kreuzigen
kreuzigen: jmdn. kreuzigen / gekreuzigt werden
Umschreibung: jmdn. schwer bestrafen [eWDG: kreuzigen]; jmdn. hart kritisieren, verurteilen und verdammen [GG] / schwer bestraft werden [vgl. eWDG: kreuzigen]; stark kritisiert werden; zugrunde gerichtet/schwer verurteilt werden [GG]
Analyse der Bedeutung: Das Neutrum ‚Kreuz‘ (‚aus zwei sich rechtwinklig oder schräg schneidenden Balken oder Linien bestehendes Gebilde‘) ist dem Lat. crux (‚Balken mit Querholz, Marterpfahl als Hinrichtungsgerät, an den Verbrecher geschlagen werden‘) entnommen. Durch die lateinische Kirchensprache erhält es seine übertragene Bedeutung ‚Marter, Qual‘ und referiert auf das ‚Kreuz Christi‘. Die entlehnten Formen lauten im Ahd. krūzi (8. Jh.), im Mhd. kriuz(e), im Asächs. krūci sowie krūzi, im Mnd. krǖze, im Mnl. crūce, im Nl. kruis, im Aengl. crūc und im Mengl. schließlich crouch. [Vgl. WPE: Kreuz]. Wie innerhalb der bildlichen Redensart ↑ein Galgen für jmdn./etw. ersetzt die lateinische Form die ältere germanische. [GG] Durch die lat. Variante sowie den Kreuzestod Christi motiviert wird mit dem Substantiv zusätzlich ‚Mühsal, Not‘ ausgedrückt. Um weitere von zahlreichen Beispielen zu nennen, wird im Mhd. auf den ‚Kruzifix‘, im 15. Jh. auf das ‚Ordenskreuz‘, ab dem 17. Jh. auf den ‚unteren Teil des Rückgrates‘, seit dem 18. Jh. auf ‚Notenzeichen‘ und mit Beginn des 19. Jhs. auf eine ‚Spielkartenfarbe‘ referiert. Das abgeleitete Verbum ‚kreuzigen‘ mit der ursprünglichen Bedeutung ‚ans Kreuz schlagen‘ lautet im Ahd. krūzigōn (ca. 1000), im Mhd. kriuzigen, wo bereits zusätzlich ‚peinigen, plagen‘ gemeint ist (in Anlehnung an lat. cruciāre ‚kreuzigen, martern’). [Vgl. WPE: Kreuz].
Dass Galgen und Kreuz dieselben Wurzeln aufweisen, wird innerhalb des bildlichen Ausdrucks ↑ein Galgen für jmdn./etw. näher erläutert. Dem Kreuzessymbol kam bereits im Alten Ägypten, wo es für das ewige Leben stand, eine große Bedeutung zu. Auch in Herculaneum taucht das Kreuz bereits innerhalb von Wandbemalungen auf und kann durch das Vulkanunglück zumindest in die Zeit vor 79 n. Chr. datiert werden. Über die Christianisierung erhält es schließlich seinen religiösen Charakter. Die Hinrichtungsform der Kreuzigung war bereits vor römischer Zeit bekannt, wie sich anhand der assyrischen, babylonischen, karthagischen oder persischen Kultur belegen lässt. Differente Formen wie das Festbinden an einen Felsen oder Pfahl (bei den Griechen im Hinrichtungskontext als stauros geläufig) oder das Hängen an einen Baum (als arbor infelix unter den Römern verbreitet) stellen verwandte sowie ältere Varianten der Kreuzigung dar, wobei die sie alle verknüpfende Intention die des schutzlosen Auslieferns der verurteilten Person ist. Mit Blick auf den Orient gab es auch die Variante, dass die zu bestrafende Person auf das ‚Kreuz‘ gesetzt wurde, wobei dazu ein Pfahl durch den Anus getrieben und im Anschluss aufgestellt wurde. In römischer Zeit wurde die Kreuzigung zu Beginn nur an nichtrömischen Rebellen, Sklaven, Straßenräubern sowie ehrlosen Gladiatoren vollzogen, bis sie in späterer Zeit genauso für römische Bürger in Frage kam. Was den gesamten Mittelmeerraum betrifft, handelte es sich beim Gekreuzigtwerden um eine besonders häufig verhängte Todesstrafe. Analog zur Strafe des Erhängens am Galgen war es untersagt, die gekreuzigte Person vom Kreuz abzunehmen; auch das Begräbnis wurde ihr nicht gewährt, sodass der nackte Körper schutzlos den Aasfressern und Witterungsbedingungen ausgeliefert war. Detailliertere Beschreibungen zum Kreuzigungsprozess liegen in schriftlicher Form nicht vor, sodass anzunehmen ist, dass die Henker (in Rom der sog. carnifex) beim Vollzug über vermehrte Freiheiten verfügten. Im Jahr 320 n. Chr. wurde unter Kaiser Konstantin dem Großen die Kreuzigung als Hinrichtungsform verabschiedet, um den Kreuzestod und die Passion Christi aufzuwerten. [Vgl. Ortner 2017, S. 30–32].
