richten
richten: etw. (wieder) richten
Umschreibung: etw. wieder in Ordnung bringen; einen Schaden beseitigen [GG]
Analyse der Bedeutung: Die Verbalform ‚richten‘ mit den Bedeutungen von ‚etw. Krummes gerademachen, in eine gerade Lage, Stellung, Richtung bringen, auf ein Ziel hinlenken, in Ordnung bringen, Recht sprechen’ weist innerhalb des germanischen Sprachraumes u. a. die Formen ahd. sowie mhd. rihten im Sinne von ‚recht, gerademachen, in eine Richtung bringen, aufrichten, aufstellen, in Ordnung bringen, fertigmachen, er-, einrichten, gestalten, herrschen, regieren, Recht sprechen’, asächs. rihtian, mnd. richten, mnl. rechten resp. richten, nl. rechten, aengl. rihtan, engl. to right, anord. rētta, schwed. räta und got. garaíhtjan mit germ. *rehtjan auf. [Vgl. WPE: richten].
Der rechtlichen Bedeutung von ‚richten‘ oder lat. iudicare (‚Recht sprechen, urteilen, gerichtlich entscheiden‘ [PONS]) geht nach Jacob und Wilhelm Grimm der Gedanke vom Begradigen einer ‚Unebenheit in der moralischen Welt‘ voraus. Davon motiviert, leitet sich die Wendung etw. (wieder) richten ab, wenn damit im übertragenen Sinne auf das Schlichten von Streitigkeiten oder die Begleichung eines Schadens referiert wird. [Vgl. DWB1: richten]. Wie sich anhand der Definition von ‚richten‘ als ‚das Recht (wieder-)herstellen, das zerbrochene Recht heilen‘ [DRW-WA: richten I] bereits erkennen lässt, wird der Sinn einer Wiedergutmachung oder Schadensbegleichung bereits im juristischen Kontext tragend. [GG] -
Realienkundliches: Bischof und Vogt als richtende Personen um 1270 in den Baseler Rechtsquellen:
swel sache der bischof selbe riehten will oder mit rehte vor in gezogen wirt, die richtet er. Get [es aber] amblvͦtich hant, so gat er dannen vnd heizet den vogt rehte riehten
(um 1270 BaselRQ. I 1 S. 11) [DRW-WA: richten I 1]
Gott als Richter bei Notker um 1000:
iudica illos deus. Rihte got uber sie
(um 1000 Notker II 13) [DRW-WA: richten I 1]
Semantische Prozesse: phraseologisiert (etw. wieder richten) - Interlingual Kompatibles: engl.: to straighten sth [PONS]; nl.: richten [PONS]
* * *
richten: über jmdn./etw. richten
Umschreibung: über jmdn., etw. (unberechtigterweise) urteilen, ein schwerwiegendes, negatives Urteil abgeben [DUO: richten]
Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie von ‚richten‘ vgl. ↑etw. (wieder) richten.
Die Wendung über etw./jmdn. richten, mit welcher im bildhaften Sinne die Äußerung einer feststehenden, negativen Ansicht, Meinung, Entscheidung oder Einschätzung zu einer Person, Sache oder Situation zum Ausdruck gebracht wird, ist hinsichtlich ihres Ursprunges von der richterlichen Handlung bzw. der Verlautbarung des Urteils geprägt. [Vgl. DWB1: richten]. - Realienkundliches: Vgl. ↑etw. (wieder) richten. - Diastratik: gehoben [DUO: richten] - Semantische Prozesse: pejorativ - Interlingual Kompatibles: engl.: to judge sb/sth [PONS]; frz. : juger qn/qc [PONS]; kroat. : suditi [PONS]; poln. : wyrokować o kimś/czymś [PONS]; span.: juzgar a alguien [PONS] - Figuriertheit: Hyperbel - Querverweis: ↑(über jmdn./etw.)/(nach etw.) urteilen
* * *