herauskitzeln
herauskitzeln: etw. (aus jmdm.) herauskitzeln
Umschreibung:
1. dort, wo man an bestimmte Grenzen stößt, noch etw. erreichen; abnötigen, abringen [DUO: herauskitzeln]
2. jemandem Informationen (gegen deren/dessen Willen) entlocken [DUO: herauskitzeln; GG]
3. etw. Verborgenes zum Vorschein bringen [DUO: herauskitzeln]
Analyse der Bedeutung: Das Verbum ‚kitzeln‘ (‚durch Berühren und Streicheln der Haut Juckreiz und Lachen erzeugen‘) lässt sich auf eine „laut- und bewegungsnachahmende affektische Bildung“ [WPE: kitzeln] des Germanischen zurückführen. Die unterschiedlichen Formen lauten im Ahd. kizzilōn (8. Jh.), kuzzilōn (nur obd. 10. Jh.), im Mhd. kitzeln, kützeln, im Asächs. kitilon, im Mnd. kettelen, im Mnl. sowie Nl. kittelen, im Engl. to kittle, im Anord. kitla und im Schwed. kittla. [Vgl. WPE: kitzeln].
Bzgl. des realhistorischen Bildes, das die metaphorische Wendung etw. (aus jmdm.) herauskitzeln motiviert, soll es sich näher um die Kitzelfolter handeln, im Zuge derer entweder Ziegen oder Federn Verwendung gefunden hätten. Laut einer anderen These soll das Kitzeln zu den Ehrenstrafen zählen, wo Bürgerinnen und Bürgern erlaubt gewesen wäre, die am Stock fixierte delinquente Person an der Fußsohle zu kitzeln. [Vgl. Primolo 2021; vgl. ArchäoNOW 2019]. In Anknüpfung an die Folter-These ist die Ziegenfolter unter dem Terminus Tortura cum capra geläufig, bei welcher die Ziege so lange Salz von den Fußsohlen leckte, bis diese völlig wund waren. [Vgl. PUL: Tortur]. Als konkreter Beleg taucht diese zwar im literarischen Kontext, jedoch bisher nicht innerhalb von Rechtstexten auf und gilt daher im Sinne einer faktischen Folter-Variante als ungewiss. [Vgl. Zagolla 2006, S. 68]. Dass durch das Kitzeln eine Person letztendlich genauso wie bei der Marter zu Tode kommen kann, ist bereits bei Wander vermerkt. [Vgl. DSL: kitzeln].
Vom Bild der Kitzelfolter motiviert wird im metaphorischen Sinne versucht, Informationen zu entlocken oder (noch) etwas (Zusätzliches) herauszuholen. Die damit potenziell verbundene Unfreiwilligkeit des Adressaten ist dabei analog zur gefolterten Person zu verstehen, die gegen ihren Willen durch den sukzessive schmerzlicheren Kitzel so lange gepeinigt wird, bis sie gesteht. [GG] -
Realienkundliches: Im Schelmenroman Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen des Jahres 1669 werden die Fußsohlen des ‚Hauſzvatters‘ mit angefeuchtetem Salz bestrichen, das eine alte Ziege ablecken soll. Durch die Kitzelfolter veranlasst verrät der Gepeinigte das Versteck seiner Wertsachen:
In Summa / es hatte jeder ſein eigene invention, die Bauren zu peinigen / und alſo auch jeder Bauer ſeine ſonderbare Marter: Allein mein Knan war meinem damaligen Beduncken nach der gluͤckſeeligſte / weil er mit lachendem Mund bekennete / was andere mit Schmertzen und jaͤmmerlicher Weheklag ſagen muſten / und ſolche Ehre widerfuhr ihm ohne Zweiffel darumb / weil er der Hauſzvatter war / dann ſie ſetzten ihn zu einem Feuer / banden ihn / daſz er weder Haͤnd noch Fuͤſz regen konnte / und rieben ſeine Fuſzſolen mit angefeuchtem Saltz / welches ihm unſer alte Geiſz wieder ablecken / und dardurch alſo kuͤtzeln muſte / daſz er vor lachen haͤtte zerberſten moͤgen; das kam ſo artlich / daſz ich Geſellſchafft halber / oder weil ichs nicht beſſer verſtunde/ von Hertzen mit lachen muſte: In ſolchem Gelaͤchter bekante er ſeine Schuldigkeit / und oͤffnet den verborgenen Schatz / welcher von Gold / Perlen und Cleinodien viel reicher war / als man hinder Bauren haͤtte ſuchen moͤgen. [Sulsfort 1669, S. 20]
Diastratik: umgangssprachlich [DUO: herauskitzeln] - Interlingual Kompatibles: engl.: to winkle (out) [dict.cc]; engl.: to tease out [dict.cc]; engl.: to tickle sth. out of sb. [dict.cc]; frz.: faire cracher des informations à qn [PONS] - Figuriertheit: Komik
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