549f.].
Zur Bedeutung des Barthaares als Symbol der männlichen Ehre siehe ↑jmdm. die Ehre abschneiden. Älter ist die scherzhafte, jedoch nicht mehr stark frequente Form beim Barte des Propheten (schwören), wobei hinsichtlich des realen Hintergrundes auf den Propheten Mohammed angespielt wird. Literarisch ist das tatsächliche Schwören beim Bart des Propheten bspw. durch die märchenhaften Erzählungen von 1001 Nacht überliefert [vgl. ROE: Bart].
Für die metaphorische Exklamation Bei meinem Barte! fungiert die historisch weit zurückreichende Tradition des Ergreifens des Barthaares beim Schwurakt des Mannes als Bildspender und motiviert den übertragenen Sinn einer scherzhaften Beteuerungsformel, die nicht mehr an rechtliche oder religiöse Umstände gebunden ist. [GG] -
Realienkundliches: In der Reimchronik Buch von den Wienern schildert Michael Beheim 1462–1465 unter anderem das Schwören der ‚Haiden‘ bei ihren Bärten. Im Fall eines Eidbruches wird der schwörenden Person der Bart schandhaft geschnitten, was das Meiden durch andere nach sich zieht:
swert ain haiden pei seinem part,
vnd helt dez niht, man jm ain schart
und lak dar auss tut schneiden,
ander haiden in meiden.
[Karajan 1843, S. 49, 1462, 10–13]
Diastratik: umgangssprachlich [DUR: Bart]; salopp [eWDG: Bart] - Semantische Prozesse: phraseologisiert; satzwertig - Allgemeiner Gebrauchskontext: häufig unter werbendem Aspekt geknüpft an die Barttracht - Interlingual Kompatibles: engl.: By the beard of the prophet! [dict.cc] - Figuriertheit: scherzhaft [DUR: Bart]; Drastik; Komik [GG]
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