Charivari
Charivari: Charivari
Umschreibung:
1. Durcheinander, Katzenmusik [DUO: Charivari]
2. bair.: Uhrkette, Anhänger für die Uhrkette [eWDG: Charivari]
Analyse der Bedeutung: Das Neutrum ‚Charivari‘ in seiner heutigen Bedeutung von ‚Durcheinandern‘ oder ‚Katzenmusik‘ einerseits sowie mit Blick auf den bairischen Sprachraum im Sinne von ‚Uhr-/Schmuckkette, -anhänger‘ andererseits wurde im 18. Jh. aus dem Französischen übernommen, wo frz. charivari ebenfalls auf ‚Lärm‘ oder ‚Katzenmusik‘ referiert. Die Form steht in Verbindung mit spätlat. caribaria sowie griech. karēbaría (καρηβαρία) (‚Kopfschwere, Kopfschmerz’). [Vgl. WPE: Charivari]. Einer anderen Thesen zufolge stammt ‚Charivari‘ von lat. charivarium (u. a. ‚Einstimmen eines Orchesters‘) ab, wobei hinsichtlich der näheren etymologischen Herkunft u. a. an einen Jagdruf gedacht wird. [Vgl. HRG-HS: Charivari].
Das lärmende Toben, das aus Pfiffen und Gebrüll besteht und durch verschiedene Instrumente begleitet wird, wird im Zusammenhang mit einem für das Mittelalter und die Frühe Neuzeit belegbaren Rechtsbrauch zur Ankündigung von Acht und Friedlosigkeit gebracht, wo das Wort ‚Charivari‘ selbst im Sinne von Verhöhnung oder Spott ausgerufen wurde. Sowohl als Folge von schweren Verbrechen wie Totschlag oder von milderen wie die Annulation einer Ehe oder der Aufkündigung einer Verlobung, die nicht gerichtlich abgewickelt und somit im Rahmen der Volksjustiz sanktioniert wurden, konnte zum Charivari aufgerufen, das Dach abgedeckt, das Haus mitsamt der Feuerstelle (vgl. ↑Feuer und Flamme (für jmdn./etw.) sein), Fenstern und Türen demoliert, die Grünfläche zerstört und das Vieh fortgetrieben werden, um der schuldigen oder schandhaften Person die Existenzgrundlage zu nehmen. Zusätzlich dazu konnten als schändliche Strafe der verfemten Person eine Tiermaske aufgesetzt, ein Lasterstein umgehängt oder ein Pflug angehängt werden und/oder mithilfe von Hunden und der peitschenden Bevölkerung das Jagen durch den Ort folgen. Das Charivari steht somit in enger Verbindung mit der Wüstung, der Ächtung, dem Verhängen der Friedlosigkeit und dem Feld der Ehrenstrafen. Aufgrund des Vergnügen bereitenden Charakters entwickelte das Charivari eine Eigendynamik und ist mit einer positiven Bedeutung bspw. noch bei Hochzeitsfeiern und dem Polterabend vorzufinden. [Vgl. ROE: Charivari; vgl. LDR: Charivari; vgl. HRG-HS: Charivari].
Aus dem ursprünglich verspottenden Treiben, das die Acht- und Friedlosigkeit verkündete, hat sich in der modernen Bezeichnung Charivari der Lärm bzw. das helle Geräusch, das eine Kette über das Aufeinanderfallen der Glieder erzeugt, erhalten. [GG] - Entstehungszeit: 18. Jh. [WPE: Charivari] -
Realienkundliches: Im Jahre 1468 hält ein Statut der Kirche von Eu das Verbot des Charivari fest:
Die Mummereien, franzöſiſch Charivari, werden für die Zukunft unter der Strafe der Excommunication und von hundert Sous verboten (Lavaria, Gallice Charivari, de cetero fieri, prohibentur sub poena excommunicationis et centum solidorum) [Görres 1849, S. 369]
Ein Statut der Kirche von Avignon des Jahres 1337 schildert die Problematiken, die mit dem Charivari im Hochzeitskontext einhergehen. Es bleibt nicht beim Gespött, sondern das Treiben artet in kriminellen Handlungen aus:
Gegen diejenigen, welche das Spiel, welches Charivarit heiſzt, treiben, oder anderes Geſchrei bei der Feier der Ehe erheben (Contra facientes ludum, qui vocatur charivarit, vel alias vociferationes in solemnisatione matrimonii). […] „Mit Schmerzen und noch neuerdings haben wir vernommen, daſz in der Stadt und Diöceſe Avignon ein verwerflicher, verderblicher und höchſt verbrecheriſcher Miſzbrauch bis zu einem ſolchen Grade angewachſen iſt, daſz die Ehebündniſſe, welche die Gunſt jedweder Freiheit genieſzen ſollen, nicht ohne Tumult, Aergerniſz und Gefahren in den Kirchen gefeiert werden können. Denn, während in den Kirchen die Ehebündniſſe der Gläubigen und die Einſegnungen der ſich Verheirathenden gefeiert werden, ſtoſzen verbrecheriſche Menſchen gegen Bräutigam und Braut und gegen die Umſtehenden ein Geſchrei aus, zerbrechen die Stangen und Lampen, bringen ſchändliche und unanſtändige Worte vor, tadeln und verachten die Kirche und ihre Diener, indem ſie abſcheuliche und verwerfliche Spöttereien ſich erlauben und in obſcönen Spottweiſen über dieſes Sacrament zum Aergerniſz vieler Gläubigen ſich auslaſſen. Dann, indem ſie zu dem Früheren noch Uebleres hinzufügen, nehmen ſie, wenn die Neuvermählten nach ihrer Wohnung geführt werden, nach Art der Räuber mit Gewalt Sachen aus ihrem Hauſe und erpreſſen dafür Löſegelder, welche ſie zu unanſtändigen Schwänken und Trinkgelagen, die ſie nach ihrer Redeweiſe Malproſiech nennen, verwenden. Wenn es ſich aber ereignet, daſz Männer oder Frauen zum zweiten Male ſich verloben und ſich mit einander ehelich verbinden, dann treiben Jene, indem ſie die entweihenden Spottreden über das Sacrament vervielfachen, ſchändliche Spiele, welche ſie – damit wir uns ihrer für ehrbare Lippen freilich miſzfälligen Worte bedienen – Chalvaricum nennen (faciunt ludos obnoxios, quos ut eorum verbis contra honestatis labia utamur inplacidis nominant chalvaricum). Hieraus entſteht oft Streit und Haſz, ja bisweilen ſind Verwundungen und Tödtungen die Folge davon.“ [Görres 1849, S. 369f.]
Diatopik: bairisch (Uhrkette, Anhänger einer Uhrkette) [DUO: Charivari] - Semantische Prozesse: 2. Bedeutung: meliorativ - Interlingual Kompatibles: frz.: charivari [PONS] - Figuriertheit: Onomatopöie; Hyperbel
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