Todesurteil
Todesurteil: (für jmdn./etw.) (das/ein) Todesurteil (sein/bedeuten)
Umschreibung: jmdn. politisch, moralisch, ökonomisch ruinieren; das Ende bedeuten, keine Hoffnung mehr lassen [ROE: Todesurteil]
Analyse der Bedeutung: Das maskuline Substantiv ‚Tod‘ in seiner Bedeutung von ‚das Sterben, das Aufhören aller Lebensvorgänge‘ wird im Ahd. in der Form von tōd, im Mhd. als tōt (‚Tod, das Sterben, Toter, Leichnam’), im Asächs. als dōð, im Mnd. als dōt, im Mnl. als doot, im Nl. als dood, im Aengl. in der Form von dēaþ, im Engl. als death, im Anord. als dauðr, im Schwed. als död, im Got. als dauþus und im Germ. als *dauþu- realisiert. [Vgl. WPE: Tod].
Das Neutrum ‚Urteil‘ (in seiner heutigen Bedeutung von ‚richterliche Entscheidung‘ aber auch ‚Meinung, Ansicht, Einschätzung‘) weist bereits im Ahd. verschiedene Formen mit unterschiedlichem Genus auf: im 8. Jh. das Neutrum urteili, im 9. Jh. die Feminina urteilida, urteilī sowie urteila und das Maskulinum sowie Neutrum urteil. Allesamt beziehen sie sich allein auf die ‚Zuteilung (des Rechts)‘, wohingegen sich ‚Meinung‘ und ‚Ansicht‘ ohne Rechtskomponente aus der literarischen Mystik mittelalterlicher Zeit herausbilden. Die mhd. Formen lauten urteil(e), urtel sowie urteilde (‚richterliche Entscheidung, Urteil, Meinung, Ausspruch, Entscheidung) und stehen im Femininum sowie Neutrum. Als Neutrum wird das Wort im Asächs. als urdēli, im Mnd. als ōrdēl, im Mnl. als o(o)rdeel, im Nl. als oordeel realisiert, während es im Aengl. ordāl als Maskulinum sowie Neutrum gefasst wird. Die engl. Bezeichnung ordeal referiert dabei auf die besondere Form des ‚Gottesurteils‘. Ab dem 18. Jh. schränkt sich das Genus auf das Neutrum ein. [Vgl. WPE: Urteil].
Im wörtlichen Sinne handelt es sich beim ‚Todesurteil‘ um ein ‚gerichtliches Urteil, mit dem über jemanden die Todesstrafe verhängt wird‘ [DUO: Todesurteil]. Historisch betrachtet, fungieren weitere Ausdrücke wie ‚Fronurteil‘, ‚Klingenurteil‘ und ‚Kondemnation(s)urteil‘ als Synonyme. [Vgl. DRW-WA: Todesurteil]. Nach Ausspruch eines Todesurteils über eine/einen Flüchtigen wurde über einen ‚Galgenbrief‘, der an den Galgen genagelt war, sowohl der Name als auch die Todesstrafe schriftlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. [Vgl. DRW-WA: Galgenbrief I]. Wenn es im Zuge des laufenden Gerichtsprozesses, der optisch durch eine ausgesteckte Rute für die Bevölkerung gekennzeichnet wurde, zu einem tödlichen Urteil durch den Richter kam, wurde nach verbaler Besiegelung der Richterstab als symbolischer Akt über der verurteilten Person zerbrochen und dieser vor die Füße geworfen. [Vgl. DRW-WA: Richterstab; Stabbrechung; Rute II]. Als weiteres Symbol kommt dem roten Tuch bei der Verkündung des Todesurteils insofern eine bedeutende Rolle zu, als es den blutigen Entscheid an alle BürgerInnen kommunizierte. [Vgl. DRW: rot II 3].
Das Lebensende, das mit dem Todesurteil verbunden ist, motiviert die bildhafte Redensart (für jmdn./etw.) das Todesurteil (sein/bedeuten), mit welcher analog zur Perspektive der verurteilten Person ausgedrückt wird, dass etwas ein bestimmtes Ende verursacht. [GG] -
Realienkundliches: Matthias Abele von und zu Lilienberg schildert in seiner Künstlichen Unordnung des Jahres 1670 die Funktion sowie Anwendung des roten Tuchs:
Das rothe Tuch / als ein Kennzeichen der Hinrichtung einer Malezif-Perſon / wurde auf der Kaͤyſerlichen Schrannen / ausgebreitet. [von und zu Lilienberg 1670, S. 315]
Semantische Prozesse: phraseologisiert (das/ein Todesurteil bedeuten) - Interlingual Kompatibles: engl.: to be sb's sure death [PONS]; frz.: signifier l'arrêt de mort de qn/qc [PONS] - Figuriertheit: Hyperbel - Querverweis: ↑ ein Galgen für jmdn./etw.
