Kohlen
Kohlen: (wie) auf glühenden/heißen Kohlen sitzen
Umschreibung: in einer bestimmten Situation in Erwartung von etw., wegen einer Verzögerung, Behinderung o. Ä. voller Unruhe, Ungeduld oder Angst sein [vgl. DUR: Kohle; vgl. DUO: Kohle; vgl. eWDG: Kohle; vgl. ROE: Kohle]; sich in einer unangenehmen Lage befinden [ROE: Kohle]
Analyse der Bedeutung: ‚Kohle‘ als ‘im Bergbau gewonnener, fester, schwarzer Brennstoff’, lautet im Ahd. kolo (8. Jh.) oder kol (9. Jh.), im Mhd. kol, im Asächs. kol, im Mnd. kōle, im Mnl. cōle, im Nl. kool, im Aengl. col, und im Engl. coal, im Anord. Schwed. kol. Im Sinne von ‚glühender Kohle‘ kann ir. gúal (aus *geulo- oder *goulo-) herangezogen werden, während unter Betrachtung von ‚kalter Kohle‘ (von der nach der Brennerei im Meiler erkalteten Kohle) von aengl. calan (‚erkalten, abkühlen‘), anord. kala (‚frieren, kalt machen‘), ahd kalawa (‚Fieberschauer‘) (10. Jh.), anord. kuldi (‚Kälte, Feindschaft’), mnd. kȫlde, kōlde, külde (‚Kälte, Frost’) ausgegangen werden kann, die sich auf die ie. Wurzel *gel(ə)- (‚kalt, frieren’) zurückführen lassen. [Vgl. WPE: Kohle]. Die Verbalformen zu ‚glühen‘, im Ahd. gluoen (‚glühen, brennen’) (9. Jh.), im Mhd. glüe(je)n, glüewen, im Asächs. glōian, im Mnd. glöyen, im Mnl. gloeyen, glōyen sowie im Nl. gloeien (‚glühen’) leiten sich von ie. *g̑hlō- ab und zählen neben ie. *g̑hlōu- zur Wurzel ie. *g̑hel(ə)- (‚glänzen, schimmern’). [Vgl. WPE: glühen].
Die Redensart (wie) auf glühenden/heißen Kohlen sitzen, oder älter auch stehen, entstammt entweder einer Foltermethodik oder der Gottesurteilspraxis des Mittelalters. [Vgl. ROE; vgl. DUR: Kohle; vgl. DWB1: kohle]. Mit Bezug auf das Folterwesen spielt sie auf eine Feuerstrafe an und lässt sich im Zusammenhang mit ↑(wie) auf Nadeln sitzen denken. [Vgl. DWB1: kohle; vgl. ROE: Kohle]. In Anknüpfung an die Gottesurteile steht die Wendung mit ↑(etw. ist ein) heißes Eisen in Verbindung und fand u. a. im Rahmen der Hexenprozesse als Identifizierungsmittel Verwendung, was sich daraus erklären lässt, dass die Kohle auch im Kontext mit dem Aberglauben zur Vertreibung böser Geister diente. [Vgl. LDR: Kohle; vgl. ROE: Kohle].
In der älteren Variante der Wendung auf heißen/glühenden Kohlen stehen wird der Bezug zur ‚Feuerprobe‘ bzw. näher, dem ‚Gehen über Pflugscharen oder heiße Kohlen‘ explizit (siehe dazu den Beleg innerhalb ‚Realienkundliches‘). [GG]
Ik sitt ass upp Kaoln (Danneil, 96) lautet eine ältere, in ihrer Bedeutung eingeschränkte Form der Wendung für den Umstand, wenn man gezwungen ist, an einem Ort zu warten, während man woanders erwartet wird. [Vgl. DSL: Kohle]. - Entstehungszeit: 17. Jh. [DUR: Kohle] -
Realienkundliches: Die ‚Feuerprobe‘, die sich aus dem ‚Kesselfang‘, dem ‚Tragen des heißen Eisens‘ sowie der ‚Pflugscharenprobe‘, oder alternativ dem ‚Gehen über glühende Kohlen‘, zusammensetzt, findet sich im Folgenden mit Ausnahme der ersten Variante belegt:
der angeklagte mußte entweder ein gluͤhendes eisen in der hand tragen ... oder uͤber ein gluͤhendes pflugschaar oder kohlen mit bloßen fuͤßen ... gehen und in jeder dieser proben unbeschaͤdigt bleiben (1801 Rößig, Altertümer 330) [DRW-WA: Kohle III]
Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Interlingual Kompatibles: engl.: to be like a cat on a hot tin roof [PONS]; engl.: to be [kept] on tenterhooks [PONS]; frz.: être sur des charbons ardents [PONS]; ital.: essere (od stare) sui carboni ardenti [PONS]; nl.: op hete kolen zitten [PONS] - Figuriertheit: Drastik; Hyperbel; Vergleich (wie auf glühenden Kohlen sitzen) - Querverweis: ↑(wie) auf Nadeln sitzen; ↑etw. brennt (jmdm.) unter/auf den Nägeln
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