schinden
schinden: jmdn./etw. schinden
Umschreibung: jmdn./etw. durch übermäßige Beanspruchung seiner Leistungsfähigkeit quälen [eWDG: schinden]
Analyse der Bedeutung: Das Verbum ‚schinden‘ in seiner Bedeutung von ‚Viehkadaver abhäuten, jmdn. quälen, ausbeuten, (sich) abplagen‘ weist die Formen ahd. skinten (9. Jh.), mhd. schinden sowie schinten (‚die Haut, die Rinde abziehen, enthäuten, schälen, berauben, peinigen, mißhandeln’), mnd. schinden (‚enthäuten, plündern, rauben’), mnl. scinden (‚misshandeln, rauben’) auf und ging ursprünglich aus frühnhd. schint (‚Obstschale‘) im 15. Jh. hervor. Anord. skinn referiert dabei auf die ‚abgezogene Haut‘, schwed. skinn auf ‚Haut‘ und ‚Fell‘. Zugrunde liegt die ie. Wurzel *sē̌k- (‚schneiden’), woraus *(s)ken- (‚abspalten’) und schließlich ie. *skento-, *skentā (‚Abgespaltenes’ mit Bezug auf Haut, Schuppe oder Rinde) gebildet werden. Ursprünglich bezeichnete ‚schinden‘ allein das Abziehen der Haut von Tieren sowie Menschen im Hinrichtungsakt, bis sich im Mhd. das Bedeutungsspektrum um den quälenden sowie ausbeuterischen Aspekt erweiterte. Im 15. Jh. treten die Bedeutungen ‚bedrücken, aussaugen, erpressen‘ hinzu und im 18. Jh. verweist das in der Studentensprache kursierende ‚schinden‘ auf ‚sich etw. verschaffen, ohne dafür zu zahlen‘ und ‚sich freihalten lassen‘. [Vgl. WPE: schinden].
Die bildhafte Wendung jmdn./etw. schinden entstammt dem Werk des Schinders respektive Abdeckers, der das Fell bzw. die Haut von verstorbenen Tieren für die Weiterverarbeitung abzog und auch, wie bereits unter ein(-e) Halsabschneider(-in) sein erläutert, das Werk des Henkers verrichtete. Im Strafkontext folglich taucht Schinden zum einen als Leibesstrafe auf, wo die Haut an bestimmten Stellen wie bei erteilten Rutenschlägen aufgerissen oder abgezogen wurde. Das gewaltsame Entfernen der als ehrenvoll geltenden Haare mitsamt der Haut, das auch unter lat. tundere bekannt ist, stellt eine weitere Form dieser Strafe dar. Seit dem Altertum ist das sog. ‚Riemenschneiden‘, wo die Haut in Streifen vom Körper geschnitten wurde, als Strafe sowie Folter überliefert, das auch über Belege für die mittelalterliche Zeit nachweisbar ist. Des Weiteren ist sie auch aus dem orientalischen Raum wie bspw. über die Perser bekannt. [Vgl. GRA II, S. 291; vgl. LDR: Schindluder; vgl. HRG-GvO: Puer tonsuratus; vgl. DRW-WA: Riemenschneiden]. Im Sinne einer Strafverschärfung konnte das Abziehen der Haut bis zum Eintreten des Todes angeordnet werden, was eine besonders langwierige und schmerzhafte Form der Hinrichtung darstellte. Das Enthäuten am lebenden Körper ist darüber hinaus bei den Skythen, Persern sowie Assyrern belegt, innerhalb von altmexikanischen Kulturen geht man zusätzlich von einer Art Opferbrauch aus. Die Kenntnis des Hautabziehens lässt sich u. a. aus Reliefs sowie verschiedensten malerischen Darstellungen ableiten, wobei Szenen wie die Enthäutung der mythologischen Figur Silen Marsyas oder des Richters Sisamnes besonders häufig aufgegriffen und künstlerisch neu interpretiert werden. Schließlich bestand auch die Möglichkeit, den Körper post mortem seiner Haut zu entledigen, was nicht nur eine besonders schändliche Strafe war, sondern auch die Identität der/des Hingerichteten zerstörte. [Vgl. DRW-WA: schinden I 2; vgl. Benthien 2001, S. 76, 79, 82f., 85].
Schindet man im metaphorischen Sinne eine Person oder bspw. ein Tier, bedeutet dies vor dem Hintergrund der geschilderten Praxis des Enthäutens durch den Schinder, dass man die/den/das Betreffende auf unsagbare Weise quält oder abgeschwächter mit Bezug auf die Leistungsfähigkeit gehörig fordert. [GG] - Entstehungszeit: in mittelhochdeutscher Zeit [WPE: schinden] -
Realienkundliches: Wie Matthias Abele von und zu Lilienberg (1616–1677), ein österreichischer Schriftsteller und Jurist, in seiner Metamorphosis der Jahre 1651–1654 schildert, fungiert das Schicksal des Richters Sisamnes, der bei lebendigem Leibe geschunden wurde, als Abschreckungsbeispiel für andere ungerechte Richter:
Nachfolgendes Ehren⸗Kleid.
