brandmarken
brandmarken: jmdn./etw. (als etw.) brandmarken
Umschreibung: (öffentlich) bloßstellen, anprangern, scharf kritisieren [DUO: brandmarken]; moralisch verurteilen [DWB2: brandmarken]
Analyse der Bedeutung: Das Verbum ‚brandmarken‘ im wörtlichen Sinne von ‚mit einem Brandzeichen versehen‘ führt bis ins Spätmhd. sowie Mnd. Ende des 14. Jhs. zurück, wo es unter der Form brantmerken, -marken belegt ist. Das maskuline sowie neutrale Substantiv Brandmark bildet sich im 17. Jh. aus mnd. brantmerk, -mark heraus und referiert auf ‚ein einem Verbrecher eingebranntes Zeichen‘. Die übertragene Bedeutung ‚öffentlich anprangern‘ des Verbs entsteht im 18. Jh. [Vgl. WPE: brandmarken].
Der metaphorische Ausdruck jmdn./etw. brandmarken geht auf die verstümmelnde sowie entehrende Praxis der Brandmarkung zurück, die durch das römische Recht vorgeprägt ist: Bereits in der Antike wurden flüchtige oder delinquente Sklaven mittels eines Brandzeichens entweder auf der Stirn oder am Arm markiert. Nach mittelalterlichem deutschem Recht fand die Brandmarkung als ‚Strafe an Haut und Haar‘, als ‚Ehrenstrafe‘ oder ‚Verstümmelungsstrafe‘ Anwendung, wobei sie hauptsächlich letzterer aufgrund der bleibenden körperlichen Schädigung zugewiesen wird. Je nach Schweregrad der verübten Tat wurde entschieden, ob das Mal auf die Schulter, den Arm, den Rücken, die Backen oder die Stirn gebrannt werden sollte. Die Strafe der Brandmarkung wurde bspw. bei Diebstahlsdelikten, Verkauf von unreinen Lebensmitteln, diversen Betrugsfällen und im Speziellen an Wiederholungstäterinnen- und tätern verhängt, war dabei mit der Verbannung der delinquenten Person verknüpft und diente einerseits zur Kennzeichnung der Täterin/des Täters sowie andererseits zur symbolischen Verdeutlichung des speziellen Vergehens. Demgemäß konnte mittels des Abbilds einer Münze die Herstellung von Falschgeld sichtbar gemacht werden oder über das Aufbrennen eines Rad- oder Galgensymbols ein Kapitalverbrechen sowie die zu erwartende Art der Hinrichtung angekündigt werden. [Vgl. ROE: brandmarken; vgl. HRG-AD: Leibesstrafen; vgl. HRG-AR: Brandmarken; vgl. DRW-WA: brandmarken I; vgl. Wagner 2015, S. 50]. Ab der Frühen Neuzeit wurden auch Bettelnde oder das Fahrende Volk durch ein Brandzeichen gestraft. Das Aufbrennen mitten ins Gesicht wurde vermehrt zurückgedrängt, bis diesem ab der Aufklärung gänzlich Einhalt geboten wurde. Gegen Mitte des 19. Jhs. wurden Verbote gegen die Brandmarkung ausgesprochen, so 1849 in der Verfassung des deutschen Reichs. [Vgl. HRG-AR: Brandmarken]. In der Funktion eines Erkennungszeichens oder die Versklavung symbolisierend lassen sich Brandmale darüber hinaus bereits ab dem 11. Jh. im märchenhaften Genre des Mittleren und Nahen Osten ausfindig machen. [Vgl. ROE: brandmarken].
Brandmarkt man bspw. eine bestimmte Person für eine Tat, bedeutet dies im übertragenen Sinne, dass man diese mit heftigster Kritik konfrontiert und aufs Schärfste öffentlich verurteilt. Als Bildspender fungiert die rechtlich-historische Situation des Akts der Brandmarkung, wo der delinquenten Person mittels eines Brenneisens ein schändliches Symbol aufgebrannt wird. [GG] - Entstehungszeit: 18. Jh. [WPE: brandmarken] -
Realienkundliches: Innerhalb der Landtgerichts-Ordnung Österreichs von 1656 wird u. a. erwähnt, dass bei einer gewichtigen Straftat einem jungen Täter das Abbild eines Galgens auf den Rücken gebrannt wird, um zu signalisieren, dass er bei einem Vergehen härter bestraft werden soll. Wie für die Frühe Neuzeit typisch, wird das Unterlassen einer Brandmarkung im Gesichtsbereich angeordnet:
§I.
