Kurzer Prozess
Kurzer Prozess: kurzen/schnellen Prozess mit jmdm./etw. machen
Umschreibung: etw. schnell und ohne Umstände erledigen, jmdn. energisch und ohne Rücksicht behandeln; jmdn. töten [eWDG: Prozess]
Analyse der Bedeutung: Das Maskulinum ‚Prozess‘ im Sinne von ‚Fortgang, Verlauf, Ablauf, Hergang, Entwicklung‘ sowie ‚gerichtliche Durchführung von Rechtsstreitigkeiten‘ stellt eine Entlehnung aus mlat. processus (‚Rechtshandlung, gerichtliches Vorgehen, gerichtliche Entscheidung, Gerichtsverfahren, Handlungsweise, Vorgehen’) dar und wurde über mhd. process (‚Erlass, gerichtliche Entscheidung‘) als Rechtsterminus in die deutsche Sprache integriert. Ab dem 15. Jh. wurde damit zusätzlich auf das ‚Gerichtsverfahren‘ referiert. [Vgl. WPE: Prozeß; vgl. DHW: Prozess].
Die Verbindung ‚kurzer Prozess‘ geht im 18. Jh. hervor und bezieht sich auf rasch abzuwickelnde Verfahren bzw. überwiegend auf Strafprozesse, wo über die betreffende Person ohne rechtsstaatlicher Verfahrensgarantien ein Urteil verhängt wird. Insbesondere war dies bei Standgerichten im Dritten Reich sowie dem Volksgerichtshof gang und gäbe. Die Lynchjustiz (vgl. dazu ↑jmdn. lynchen / gelyncht werden sowie ↑Lynchjustiz) stellt dabei eine Art des kurzen Prozesses dar. [Vgl. HRG-WS: Kurzer Prozess].
Vom Schnellverfahren motiviert, bedeutet kurzen/schnellen Prozess mit jmdm./etw. machen im übertragenen Sinne, dass mit einer Person oder Sache rasch und/oder eigennützig verfahren und im schlimmsten Fall der Tod der Person gefordert wird. [GG]
Als weniger geläufige und inoffizielle Variante findet auch ‚schneller Prozess‘ Verwendung. [GG] - Entstehungszeit: Ende 18. Jh. [KUE I: Prozeß] -
Realienkundliches: "Kurzer Prozess" könnte bald landesweit möglich sein
Stuttgart (dpa/lsw) - Der ungeschickte Griff ins Regal oder das aufgeflogene Drogengeschäft können Ladendiebe und Dealer schneller vor den Richter bringen, als ihnen oft lieb sein dürfte. Als sogenannte beschleunigte Verfahren werden diese Urteile im Hauruck-Verfahren in Baden-Württemberg zwar erst an drei Gerichten systematisch verfolgt. Modellprojekte in Stuttgart, Mannheim und Freiburg waren aber nach Ansicht von Justizministerin Marion Gentges (CDU) trotz der Corona-Pandemie so erfolgreich, dass Expressurteile über kurz oder lang im ganzen Land gesprochen werden könnten. Ihr Ziel: Die Fälle sollen zügiger vom Tisch, Strafen sollen unmittelbarer folgen und somit auch Nachdruck hinterlassen.
"Ich möchte, dass wir die Erkenntnisse aus den Modellprojekten nutzen und weitere Standorte im Land finden", sagte Gentges der Deutschen Presse-Agentur. "Es ist unser Ziel, das an alle geeigneten Gerichte zu bringen."
In Freiburg, Stuttgart und Mannheim sind seit dem vergangenen Juli nach Angaben des Justizministeriums bereits mehr als 180 Expressurteile (Stichtag: 15. Februar 2021) gesprochen worden. Corona habe den Trend zum sogenannten beschleunigten Verfahren gebremst. Es habe in der Zeit der Pandemie weniger geeignete Fälle, weniger Kontakte und auch nur wenige Verhandlungen gegeben, sagte auch der Präsident des Stuttgarter Amtsgerichts, Hans-Peter Rumler. Er spricht von "guten Erfahrungen", die sein Gericht bislang in den mehr als 40 Expressverfahren gemacht habe.
