Halsabschneiderei
Halsabschneiderei: Halsabschneiderei
Umschreibung: eine skrupellose Übervorteilung/(finanzielle) Ausbeutung [GG]
Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie von ‚Halsabschneider‘ siehe die metaphorische Ausdrucksweise ↑Halsabschneider(-in) sowie zu ‚Hals‘ die Wendung ↑jmdn./etw. den Hals kosten. Wie die vorausgehende bildhafte Redensart, die sich auf die Halsabschneiderin bzw. den Halsabschneider bezieht, weist der vorliegende metaphorische Beleg unterschiedliche Thesen zur historischen Einbettung auf. Unter Fokussierung der Exekution lässt sich die Metapher der Halsabschneiderei aus der Enthauptung als Form der Todesstrafe ableiten. [GG]
Vor der Einführung der Guillotine wurde die Enthauptung, die bereits unter den Römern praktiziert wurde, von Menschenhand vollstreckt. Im Unterschied zu anderen Hinrichtungsformen wie dem Lebendig-Begraben oder der Kreuzigung wurde der Tod der Verbrecherin/des Verbrechers nicht den natürlichen Elementen überlassen. Im frühneuzeitlichen Deutschen Reich fand die Dekapitation über einen waagrechten Schwertstreich statt, welchen die verurteilte Person kniend und durch eine fremde Hand am eigenen Haarschopf gepackt in aufrechter Haltung empfing. Bevor diese Art der Hinrichtung ab dem späten 17. Jh. bei allen sozialen Klassen angewendet wurde, war sie ursprünglich für den Adel als ‚ehrenhafte‘ Todesstrafe gedacht. Zudem war diese Methode, wenn ihre Durchführung fehlerfrei gelang und der Henker beim ersten Hieb zwischen zwei Halswirbel traf, weniger schmerzhaft und der Tod wurde deutlich rascher herbeigeführt als bspw. bei der Räderung, dem Erhängen oder der Kreuzigung. Der in zwei Hälften geteilte Leichnam wurde, wenn es sich um keine Straf-Kumulation handelte, nach christlichem Brauch beerdigt, was bei ‚schandhaften‘ Hinrichtungen, die die zur Schau gestellten Leichenteile oder Körper nach sich zogen, nicht der Fall war. Auch aus Abschreckungszwecken heraus konnten die abgeschlagenen Köpfe auf Spieße, Lanzen oder Pfosten gesteckt werden, wo sie für Herannahende oder BewohnerInnen gut sichtbar waren. Als Instrument für das Köpfen kam selten ein Beil, hingegen das Schwert am häufigsten zum Einsatz. Ab dem 16. Jh. tritt es als Zweihänder in Erscheinung. Am 3. Mai 1791 wurde in Frankreich die Enthauptung als einzige Form der Hinrichtung festgelegt, ein Jahr später, am 20. März, wurde als alleiniges Instrument die Guillotine bestimmt, die das maschinelle Töten ermöglichen sollte. Von Dr. Ignace-Joseph Guillotin entwickelt, stellt sie die Modifikation von Fallbeilen, die auch als ‚Diele‘ oder ‚Falle‘ [vgl. DRW: Fallbeil] bezeichnet wurden, dar, die es bereits ab dem 12./13. Jh. gab. [Vgl. Ortner 2017, S. 34f; vgl. PUL: Enthauptung; vgl. Evans 2001, S. 61, 79, 81, 86, 182f.].
Vor dem Hintergrund der Enthauptung wird folglich etwas als Halsabschneiderei bezeichnet, um im übertragenen Sinne auszudrücken, dass das Betreffende eine skrupellose Übervorteilung oder Ausbeutung darstellt. [GG] -
Realienkundliches: Heinrich Heine schildert in seinem Gedicht Ein Wintermährchen von 1844 die Funktionsweise der Guillotine:
Das Guillotiniren – erklärte ich ihm –
Ist eine neue Methode,
Womit man die Leute jeglichen Stands
Vom Leben bringt zu Tode.
Bey dieser Methode bedient man sich
Auch einer neuen Maschine,
Die hat erfunden Herr Guillotin,
Drum nennt man sie Guillotine.
Du wirst hier an ein Brett geschnallt; –
Das senkt sich; – du wirst geschoben
Geschwinde zwischen zwey Pfosten; – es hängt
Ein dreyeckig Beil ganz oben; –
Man zieht eine Schnur, dann schießt herab
Das Beil, ganz lustig und munter; –
Bey dieser Gelegenheit fällt dein Kopf
In einen Sack hinunter.
[Heine 1844, S. 357]
Der Steirischen Landgerichtsordnung (Des löblichen Fürstenthumbs Steyer Landt und Peindlich Gerichts Ordnung) von 1574 zufolge wird bei verübter Notzucht sowie bei Räubern die Exekution über das Schwert, folglich die Enthauptung, gefordert:
LXXXIIII.
Straff der noth zucht.
JTem ſo yemand ainer vnuerleümbden Ehfrawen / Wittiben / oder Jungkfrawen mit Gwalt vnnd wider jren willen / jhrer Fraͤwlichen oder Jungkfraͤwlichen Ehr entſetzt / derſelbig Thaͤter ſoll auff anklag der benoͤtigten / nach auſzfuͤrung der miſſethat/einem Rauber gleich mit einem ſchwert vom Leben zum Todt gericht werden / So ſich aber ainer ſolchen miſſethaten gwaltiger weiſz / gegen ainer vnuerleümbden Frawen oder Jungkfrawen vnderſtuͤnde / vnnd ſich die Fraw oder Jungkfraw ſein erwoͤrte / oder von ſolcher beſchwernuſz ſonſt erret wurde / derſelb Vbelthaͤter ſoll auff beklagung der benoͤttigten inn auſzfuͤrung der miſzhandlung nach gelegenhait vnd gſtalt der Perſonen vnd vnderſtandnen miſſethat / geſtrafft werden / darinnen ſollen Richter vnd Vrthailer Raths gebrauchen. [Erzherzog Karl II. von Österreich 1583, LXXXIIII]
Diastratik: umgangssprachlich - Allgemeiner Gebrauchskontext: vor allem in finanziellen Zusammenhängen - Figuriertheit: Drastik; Hyperbel
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