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piesacken

piesacken: jmdn. piesacken / sich piesacken lassen / gepiesackt werden

Umschreibung: jmdm. hartnäckig mit etwas zusetzen; jmdn. (unaufhörlich) quälen, peinigen [DUO: piesacken]; sich quälen lassen [GG] / bis aufs Äußerste und fortlaufend gequält und gepeinigt werden [GG]

Analyse der Bedeutung: Das Verbum ‚piesacken‘ (‚peinigen, quälen, ärgern, belästigen‘) stellt eine Ableitung von nd. Pesek bzw. (ossen)pesek, dem ‚Ochsenziemer‘ dar. Bei dieser Art von Ziemer handelt es sich konkret um das ‚Geschlechtsglied des Stieres‘, auf welches synonym nd. Pesel (im Mnl. pēseric, Nl. pezerik zu Mnd. pēse ‚Sehne’, Mnl. pēse, Nl. pees ‚Sehne, Strang, Ziemer, Ochsenziemer‘) referiert. Die ursprüngliche Bedeutung des Verbs ‚piesacken‘ lautet: ‚mit dem Ochsenziemer schlagen‘. [Vgl. WPE: piesacken; vgl. DUO: piesacken].
Das Schlaginstrument Ochsenziemer, welches 1666 erstmalig belegt ist, findet neben Reitpeitschen, Gummiknüppeln und Stöcken einerseits als Folterinstrument insbesondere im 20. Jh. Verwendung [vgl. Zagolla 2006, 100, 135f., 140], fungiert jedoch andererseits im Rahmen der Prügelstrafe auch als Züchtigungsinstrument, wie es für das 18. Jh. belegt ist [vgl. DRW-WA: Kollatie V]. Die Prügelstrafe als körperliche Strafe, die mittels Stock, Peitsche oder Ruten erfolgte, ist bereits im mosaischen und römischen Recht verankert und erfüllte im Zuge des sich im 17. Jh. etablierenden ‚Zuchthausgedankens‘ Zwecke der Disziplinierung. Gekoppelt mit dem schändlichen Abscheren des Kopfhaares ist sie unter der Bezeichnung ‚Strafen an Haut und Haar‘ vom Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit geläufig und setzt sich danach als ‚öffentliches Aushauen‘ durch. [Vgl. HRG-AD: Leibesstrafen; vgl. BKKL: Prügelstrafe; MGKL: Prügelstrafe]. Ab Mitte des 19. Jhs. wurde die Prügelstrafe in Deutschland untersagt, erfuhr jedoch vor allem durch das Instrument der Peitsche Kontinuität innerhalb deutscher Kolonien in Afrika, im Pazifik und in der Südsee. [Vgl. Zagolla 2006, S. 124].
Piesackt man eine Person, bedeutet dies unter Anknüpfung an die körperliche Bestrafung oder Züchtigung, wo die betreffende Person durch die Ochsenziemer-Schläge malträtiert wird, dass man diese besonders ärgert oder quält. [GG] - Entstehungszeit: 18. Jh. [WPE: piesacken]; Mitte 18. Jh. [KUE I: piesacken] - 

Realienkundliches: Der Ochsenziemer diente auch als Züchtigungsmittel, wie sich Ludwig Scharnagel erinnert:

Über die Misshandlungen gibt Ludwig Scharnagel aus Nürnberg zu Protokoll: „Am Tag meiner Einweisung wurden aus dem Block II/1, dem ich zugeteilt war, die Juden Benario, Kahn I, Kahn II und Goldmann durch den SS-Mann Steinbrenner, der gleichzeitig unser Blockführer war, herausgeholt. Die vier vorgenannten Personen mußten den vor dem Block befindlichen Müllkasten leeren. Dabei wurden sie von Steinbrenner, der die Aufsicht über die Arbeit führte, fürchterlich mit dem Ochsenziemer geschlagen. Steinbrenner schlug hierbei wahllos auf die Juden ein...Ich arbeitete dann mit den vier vorgenannten Personen zusammen und erhielt auch mit ihnen Schläge durch Steinbrenner und andere SS-Leute. Während dieser Zeit habe ich dann beobachtet, wie Steinbrenner die Juden solange schlug, bis sie zusammenbrachen. Die Juden bluteten aus Mund, Nase und anderen Körperteilen... [Imholz o. J., S. 6]

Wie Schriften der ältesten landeskundlichen Vereinigung Deutschlands, dem Baarverein, belegen, wurde der Ochsenziemer im Jahr 1782 im Zuge der Prügelstrafe eingesetzt:

wir haben ... in ... deliberation gezogen, wie daß die bis anhero in dem ... zuchthaus gewohnlich geweste sogenannte collaz oder daß die sammentlichen züchtlinge alle freitag mit 10 ochsenziemer streichen gezüchtigt werden ... zu hart sei ... scheint uns die wöchentliche collaz ... die gränzen der menschlichkeit zu überschreiten (SchrBaar 17 (1928) 115 (Artikel Kollatie V) [DRW-WA: Kollatie V]

Diatopik: niederdeutsch (im Sinne von ‚quälen, plagen stoßen‘) [DUO: piesacken]; norddeutsch, mitteldeutsch (im Sinne von ‚plagen, quälen, schlagen, stoßen‘) [WPE: piesacken] - Diastratik: umgangssprachlich [DUO: piesacken]; landschaftlich salopp [eWDG: piesacken] - Interlingual Kompatibles: engl.: to pester sb [PONS]; frz.: embêter qn [PONS]; kroat.: gnjaviti [PONS] - Figuriertheit: Hyperbel

 

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