zerreißen
zerreißen: jmdn./etw. zerreißen / von jmdm./etw. zerrissen werden
Umschreibung: auf jmdn. hochgradig wütend sein und dies zum Ausdruck bringen; jmdn./etw. durch besonders verletzliche und harte Kritik niederschmettern und zerstören [GG] / vollends durch Kritik oder Ärger zerstört werden [GG]
Analyse der Bedeutung: Das Verbum ‚reißen‘ erstens in der Bedeutung von ‚entzwei-, auseinandergehen, gewaltsam (in einzelne Teile) auseinandertrennen, an etw. ziehen, zerren, sich teilen, trennen, lösen, (von Raubtieren) ein Beutetier töten‘ sowie zweitens als Reflexivum ‚sich ritzen, sich verletzen‘ wird im Ahd. als rīʒan (‚einritzen, schreiben’), im Mhd. als rīʒen (‚reißen, zerreißen, einritzen, schreiben, zeichnen’), im Asächs. als wrītan (‚zerreißen, verwunden, einritzen, schreiben’), im Mnd. als wrīten (‚reißen, schreiben, zeichnen’), im Mnl. als rīten, im Nl. als rijten, im Aengl. als wrītan (‚einritzen, reißen, schreiben, zeichnen’), im Engl. in der Form von to write (‚schreiben’) und schließlich im Anord. als rīta (‚einritzen, schreiben’) realisiert. Allesamt könnten sie sich aus der ie. Wurzel *u̯er- (‚aufreißen, ritzen’) ableiten. Über die Derivationsbildung ‚zerreißen‘ wird auf ‚(gewaltsam) trennen, in Stücke reißen, auseinanderreißen, (durch Abnutzung) entzweigehen, ein Loch in ein Kleidungsstück reißen’ referiert. Die Form zerrīʒen als ‚zerreißen, zerfetzen, zerfleischen’ ist dabei im Mittelhochdeutschen zu beobachten. [Vgl. WPE: reißen].
Mit Bezug auf die gewaltsame Konnotation, die mit ‚zerreißen‘ einhergeht, führen Jacob und Wilhelm Grimm neben der Zerfleischung durch Tiere auch die Todesstrafe des Vierteilens mittels Rössern an (siehe dazu die Wendung ↑jmdn./etw. vierteilen / gevierteilt werden (für etw.)). [Vgl. DWB1: zerreißen]. Unter Verknüpfung mit diesem Verweis drückt jmdn./etw. zerreißen / von jmdm./etw. zerrissen werden folglich aus, dass eine Person oder eine Sache in jeglichem Punkt bis aufs Härteste kritisiert wird bzw. von der Wut des Gegenübers getroffen wird. [GG] - Realienkundliches: Vgl. dazu das anschauliche Beispiel unter ↑ jmdn./etw. vierteilen / gevierteilt werden (für etw.). - Diastratik: umgangssprachlich [eWGD: zerreißen] - Interlingual Kompatibles: engl.: to tear a strip off sb [PONS]; ital.: lo farei a pezzi [PONS] - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik; auch ironisch oder scherzhaft - Querverweis: ↑jmdn. steinigen / gesteinigt werden (für etw.); ↑jmdn./etw. vierteilen / gevierteilt werden (für etw.); ↑jmdn. einen Kopf kürzer machen; ↑jmdn. kreuzigen / gekreuzigt werden
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zerreißen: sich für jmdn./etw. zerreißen
Umschreibung: sich für jmdn. bis zum Letzten einsetzen [eWDG: zerreißen]; für etw. oder jmdn. alles geben/alles in der Macht Stehende tun; sich vollends aufopfern [GG]
Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie von ‚zerreißen‘ siehe ↑jmdn./etw. zerreißen / von jmdm./etw. zerrissen werden, zur historischen Einbettung sowie Analyse der Vierteilung beachte ↑jmdn./etw. vierteilen / gevierteilt werden (für etw.).
In Anknüpfung an die Redensart sich für jmdn. in Stücke reißen lassen [vgl. LDR: Stücke], die mangels an aktueller Belegbarkeit nicht aufgenommen werden konnte, lässt sich die Idee des Sich-für-jemanden-Zerreißens auf die Hinrichtungsform der Vierteilung zurückführen, indem jemand stellvertretend diese entehrende Bestrafung auf sich nimmt. Der damit verbundene ultimative Treuebeweis spiegelt sich auch in der Wendung sich für jmdn./etw. zerreißen wider. [GG] - Realienkundliches: Siehe dazu den Eintrag unter ↑jmdn./etw. vierteilen / gevierteilt werden (für etw.). - Diastratik: salopp [eWDG: zerreißen] - Interlingual Kompatibles: ital.: farsi in quattro per qn [dict.cc] - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik
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zerreißen: sich nicht zerreißen können
Umschreibung: nicht an mehreren Orten physisch sowie psychisch gleichzeitig sein können; seine Kräfte nicht überall einsetzen können [GG]
Analyse der Bedeutung: Zu etymologischen Aspekten siehe ↑jmdn./etw. zerreißen / von jmdm./etw. zerrissen werden. Analog zur bildhaften Wendung ↑sich nicht vierteilen können bezieht sich die vorliegende sprichwörtliche Redensart auf die Todesstrafe der Vierteilung, wozu der Abschnitt ‚Analyse der Bedeutung‘ unter dem Ausdruck ↑jmdn./etw. vierteilen / gevierteilt werden (für etw.) einzusehen ist.
Kann man sich im metaphorischen Sinne nicht zerreißen, nimmt dies historisch betrachtet auf die Körperglieder Bezug, die im Rahmen der Vierteilung vom Rumpf abgetrennt und im Anschluss zur Schau gestellt werden. Vergleichbar mit genannter Verteilung der Extremitäten gelingt es einem nicht, sich selbst zu zerreißen, um die Kräfte an jeglichem Ort oder jeglicher Stelle einzusetzen. [GG] - Entstehungszeit: 19. Jh. [KUE II: zerreißen] - Realienkundliches: Siehe dazu die Wendung ↑jmdn./etw. vierteilen / gevierteilt werden (für etw.). - Diatopik: gemeindeutsch und österreichisch [KUE II: zerreißen] - Diastratik: umgangssprachlich - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik; auch ironisch oder scherzhaft - Querverweis: ↑sich nicht vierteilen können
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