Ruethen auſzhawen.
§5 Der N: ſolle an die (Richtſtatt) gefuͤhrt / jhme alldort an bem Pranger durch den Freymann ein gantzer (oder halber) Schilling abgeſtrichen / vnnd er ſo dann auff der Hochloͤbl: Regierung ergangenen Befelch deſz Landts auff ewig verwiſen werden / auch vorhero ein geſchworne Vrphet / daſz er nimmermehr in diſes Landt kommen wolle / von ſich geben.
Zumercken / daſz erſtlich ein gantzer Schilling Dreyſſig / ein halber Funffzehen Straich hat.
Andertens / daſz bey dem Ruethen auſzſtreichen man biſzweilen nach art deſz Verbrechens / dem Thaͤter / wann er etwo noch jung iſt / vnd doch ein groſſes Laſter begangen / auch derentwegen das Fewr / oder ein andere LebensStraff verdient hette / einen Galgen auff den Rucken brennen ſoll / vnd das darumben / damit wann er nochmahlen einkaͤme / jhme ain Straff zu der andern genommen werde.
Drittens aber auff die Stiern / oder ins Geſicht / ſoll man keinem ein Mahl brennen laſſen:
Noch Vierdtens die Ruethen / mit welchen der Miſſethaͤter auſzgeſtrichen wirdt / vergifften / oder ſolche Straff durch anderwertige Mitl wider das Vrthl ſchaͤrpfen laſſen.
[Ferdinand III. 1656, S. 50f. §5]
In Badens Rechtsverwaltung und Rechtsverfassung der Jahre 1738–1803 unter Markgraf Karl Friedrich von Paul Lenel wird bei fehlendem Wohnsitz oder fehlender Unterkunft angeordnet, dass den betreffenden Personen ein ‚Zuchthauszeichen‘ eingebrannt werden soll:
(Aufbrennen des Zuchthauszeichens bei Personen) die keine bestimmte heimweißung haben [DRW-WA: Heimwisung]
Diastratik: gehoben [eWDG: brandmarken] - Interlingual Kompatibles: dän.: brændemærke [PONS]; engl.: to brand sb [as sth] [PONS]; isl.: brennimerkja sem [PONS]; nl.: brandmerken [PONS]; schwed.: brännmärka [PONS] - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik - Querverweis: ↑(jmdn./etw.) (als etw.) anprangern; ↑jmdn./etw. an den Pranger stellen; ↑am Pranger stehen / an den Pranger kommen/gestellt werden; ↑am Pranger
* * *
brandmarken: (als etw.) gebrandmarkt (sein/werden)
Umschreibung: für die Öffentlichkeit (als etw. best.) aufs Schärfste kritisiert, angeprangert und vollends verurteilt [GG]
Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie von ‚brandmarken‘ siehe ↑jmdn./etw. (als etw.) brandmarken.
Der vorliegende bildhafte Beleg (als etw.) gebrandmarkt (sein) / gebrandmarkt werden lässt sich auf die Strafe der Brandmarkung, die bereits ab der Antike belegbar ist und über das römische Recht Einfluss genommen hat, zurückführen. Vgl. dazu näher ↑jmdn./etw. (als etw.) brandmarken.
Aus der Perspektive der delinquenten Person, der auf Basis eines bestimmten Verbrechens entweder ein spezifisches Symbol, das die Tat spiegeln soll, oder das Stadtwappen eingebrannt wurde, kann man auch aufgrund (vermeintlicher) Aussagen oder Handlungen im metaphorischen Sinne (als etw.) gebrandmarkt werden. Der einst körperliche Schmerz kann dabei nach bildhaftem Verständnis ein seelischer sein, der aus belastender heftigster Kritik oder schweren Vorwürfen resultiert. [GG] - Realienkundliches: Zur Brandmarkung im strafrechtlichen Kontext vgl. die Wendung ↑jmdn./etw. (als etw.) brandmarken. - Diastratik: gehoben [eWDG: brandmarken] - Figuriertheit: Drastik; Hyperbel - Querverweis: ↑am Pranger stehen/an den Pranger kommen/gestellt werden
* * *