Kreuzigt eine Person bspw. jemand anderen aufgrund einer Aussage oder Tat, bedeutet dies vor dem Hintergrund der realhistorischen Exekution mittels eines Kreuzes, auf welches die delinquente Person gebunden und somit den Naturgewalten ausgeliefert wurde, dass die-/derjenige mit einer besonderen Schärfe und Strenge kritisiert und verdammt oder sogar einer schweren Strafe unterzogen wird. Hat man den Eindruck, für eine bestimmte Sache wie etwa eine Äußerung oder Tat im bildlichen Sinne gekreuzigt zu werden, so fungiert das reale Bild der Hinrichtung am Kreuz aus der Perspektive der gekreuzigten Person als Lieferant, um auszudrücken, dass man schonungslos verurteilt, angefeindet und auseinandergenommen wird. [GG] -
Realienkundliches: In Döpler Jacobs Theatrum Poenarum des Jahres 1693 ist unter Caput XXXIX, XIV die Todesstrafe der Kreuzigung erwähnt. Analog zur Kreuzigung Christi soll die verurteilte Person zuvor Rutenschläge erlitten haben:
Ferner war vor dieſen uͤblich / daſz ehe man die Maleficanten kreutzigen / oder ſonſt vom Leben zum Tode bringen lieſz ſie vorher mit Ruthen biſz aufs Blut geſtaͤupet wurden / welches auch unſern Heyland CHRISTO JESU ſelbſten wiederfahren / ſo aber nach der Zeit abkommen. [Döpler 1693, S. 872f.]
Der archäologische Fund eines durchbohrten Fersenbeines in Givat‘ha-Mivtar als Beleg veranschaulicht die Durchführung der Kreuzigung auf anthropologischem Wege:
Der Henker hatte ganze Arbeit geleistet, der Verurteilte hing am Kreuz. Zwar war der eine Nagel nicht ganz durch das rechte Fersenbein in den Pfahl getrieben worden, so wie es eigentlich hätte sein sollen, aber daran war das harte, knorrige Olivenholz schuld. Vielleicht wurden deshalb die Arme des Delinquenten auch nicht an den Querbalken genagelt, sondern nur gebunden. Ölbäume waren nicht die bevorzugte Holzart für Kreuzigungen, aber geeigneteres Material war wohl in diesem Moment knapp. Letztlich erfüllte die Aufhängung ihren Zweck. Wir wissen nicht, wie lange der Mann am Kreuz hing, aber es scheint, als sei der Henker milde gestimmt gewesen. Die Todesqual beendete er durch das crurifragium, d. h. die Schienbeine des Gekreuzigten wurden zerschlagen, wodurch der Tod unmittelbar eintrat. Die Verwandten des Verurteilten waren nicht ohne Einfluss, wurde doch der Leichnam zur Bestattung freigegeben, statt am Stamm zu verfaulen – aber vielleicht brauchten die Schergen auch einfach nur das Holz für die nächste Hinrichtung. Allerdings hatte der Henker große Mühe, den Toten vom Kreuz abzunehmen, da sich besagter Nagel nun kaum mehr aus dem Holzstamm wieder herausziehen ließ und letztlich herausgebrochen werden musste. Der Eisenstift, der die Schmach der Hinrichtung verriet, verblieb jedoch im Fersenbein, auch bei der späteren Wiederbestattung der Gebeine in einem Ossarium. Es war nämlich nicht möglich, ihn aus dem Knochen herauszuziehen, seine Spitze hatte sich im Holz verbogen. 1968 wurden die Überreste dieses Gekreuzigten in Givat‘ha-Mivtar nordöstlich von Jerusalem zufällig bei Bauarbeiten entdeckt. Eine Inschrift auf der Knochenkiste nennt seinen Namen: Jehôhānān (Johannes). Der Fund ist bisher einzigartig. Da sich die Überreste aber in einem schlechten Erhaltungszustand befinden, ist die Art und Weise der Kreuzigung in der Forschung ebenso umstritten wie das crurifragium. Zeitlich wird diese Hinrichtung in das erste nachchristliche Jahrhundert gesetzt (t.a.q. 66/70 n. Chr.), vielleicht geschah sie unter dem kreuzigungswütigen Statthalter Judäas Antonius Felix (ca. 52–60 n. Chr.). […] [de Libero 2005, S. 154]
Figuriertheit: Hyperbel; Drastik - Querverweis: ↑jmdn. einen Kopf kürzer machen; ↑jmdn. steinigen / gesteinigt werden (für etw.); ↑ jmdn./etw. zerreißen / von jmdm./etw. zerrissen werden; ↑jmdn./etw. in die Schranken weisen / in (die/seine) Schranken gewiesen werden; ↑von jmdm./für etw. verurteilt werden; ↑jmdn./etw. vierteilen / gevierteilt werden (für etw.)
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