Syſamnes ſoll / andern ungerechten Richtern zur Abſcheu und Vorbild / lebendig geſchunden / deſſen Haut uͤber den Richter⸗Stuhl geſpannet / und / an deſſen Statt / ſein leiblicher Sohn zu ſolcher Wuͤrdigkeit erhaben werden / mit beygeruckter Bedrohung / ſo fern er ſich / wider Verhoffen / dergleichen Miſſethat unterfangen wuͤrde / daſz er keine andere Straff / als ebenmaͤſzige Haut⸗Abstreiffung / zu gewarten habe. [von und zu Lilienberg 1712, S. 314]
Interlingual Kompatibles: dän.: flå [PONS]; kroat.: zguliti [PONS]; kroat.: guliti [PONS] - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik
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schinden: sich (für jmdn./etw.) schinden / sich zu Tode schinden / (zu Tode) geschunden (werden)
Umschreibung: sich selbst unsäglich abmühen, quälen [GG]; von jmdm. unsagbar gequält, überbeansprucht werden [GG]
Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie von ‚schinden‘ siehe ↑jmdn./etw. schinden.
Die bildhafte Wendung sich (für jmdn./etw.) schinden / sich zu Tode schinden / (zu Tode) geschunden (werden) entstammt der Strafe des Hautabziehens, die bis zum Tode angeordnet werden konnte. Siehe dazu näher den Eintrag unter ↑jmdn./etw. schinden.
Schindet man sich selbst für eine Sache oder eine Person, bedeutet dies vor dem Hintergrund der verurteilten Person, dessen Haut zur Strafe abgelöst wird, dass man sich selbst vor allem physisch irrsinnig quält und überanstrengt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. [GG]
In Anknüpfung an die Verurteilte/den Verurteilten, die/der durch Enthäuten bestraft wurde, drückt man mit der bildhaften Wendung (zu Tode) geschunden (werden) aus, dass jemand oder etwas im Übermaße gequält oder beansprucht wird. Im Extremfall kann dies auch im übertragenen Sinne mit einem tödlichen Ausgang verbunden sein. [GG] - Entstehungszeit: mittelhochdeutsche Zeit (schinden) [vgl. WPE: schinden] - Realienkundliches: Zur Schinderpraxis auf den Menschen angewandt siehe ↑jmdn./etw. schinden. - Diastratik: umgangssprachlich [eWDG: schinden] - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Allgemeiner Gebrauchskontext: auffallend häufig auf sportliche Tätigkeiten bezogen - Interlingual Kompatibles: dän.: slæbe sig ihjel [PONS]; dän.: slide sig [PONS]; tschech: dřít se [PONS] - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik
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schinden: geschundene/-er/-es (Seele, Chef, Land…)
Umschreibung: völlig abgequält, überbeansprucht und vollkommen erschöpft [GG]
Analyse der Bedeutung: Zu etymologischen Aspekten siehe ↑jmdn./etw. schinden.
Der metaphorische Ausdruck geschunden fußt auf der Praxis des Enthäutens, die als Leibesstrafe, Folter und Todesstrafe überliefert ist. Vgl. dazu näher ↑jmdn./etw. schinden.
Handelt es sich bei diversen Dingen oder Lebewesen um geschundene, wird in Anknüpfung an das Bild der gehäuteten Person vermittelt, dass es sich um gequälte, misshandelte oder absolut überbeanspruchte handelt. [GG] - Entstehungszeit: in mittelhochdeutscher Zeit [WPE: schinden] - Realienkundliches: Zu Belegen, die das Abziehen der Haut in einen strafrechtlichen Kontext stellen, siehe ↑jmdn./etw. schinden. - Semantische Prozesse: phraseologisiert je nach Kombination; pejorativ [eWDG: schinden] - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik - Querverweis: ↑(wie) gerädert (fühlen, aussteigen, starten…)
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schinden: etw. (heraus-)schinden
Umschreibung: etw. herausschlagen [DUO: herausschinden]; mit Geschick und Schlauheit etw. erzielen oder gewinnen [GG]
Analyse der Bedeutung: Zur etymologischen Herkunft von ‚schinden‘ siehe ↑jmdn./etw. schinden.
Die metaphorische Wendung etw. (heraus-)schinden ist auf die besonders gewaltsame Strafform des Hautabziehens zurückzuführen, vgl. dazu näher die Wendung ↑jmdn./etw. schinden. Über die Studentensprache wird das Wort ‚schinden‘ mit der Bedeutung ‚sich etw. verschaffen, ohne dafür zu bezahlen, sich freihalten lassen‘ [WPE: schinden] angereichert, wobei diese bereits im 15. Jh. durch das Spektrum ‚berauben, ausplündern, aussaugen, erpressen‘ [WPE: schinden] vorgeprägt ist.
Schindet bspw. eine Person etwas für sich heraus, kommt diese bewusst und unter trickreichem Einsatz zu einem gesetzten Ziel. [GG] - Entstehungszeit: 18. Jh. [WPE: schinden] - Realienkundliches: Vgl. dazu ↑jmdn./etw. schinden. - Diastratik: umgangssprachlich; salopp [eWDG: herausschinden, schinden] - Sozialhistorisches: Studentensprache [WPE: schinden] - Interlingual Kompatibles: engl.: to carve out time [dict.cc]
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