geißeln
geißeln: etw./jmdn./sich geißeln / gegeißelt (werden) (durch/von etw./jmdm.)
Umschreibung:
1. über etw. aufs schärfste seinen Tadel, seine Missbilligung äußern, etw. anprangern [eWDG: geißeln]; scharf tadeln; für Fehlverhalten heftig kritisieren [Wiktionary: geißeln] / aufs Schärfste kritisiert werden [GG]
2. etw./jmdn./sich bis aufs Äußerste plagen, quälen (oft mit dem Ziel, etw. zu erreichen); heimgesucht/geplagt/gequält werden [GG]
Analyse der Bedeutung: Das Femininum ‚Geißel‘, womit eine ‚Peitsche‘, ein ‚Stab mit Riemen zur Selbstkasteiung‘ bezeichnet wird, weist die Formen ahd. geis(i)la (‚Geißel, Peitsche, Gerte’), mhd. geisel (u. a. bereits im übertragenen Sinne für ‚Landplage’), mnd. geisele, mnl. ghēsele bzw. gheisele, nl. gesel, anord. geisl (‚Stab bzw. Stock’) und langobard. gisil (‚kleiner Stab, Pfeilschaft’) mit germ. *gaiza- (‚Speer’) resp. *gaisa- auf. Die Verbalform ‚geißeln‘ lautet im Mhd. geiselen. Außerhalb von der Selbstkasteiung wurde ‚Geißel‘ großflächig durch ‚Peitsche‘ substituiert. [Vgl. WPE: Geißel].
Zur Verwendung der Geißel zu Verhörzwecken vgl. ↑(kein/ein) Folterwerkzeug (für jmdn./etw. sein) / (keine) Folterwerkzeuge sein; die Genese der Folter betreffend siehe ↑etw. ist eine/die reinste (seelische) Folter. -
Realienkundliches: Wie der Apostelgeschichte 22, 22-30, wo sich Paulus in Jerusalem befindet, entnommen werden kann, waren römische Staatsbürger von der Folter – hier mittels Geißel – ausgenommen:
Bis zu diesem Wort hörten sie ihm zu, dann fingen sie an zu schreien: Weg vom Erdboden mit so einem Menschen! Er darf nicht am Leben bleiben. Sie lärmten, zerrissen ihre Kleider und warfen Staub in die Luft. Da befahl der Oberst, ihn in die Kaserne zu führen, und ordnete an, ihn unter Geißelschlägen zu verhören. Auf diese Weise wollte er herausfinden, warum sie derart gegen ihn tobten.
Als sie ihn aber für die Geißelung festbanden, sagte Paulus zu dem Hauptmann, der dabeistand: Dürft ihr jemand, der das römische Bürgerrecht besitzt, geißeln, noch dazu ohne Verurteilung? Als der Hauptmann das hörte, ging er zum Obersten, meldete es und sagte: Was hast du vor? Der Mann ist Römer. Der Oberst kam zu Paulus und fragte ihn: Sag mir, bist du wirklich Römer? Er antwortete: Ja. Da antwortete der Oberst: Ich habe für dieses Bürgerrecht ein Vermögen gezahlt. Paulus sagte: Ich aber bin als Römer geboren. Sofort ließen die, welche ihn verhören sollten, von ihm ab. Und der Oberst ängstigte sich, weil er bedachte, dass es ein Römer war und er ihn hatte fesseln lassen. Weil er genau wissen wollte, was die Juden ihm vorwarfen, ließ er ihn am nächsten Tag aus dem Gefängnis holen und befahl, die Hohepriester und der ganze Hohe Rat sollten sich versammeln. Und er ließ Paulus hinunterführen und ihnen gegenüberstellen. [Evangelische Kirchenkonferenz 1912, Apostelgeschichte 22, 22–30]
Diastratik: gehoben [eWDG: geißeln] - Interlingual Kompatibles: engl.: to be the scourge of sth/sb [PONS]; nl.: geselen [PONS] - Figuriertheit: Drastik; Hyperbel - Querverweis: ↑jmdn./etw. an den Pranger stellen; ↑(jmdn./etw.) (als etw.) anprangern; ↑jmd./etw. foltert jmdn./etw. / etw. ist folternd; ↑am Pranger stehen / an den Pranger kommen/gestellt werden
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geißeln: etw. geißelt jmdn./etw.
Umschreibung:
1. etw. sucht jmdn. heim, trifft jmdn. als Unglück [eWDG: geißeln]
2. etw. plagt/quält jmdn./etw. ungemein [GG]
Analyse der Bedeutung: Vgl. ↑ etw./jmdn./sich geißeln / gegeißelt (werden) (durch/von etw./jmdm.). - Realienkundliches: Vgl. ↑ etw./jmdn./sich geißeln / gegeißelt (werden) (durch/von etw./jmdm.). - Diastratik: gehoben [eWDG: geißeln] - Figuriertheit: Drastik; Hyperbel - Querverweis: ↑jmd./etw. foltert jmdn./etw. / etw. ist folternd
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