Schlitzohr
Schlitzohr: Schlitzohr
Umschreibung: auf sympathische Weise listiger oder durchtriebener Mensch, dem jedes innerhalb, gelegentlich auch außerhalb des Erlaubten liegende Mittel recht ist, seine Ziele zu verfolgen [DWDS: Schlitzohr]; auch: nicht vertrauenswürdiger, zu kriminellen Handlungen neigender Mensch; Gauner, Betrüger [DWDS: Schlitzohr]
Analyse der Bedeutung: Das Substantiv ‚Schlitzohr‘ bildet sich im 19. Jh. zur Betitelung von ‚Gaunern‘ oder ‚Betrügern‘ heraus und lässt bzgl. seines Ursprungs unterschiedliche Thesen zu: Einerseits besteht die Annahme, dass das Ohr, welches bei der Verstümmelungsstrafe meist ganz abgetrennt wurde, im Falle einer Strafmilderung nur mit einem Schlitz versehen worden wäre. Dadurch wäre die verbrecherische Person für alle optisch gekennzeichnet gewesen. [Vgl. WPE: Schlitz; vgl. LDR: Ohr; vgl. ROE: Schlitzohr]. Andererseits könnte sich die Metapher auch konkreter auf das Ausreißen des Ohrrings bei Zunftehren-Delikten beziehen, was jedoch aufgrund fehlender Nachweisbarkeit eher unwahrscheinlich ist. Eine weitere Möglichkeit könnte die teuflische Gespaltenheit, wie sie auch anhand der Bocksfüße oder der Schlangenzunge zu beobachten ist, darstellen. [Vgl. WPE: Schlitz].
Vor dem Hintergrund der verstümmelnden und damit entehrenden Strafe des Einschlitzens des Ohres, wodurch die Bevölkerung vor der diebischen Person gewarnt werden sollte, drückt die metaphorische Wendung (ein) Schlitzohr (sein) überwiegend wohlwollend gemeint aus, dass jemand besonders trickreich vorgeht, um an sein Ziel zu gelangen. [GG] - Entstehungszeit: 19. Jh. [WPE: Schlitz]; 1800 [KUE II: Schlitzohr] -
Realienkundliches: Der folgende Beleg aus dem Jahr 1701 nennt den Verdienst eines Scharfrichters, der sich bei Einschlitzen oder Abhacken von Zungen oder Ohren auf 10 Schillinge beläuft:
zungen oder ohren zu schlitzen oder abzuhauen 10 ß (1701 SchweizArchVk. 34 (1936) 4) [DRW-WA: schlitzen I]
Diastratik: umgangssprachlich [DWDS: Schlitzohr] - Semantische Prozesse: auch meliorativ, wenn positiv konnotiert - Interlingual Kompatibles: engl.: shifty sod [PONS] - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik; auch scherzhaft
* * *