entmannen
entmannen: jmdn./etw. entmannen / entmannt werden/sein
Umschreibung: jmdn., etw. schwächen [eWDG: entmannen] und dabei potenziell die Ehre/das Ansehen nehmen [GG] / geschwächt sein/werden mit potenzieller Empfindung von Scham und Ehrverlust [GG]
Analyse der Bedeutung: Das maskuline Substantiv ‚Mann‘, in der Bedeutung von ‚erwachsener Mensch männlichen Geschlechts‘ oder auch ‚Ehemann‘, wird im Ahd., Mhd., Asächs., Mnd., Mnl., Nl., Engl. und Schwed. als man realisiert und im Afries. entweder in der Form von mon oder man wiedergegeben. Die weiteren germ. Formen lauten aengl. man(n), mo(n), anord. mannr, maðr und schließlich got. manna. Im Hinblick auf den außergermanischen Sprachraum lassen sich die angeführten Formen mit aind. mánuḥ (mánu-, mánuṣ-) und lat. Mannus verbinden, weshalb eine Rückführung auf ie. *manu- oder *monu- wahrscheinlich ist. Als zugrundeliegende Wurzel wären sowohl ie. *men(ə)- (‚denken, geistig erregt sein’) als auch ie. *men- (‚hervorragen, emporragen’) denkbar. Das Verbum ‚entmannen‘ (‚kastrieren‘) lässt sich auf mhd. entmannen im Sinne von ‚der Mannschaft berauben‘ bzw. ‚den Mann/die Männer nehmen‘ zurückführen. Als zweite Bedeutung lässt sich ab dem 16. Jh. ‚die Zeugungsfähigkeit nehmen‘ bzw. ‚kastrieren‘ belegen. [Vgl. WPE: Mann; vgl. DWB2: entmannen].
Die Entmannung respektive die Kastration ist bspw. im friesischen Recht als Verstümmelungsstrafe und damit Leibesstrafe näher ausgewiesen, die beim Raub von kultischen Objekten verhängt wird oder nach salfränkischem Recht bei Diebstahlsdelikten von Knechten praktiziert wird. Auch bei Not- und Unzucht drohen das westgotische, norwegische und friesische Recht mit der Entmannung. Daneben taucht sie auch als Strafe vor der Hinrichtung aus rituellen Zwecken auf. Während des Mittelalters, wo sie als Spiegelstrafe bei Sittlichkeitsvergehen angeordnet wird, findet sie keine besonders häufige Anwendung und bleibt auch im Sachsenspiegel unerwähnt. Entmannt eine Person unrechtmäßig jemand anderen, strafen die Leges barbarorum die schwere Körperverletzung mittels finanzieller Buße. [Vgl. HRG-RL: Entmannung]. Weitere rechtliche Termini dafür lauten moͤnchen oder gelzen. [DRW-WA: moͤnchen II; gelzen]
Vor dem Hintergrund der rechtlich angeordneten Entmannung als verstümmelnde Leibesstrafe bedeutet jmdn./etw. entmannen / entmannt werden/sein im übertragenen Sinne, dass einer Person oder einer Sache analog zum Verlust des männlichen Geschlechtsteils die Kraft oder Macht entzogen wird. [GG] -
Realienkundliches: Innerhalb der Rechtsalterthümer hält Jacob Grimm zwei Strafen aus dem Alten Schaumburger Landrecht fest, wobei eine davon die männlichen Genitalien betrifft. Das Glied solle bei der Vernichtung eines Baumes auf den Stamm genagelt, die rechte Hand am Rücken fixiert und in die linke Hand eine Axt gegeben werden, mit welcher der Bestrafte die einzige Möglichkeit hat, sich selbst zu entmannen und damit zu befreien. Der Verfasser notiert, dass er eine tatsächliche Umsetzung einer solchen Strafe nicht belegen konnte:
Frage, wenn die holzgeſchworen jemand befunden, der en fruchtbaren baum truttelde, was ſeine ſtrafe ſei? antw. ſoll mit ſeinen dermen nach ufgeſchnittenem bauche umb den ſchaden gebunden und darmit zugehelen werden. Fr. wenn jemand einen fruchtbaren baum abhauete und den ſtamm verdeckete dieblicher weiſe, was ſeine ſtrafe ſei? antw. der ſolches thut, dem ſoll ſeine rechte hand uf den rucken gebunden u. ſein gemechte uf den ſtammen genegelt werden und in die linke hand ein axe geben, ſich damit zu löſen. (Schaumburger altes landr.) [GRA II, S. 40]
Einem weiteren Eintrag, der von Jacob Grimm notiert wurde, zufolge soll einem jüdischen Delinquenten, der mit christlichen Frauen oder Mädchen sexuell verkehrt, der Penis abgeschnitten werden:
auch wan ein waltpode einen juden bei einer chriſtenfrauen oder maide funde unkeuſchheit mit ir zu triben, di mag er beide halten. da ſol man dem juden ſein ding abe ſniden u. ein aug ausſtechen u. ſie (die frau) mit rüden usjagen. (Mainzer waltp. r. Gudenus 2, 499.) [GRA II, S. 299]
Interlingual Kompatibles: engl.: to evirate sb [dict.cc] - Figuriertheit: Drastik; Hyperbel
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