Galgenhumor
Galgenhumor: Galgenhumor
Umschreibung: Witze in verzweifelter Situation [Vgl. ROE: Galgen]; bittere Heiterkeit unter misslichen Lebensumständen, verzweifelter Humor [WPE: Galgen]; (gespielter) Humor, vorgetäuschte Heiterkeit, mit der jmd. einer unangenehmen oder verzweifelten Lage, in der sie/er sich befindet, zu begegnen sucht [DUO: Galgenhumor; GG]
Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie von ‚Galgen‘ sowie zur historischen Analyse des Erhängens siehe die Wendung ↑ein Galgen für jmdn./etw.. Das männliche Substantiv ‚Humor‘ (‚heitere Gelassenheit als Grundhaltung gegenüber dem Dasein, Sinn für Komik, gute Laune, fröhliche Stimmung‘) leitet sich aus lat. hūmor ab. Die lateinische Vokabel wiederum geht volksetymologisch auf lat. humus (‚Erde‘) sowie lat. ūmor (‚Feuchtigkeit, Flüssigeit, Nass‘, auch ‚Tränen, Speichel, Blut‘) und damit lat. ūmēre (‚feucht sein‘) zurück. Motiviert vom medizinischen Kontext des Mittelalters, wo mlat. humor ‚Körpersaft‘ bedeutet und in Verbindung mit der Vier-Säfte-Lehre steht, nimmt die Vokabel zusätzlich die Bedeutungen ‚Gemütslage, Gestimmtheit, Laune, Charakter‘ an. In der 2. H. des 16. Jhs. wird das lateinische Wort in die deutsche Sprache integriert, wobei sich ab dem Jahr 1700 unter französischer Vorbildnahme die Endbetonung durchsetzt. Der heitere menschliche Charakter, der Spaß und Belustigung evoziert, wurde explizit mittels engl. humour ab dem 17. Jh. ausgedrückt und trug zur Übernahme ins Deutsche in der Mitte des 18. Jhs. bei. [Vgl. WPE: Humor].
Mittels der Metapher Galgenhumor, die in vielfachen Kombinationen innerhalb von aktuellen Belegen auftritt, wird auf eine bevorstehende missliche Angelegenheit geblickt, wobei versucht wird, die negativen Gefühle und Gedanken über oftmals vorgetäuschte oder übertriebene Heiterkeit zu überspielen und somit zu unterdrücken. Als zugrundeliegendes Bild fungiert die anstehende Strafe des Erhängens am Galgen, wobei die verurteilte Person bereits unter dem Galgen platziert ist und in dieser Lage einen verzweifelten Anflug von Humor erlebt. [GG] - Entstehungszeit: Mitte 19. Jh. [WPE: Galgen]; 19. Jh. [KUE I: Galgenhumor] -
Realienkundliches: Nach Jacob und Wilhelm Grimm wird u. a. mit den beiden Adjektiva galgmôd sowie gealgmôd bereits ausgedrückt, worauf mit dem Substantiv ‚Galgenhumor‘ referiert wird. [vgl. DWB1: galgenhumor] Nach einem angelsächsischen Wörterbuch bedeuten die Vokabeln ‚sad in mind, gloomy, grim‘ [Northcote Toller 1898, S. 359: galgmod, S. 365: gealgmod]. Innerhalb des Heldengedichts Beowulf, das nach 700 n. Chr., vermutlich vor 750 n. Chr., entstand, findet sich im Abschnitt zu Grendels Mutter ein konkreter Beleg zu dieser Vokabel, welche mit ‚grimmig‘ übersetzt wird:
frófre ond fultum· ðý hé þone féond ofercwóm·
gehnaégde helle gást· þá hé héan gewát
dréame bedaéled déaþwíc séön,
mancynnes féond. Ond his módor þá gýt
gífre ond galgmód gegán wolde
sorhfulne síð, sunu déoð wrecan·
Seinem sicheren Schutz: drum besiegt' er den Gegner,
Überwand den Teufel; der wandelte elend
Des Trostes beraubt den Todespfad,
Der Menschheit Feind. Nun faßte die Mutter,
Finster und grimmig den furchtbaren Plan,
Des Sohnes Tod selber zu rächen.
[Slade 2005: Beowulf, XVIIII 1273–1278]
Diastratik: umgangssprachlich [KUE I: Galgenhumor] - Semantische Prozesse: ironisierend - Interlingual Kompatibles: dän.: galgenhumor [PONS]; engl.: gallows humour [PONS]; isl.: gálgahúmor [PONS]; nl.: galgenhumor [PONS]; schwed.: galghumor [PONS]; slowen.: obešenjáški humor [PONS]; tschech.: šibeniční humor [PONS] - Figuriertheit: Komik; Hyperbel
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