Wupper
Wupper: über die Wupper gehen
Umschreibung: bankrott gehen [ROE: Wupper]; entzweigehen, verloren gehen, aufgegeben werden, sterben [DUR: Wupper]
Analyse der Bedeutung: Hinsichtlich der redensartlichen Herkunft werden verschiedene Optionen diskutiert: Erstens besteht die Möglichkeit, dass sie der Wendung über den Jordan gehen im Sinne von ‚sterben‘ regional entsprechen soll. Zweitens existiert die Annahme, dass man sich nach Überschreitung der Wupper vom Militärdienst in Preußen befreien konnte, da das Wuppertal das Grenzland zwischen diesem und der Grafschaft Berg bildete. [Vgl. DUR: Wupper]. Drittens existiert die These, dass die Redensart von strafrechtlicher Seite motiviert ist, da im östlichen Elberfeld das Polizeigefängnis Bendahl situiert war, wo bis zum Jahr 1912 mit dem Fallbeil exekutiert wurde. [Vgl. Domradio, 2016].
An Letztere anknüpfend, hatte sich eine Delinquentin/ein Delinquent im wörtlichen Sinne nach dem im Landgericht Elberfeld verkündeten Urteilsspruch über die Wupper zur ‚Gerichtsinsel‘ zu begeben und entweder eine Haftstrafe zu verbüßen oder die Todesstrafe in Empfang zu nehmen. [Vgl. Domradio, 2016].
Vor dem Hintergrund dieses realhistorischen Hintergrunds lässt sich das gesamte Bedeutungsspektrum, das mit der sprichwörtlichen Redensart einhergeht, erklären: Analog zur inhaftierten Person, die das gesamte Hab und Gut zurücklassen und sich von der Familie verabschieden muss, geht im übertragenen Sinne jemand oder etwas bankrott und erleidet einen immensen Verlust. Vergleichbar mit der zum Tode verurteilten Person, die über den Fluss geht, um durch das Fallbeil gerichtet zu werden, wird im euphemistischen wie metaphorischen Sinne das Sterben verbalisiert. [GG] -
Realienkundliches: Ein Zeitungsbericht vom 14.11.1912 belegt die letzte Hinrichtung, die im Wuppertal am Hof des Gefängnisses Bendahl unter Kaiser Wilhelm II. an Karl Schobbenhaus vollzogen wurde:
Rheinland, Weſtfalen und Nachbarprovinzen.
*Elberfeld, 13. Nov. Auf dem Hofe des hieſigen Gerichtsgefängniſſes wurde heute früh der Werkmeiſter Karl Schobbenhaus aus Kronenberg vom Scharfrichter Gröbler aus Magdeburg durch das Fallbeil hingerichtet. Schobbenhaus hatte am 25. März d. J. auf dem Wege zwiſchen Gruiten und Mettmann den mit ihm befreundeten 68jährigen Kohlenagenten Otto Hengſtenberg aus Remſcheid hinterliſtig überfallen und ermordet und ihm über 1000 M. geraubt. Das Schwurgericht hatte ihn deswegen zum Tode verurteilt. Später war zudem noch gegen ihn wegen Meineids und eines in Solingen an dem Kaſſenboten der Firma Hammesfahr verübten Raubmordverſuchs auf 18 Monate Zuchthaus erkannt worden. Alle drei Verbrechen hat er nach anfänglichem Leugnen ſpäter eingeſtanden. Vor ſeiner heutigen Hinrichtung hat er ſein Geſtändnis wiederholt und den Erſten Staatsanwalt für alles, was er in ſeinem Leben Schlechtes begangen habe, um Verzeihung gebeten. Völlig gebrochen ſchritt er zum Schafott. [Gruitener Geschichten 2018]
Lageplan des ‚Landgerichts‘ im Norden mit der über der Wupper gelegenen ‚Arrestanstalt‘ im Süden.
Zu weiteren Beispielen rund um die Dekapitation vgl. ↑Halsabschneiderei.
Diastratik: umgangssprachlich [DUR: Wupper] - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Allgemeiner Gebrauchskontext: besonders im wirtschaftlichen Kontext oder dem Finanzwesen - Figuriertheit: Komik; Hyperbel; Euphemismus
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