Mit den Urteilen - viele davon fallen am nächsten Tag - will die Justiz vor allem den zeitraubenden und kostspieligen Ablauf vergangener Zeiten bei kleineren Delikten umgehen. Schnelle Entscheidungen vor Gericht sollen nicht nur Staatsanwaltschaften und Gerichte, sondern auch Opfer, Zeugen und selbst die Täter entlasten. "Vor allem bei jüngeren Tätern ist es pädagogisch sinnvoll, dass zwischen Tat und Verurteilung kein längerer Zeitraum liegt", sagte Justizministerin Gentges. Hinzu komme, dass Täter ohne festen Wohnsitz in Deutschland normalerweise für die Justiz kaum zu greifen seien.
Nach dem Willen der Justiz soll die Strafe im Idealfall der Tat auf dem Fuße folgen. Von den 183 Verfahren des Modells (bis 15. Februar 2021) wurden laut Ministerium 130 am Tattag oder einen Tag später verhandelt, 95 Täter wurden zu Freiheitsstrafen mit und ohne Bewährung verurteilt. In 125 Fällen wurden keine Rechtsmittel eingelegt.
"Bei der Hälfte unserer Fälle handelt es sich um Ladendiebstähle, auch Straftaten mit Drogen oder Medikamentenhandel sind oft mit dabei", sagte Amtsrichter Alexander Ropertz, der in Stuttgart für diese Verfahren mit Kleinkriminellen verantwortlich ist. Kommt eine Untersuchungshaft in Betracht und ist die Beweislage eindeutig, sei die Polizei nach der Festnahme sensibilisiert, den Gerichten beschleunigte Verfahren vorzuschlagen. "Ich habe große Akzeptanz erlebt von allen Beteiligten. Und ich habe nach den Prozessen auch das Gefühl gewonnen, dass die Einsicht bei den Tätern direkt nach ihrer Tat größer ist als Monate später", sagte Ropertz.
Neu ist diese juristische Praxis nicht. Sie ist seit Jahrzehnten unter Paragraf 417 der Strafprozessordnung bei einfachem Sachverhalt und klarer Beweislage festgeschrieben, bei einer zu erwartenden Höchststrafe von einem Jahr und sofern der Beschuldigte einverstanden ist. Vorreiter sind Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.
Allerdings braucht es für diese Form der Justiz im Zeitraffer stets auch jemanden von der Staatsanwaltschaft, einen Richter oder eine Richterin, einen Protokollanten und mindestens einen Justizwachtmeister oder eine -meisterin. In den Modellstandorten wurde mit insgesamt sechs neuen Stellen dem Personalproblem bei beschleunigten Verfahren entgegengewirkt. "Rollt man es flächendeckend aus, braucht man auch entsprechend Personal", sagte Gentges.
Hier setzt auch die Sorge der oppositionellen FDP-Fraktion ein. Beschleunigte Verfahren seien sehr personalintensiv, sagte deren rechtspolitischer Sprecher Nico Weinmann am Montag. "Die Ausweitung darf am Ende nicht dazu führen, dass Personal an anderer Stelle fehlt und andere Verfahren dadurch auf der Strecke bleiben." [Süddeutsche Zeitung 2021]
Diastratik: umgangssprachlich [eWDG: Prozess] - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Allgemeiner Gebrauchskontext: auffallend gehäuft im sportiven Kontext; tragende rechtliche Komponente im Sinne des verkürzten Verfahrens - Interlingual Kompatibles: dän.: gøre kort proces med én [PONS]; engl.: to make short work of sb/sth [or short shrift of sth] [PONS]; frz.: ne faire qu'une bouchée de qn [PONS]; ital.: farla breve con qn [PONS]; kroat.: učiniti kratak proces [PONS]; nl.: (met iets/iem) korte metten maken [PONS]; schwed.: göra processen kort med någon [PONS]; serb.: završiti sa nekim/nečim po kratkom postupku [PONS]; span.: cortar por lo sano con alguien/algo [PONS]; tschech.: udĕlat s kým krátký proces [PONS] - Figuriertheit: auch Hyperbel [GG]
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