Gnadenschuss
Gnadenschuss: Gnadenschuss
Umschreibung: das sichere Ende für eine Person oder eine Sache, wo sich bereits Schwächen oder eine Abwärtskurve im Vorhinein abzeichnen [GG]
Analyse der Bedeutung: Das Femininum ‚Gnade‘, in der heutigen Bedeutung von ‚verzeihende Güte, Nachsicht, Schonung‘, aber auch ‚herablassende Gunst‘ sowie ‚Strafnachlass‘ oder im christlichen Kontext ‚Barmherzigkeit Gottes, Sündenvergebung‘, wird im Ahd. als gināda realisiert, womit auf ‚göttliches Erbarmen, Gottes Hilfe, Wohlwollen, Gunst‘ referiert wird. Diese sowie die weiteren Formen mhd. g(e)nāde (‚das Sichniederlassen, um auszuruhen, ruhige Lage, Glück, Glückseligkeit, Gunst, Huld, Gottes Hilfe und Erbarmen’), asächs. (gi)nāða, mnd. genāde, mnl. ghenāde, nl. genade, anord. nāð (‚Gnade, Frieden, Ruhe’) beziehen sich auf got. niþan (‚helfen’) und unterliegen einem Dehnungsprozess. Die ursprüngliche Bedeutung des Substantivs ist ‚Ruhe, ruhiges Leben, Friede, Glück‘ wie bspw. die spätmhd. Phrase diu sunne gēt ze genāden beweist. [Vgl. WPE: Gnade].
Das Substantiv ‚Schuss‘ mitsamt seinem Bedeutungsspektrum von ‚das Fortschleudern, Fortfliegen eines Geschosses, das Abfeuern einer Waffe, Knall, schnelle Bewegung, schnelles Wachstum, kleine Menge einer Flüssigkeit, die auf einmal zugegeben wird’ ist im Ahd. über die Form scuʒ mit Bezug auf ‚das Schleudern, Wurf, das Geworfene, Geschwindigkeit’ zu identifizieren, lautet im Mhd. schuʒ (‚Stoß, Stich, Schuß, Lanzenwurf, schnelle Bewegung’) und wird im Aengl. als scyte realisiert. Das Verbum ‚schießen‘ wird auf die ie. Wurzel *skē̌u- zurückgeführt, was ‚werfen, schießen, stoßen’ zum Ausdruck bringt. [Vgl. WPE: schießen].
Neben dem Gnadenstoß, zu dem man unter der Wendung ↑der Gnadenstoß (für jmdn./etw. sein) näher nachlesen kann, bestand bei der Hinrichtung am Scheiterhaufen die Option, das Leiden durch ein Schießpulver-Säckchen zu verkürzen, welches am Nacken der verurteilten Person fixiert wurde. Analog zum Gnadenstoß für den Menschen entwickelte sich im Jagdwesen ab dem 19. Jh. der sog. ‚Fangschuss‘, durch welchen die verwundeten oder bereits kranken Tiere erlöst werden. [Vgl. LDR: Gnadenstoß/Gnadenschuß]. Der Gnadenschuss hat sich auch im Militärwesen etabliert, wodurch er parallel zur Jagdsprache auch Einzug in die Soldatensprache fand. [Vgl. ROE: Gnadenstoß/Gnadenschuß].
Bedeutet eine Angelegenheit für eine Person oder Sache den Gnadenschuss, wird damit vor dem realen Hintergrund der tötenden und damit erlösenden Kugel im metaphorischen Sinne zum Ausdruck gebracht, dass ein sich bereits im Vorfeld abzeichnendes Ende endgültig besiegelt wird. [GG] - Entstehungszeit: 19. Jh. [LDR: Gnadenstoß/Gnadenschuß] -
Realienkundliches: Der Gnadenschuss mit Bezug zur Person:
Hofer war schlecht getroffen, stürzte auf die seite und wollte sich wieder aufrichten, da rettete ihn ein gnadenschusz (H. Laube ges. schr.) (1875) 8, 223 [DWB1: gnadenschusz]
Der erteilte Gnadenschuss im Jagdwesen:
die toten wölfe sind aufgelesen, die jagd ist zu ende ... eine spur ... einige haare und schweisz ... wir wollen dieser spur nachgehen, dieses tier ist krank ... aber jedes tier, und wenn es auch ein wolf ist, verdient einen gnadenschusz, es ist doch schlieszlich ein geschöpf gottes und soll sich nicht unnütz quälen (Theod. Kröger d. vergessene dorf (1934) 286). [DWB1: gnadenschusz]
Semantische Prozesse: pejorativ - Sozialhistorisches: Jäger- und Soldatensprache [ROE: Gnadenstoß, Gnadenschuß] - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik - Querverweis: ↑der Gnadenstoß (für jmdn./etw.) sein
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Gnadenschuss: jmdm./etw. den Gnadenschuss geben/verpassen
Umschreibung: einen Vorgang mit negativem Ausgang beenden [LDR: Gnadenstoß/Gnadenschuss]; eine bereits dem Ende geweihte Person oder Sache zugrunde richten; eine aussichtslos gewordene Situation eigenmächtig beenden [GG]
Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie von ‚Gnade‘ und ‚Schuss‘ siehe die Wendung ↑Gnadenschuss.
Analog zum bildhaften Ausdruck ↑Gnadenschuss kann sich die sprichwörtliche Redensart jmdm./etw. den Gnadenschuss geben/verpassen einerseits aus dem Jagd- sowie Soldatenwesen herleiten oder auf das Schießpulver-Säckchen bei der Feuerstrafe als Exekutionsvariante zurückführen (vgl. dazu den oben genannten Ausdruck). [GG]
Verpasst man einer Person oder Sache den Gnadenschuss, agiert man im ursprünglichen Sinne aus der Perspektive der abfeuernden oder der das Schießpulver-Säckchen anhängenden Person und führt im bildhaften Sinne das sich bereits für längere Zeit antizipierte Ende beschleunigend herbei. [GG] - Realienkundliches: Siehe dazu die Einträge unter ↑Gnadenschuss. - Sozialhistorisches: Jäger- und Soldatensprache [ROE: Gnadenstoß, Gnadenschuß] - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart; pejorativ - Figuriertheit: Drastik; Hyperbel - Querverweis: ↑jmdm./etw. den Gnadenstoß (ver-)setzen/geben…
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