Femegericht
Femegericht: Femegericht
Umschreibung: Zusammenkunft/Zusammenschluss bestimmter Personen/Gruppen mit dem Ziel, ein Urteil zu fällen oder jmdn./etw. zu verurteilen [GG]
Analyse der Bedeutung: Das Neutrum ‚Femegericht‘ wird als Synonym zu ‚Feme‘ gefasst. Vgl. daher zur Etymologie ↑jmdn./etw. verfemen.
Beim Fem(e)gericht handelt es sich ursprünglich um ein ‚(v. a. vom 13. bis 15. Jahrhundert in Westfalen) mittelalterliches Sondergericht, das besonders schwere Straftaten aburteilt‘ [DUO: Feme]. Daran angelehnt hat sich später die Bedeutung von ‚geheime gerichtsähnliche Versammlung, die über die Ermordung von politischen Gegnern und Verrätern in den eigenen Reihen entscheidet‘ [DUO: Feme], entwickelt.
Von einem historischen Blickwinkel aus betrachtet, fand die Bezeichnung ‚Femegericht‘ im 13. und 14. Jh. einerseits als Synonym zu ‚Feme‘ bzw. Veme (‚genoss. Zusammenschluss zur Wahrung des Rechts- bzw. Landfriedens‘ [HRG-HL: Feme, Femegericht]) Verwendung und wurde als Gerichtsform im 13. Jh. begründet. Die Femegerichtsbarkeit setzte sich aus einem Freigrafen, der als Richter fungierte, sieben urteilfällende Freischöffen und einem Gerichtsdiener bzw. Fronboten zusammen, die sich an einer festgelegten Gerichtsstätte zusammenfanden. Handelte es sich um sog. ‚offene Sitzungen‘, waren neben den Freischöffen noch weitere Personen, die ‚Stuhlfreien‘, involviert, die bei ‚stillen‘ oder ‚heimlichen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Sitzungen‘ fernzubleiben hatten. Das Femgericht wurde entweder bei schweren Vergehen (vemewroge) oder in Fällen von Rechtsverweigerung oder -verzögerung abgehalten. Das Prozedere setzte mit der ‚Hegung‘ (‚ritualisierter Dialog zwischen Freigraf und Freifrone‘ [HRG-HL: Feme, Femegericht]) ein. Im Anschluss daran erhielt die beklagte Person eine Vorladung in schriftlicher Form. Während der Verhandlung wurden die Anklagepunkte durch den Vor- bzw. Fürsprecher in der Gestalt von Urteilsfragen verbalisiert. Unter der Anleitung des Freigrafen befassten sich die Freischöffen mit der Urteilsfindung zu jedem einzelnen Punkt, wobei das endgültige Urteil entweder Verfemung, Freispruch oder Vertagung lauten konnte. Die Bedeutungskomponente von ‚Geheimhaltung‘ resultiert daraus, dass Verfahrens- und Gerichtsregeln sowie das Erkennungsmerkmal der Freischöffen gegenüber Außenstehenden nicht preisgegeben wurden. [Vgl. HRG-HL: Feme, Femegericht].
Von der historischen Gerichtsform der Feme mitsamt dem spezifischen Personenkreis motiviert, wird mittels Femegericht im übertragenen Sinne auf eine exklusive oder zusammengehörige Personenschaft Bezug genommen, die untereinander über etwas Bestimmtes urteilt. [GG] -
Realienkundliches: Im Folgenden werden Auszüge (1–6) aus der XXI. Vehmgerichtsordnung des Jahres 1312 des Urkundenbuchs der Stadt Braunschweig angeführt:
Wo men des vemedinges scal beginnen.
Wanne de herren de in deme rade sint willen ein vemeding leggen, des mach men aldus beginnen.
Des rades meystere twene de nemen to sik eyne ofte twene man, de namhaftegesten vnde wisesten de dar sin, vnde bespreken sik vnder ein ander, wo on dunke, ofte des richtes nod si van claghe weghene des ghemeynen volkes vmme duve, eder dat also vele deue begrepen weren, eder vorspeyet weren, dat men it bilken leggen moste.
Nv is dat wol wanlik, dat desse herren dre ofte vere dat ok bringen mosten ju der ouersten enen eder twene vte dem Hagen, vte der Neyenstad, vnde vte den anderen wicbelden, vnde vndersetten dat min on, dat it hemelik bleue.
Desse dre herren ofte vere de moten komen to middernacht vp den kerchof sunte Mertenes, vnde beboden de anderen vte deme rade, dat se to samene komen. So mot men aller erst besetten vnde bewaren der stad dor, alle porten, alle winkele vnde stedde de uppe vrye gan, de bruggen, vnde scepe beneden vnde bouen der stad.
Dar na deyt men deme vemescriuere witlik, dat he sines ammechtes ware neme mit dem scriuene; dar na den vemenoten, dat se to samene bringen wat on witlik si vnde wat on noch witlik werde. Mach men de tyd hebben, so moghen se den scriuere wes berichten van stad an; is des nicht, so moten se wachten want vppe den vemegrauen.
[Hänselmann 1872, S. 28]
Semantische Prozesse: häufig pejorativ [GG] - Figuriertheit: Hyperbel [GG]
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