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Todesurteil: sein (eigenes) Todesurteil unterschreiben/unterzeichnen
Umschreibung: zu seinem eigenen Schaden beitragen [ROE: Todesurteil]; sein Ende besiegeln [GG]
Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie von ‚Tod‘ sowie ‚Urteil‘ siehe die Wendung ↑(für jmdn./etw.) (das/ein) Todesurteil (sein/bedeuten).
Analog zu den geforderten Personen, die ein Todesurteil vor seiner Vollstreckung durch ihre Unterschrift zu bestätigen haben, unterzeichnet eine Person im metaphorischen Sinne ihr eigenes Todesurteil, wenn sie selbst ihren Ruin einleitet oder ihren eigenen Schaden selbst verantwortet. [GG] -
Realienkundliches: Der abgebildete Hinrichtungsbefehl weist 59 Unterschriften und Siegeln von Bevollmächtigten auf, die dadurch der Todesstrafe durch Enthauptung an Charles I. am 30. Jänner 1649 Rechtsgültigkeit verliehen:
Die Transkription lautet wie folgt:
At the high Co[ur]t of Justice for the tryinge and iudginge of Charles Steuart Kinge of England January xxixth Anno D[omi]ni 1648.
Whereas Charles Steuart Kinge of England is and standeth convicted attaynted and condemned of High Treason and other high Crymes, And sentence uppon Saturday last ˆ was pronounced against him by this by this Co[ur]t to be putt to death by the severinge of his head from his body Of w[hi]ch sentence execuc[i]on yet remayneth to be done, These are therefore to will and require you to see the said sentence executed In the open Streete before Whitehall uppon the morrowe being the Thirtieth day of this instante moneth of January betweene the houres of Tenn in the morninge and Five in the afternooone of the same day w[i]th full effect And for soe doing this shall be yo[u]r sufficient warrant And these are to require All Officers and Souldiers and other the good people of this Nation of England to be assistinge unto you in this service Given under o[ur] hands and Seales
To Colonell Francis Hacker, Colonell Huncks | Har. Waller | Hen. Smyth | A. Garland | Symon Mayne | Tho. Wogan | |
and Lieutenant Colonell Phayre and to every of them. | M. Liversey | John Blakiston J. Hutchinson | Per. Pelham Ri. Deane | Edm. Ludlowe Henry Marten | Tho. Horton J. Jones | John Venn Gregory Clement |
Jo. Bradshawe | John Okey | Willi. Goffe | Robert Tichborne | Vinct. Potter | John Moore | Jo. Downes |
Tho. Grey | J. Da[n]vers | Tho. Pride | H. Edwardes | Wm. Constable | Gilbt. Millington | Tho. Wayte |
O. Cromwell | Jo. Bourchier | Pe. Temple | Daniel Blagrave | Rich. Ingoldesby | G. Fleetwood | Tho. Scot |
Edw. Whalley | H. Ireton | T. Harrison | Owen Rowe | Willi. Cawley | J. Alured | Jo. Carew |
Tho. Mauleverer | J. Hewson | Willm. Purefoy Ad. Scrope | Jo. Barkstead Isaa. Ewer | Robt. Lilburne Will. Say | Miles Corbet | |
James Temple | John Dixwell | Anth. Stapley | ||||
Valentine Wauton | Greg. Norton | |||||
Tho. Challoner |
Words in italics have been written over erasures; letters in square brackets represent contractions or abbreviations in the original
Note that the year was held to start on 25th March, and that therefore 29th January was correctly dated as 1648, and not 1649, as it would be reckoned today.
[Death Warrant of Charles I. Transcription]
Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Interlingual Kompatibles: dän.: at underskrive sin egen dødsdom [dict.cc]; engl.: to sign one's own death warrant [dict.cc]; frz.: Il vient de signer son arrêt de mort [PONS] - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik
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