Zünglein
Zünglein: das Zünglein an der Waage sein
Umschreibung: alles entscheidende Größe, ausschlaggebender Aspekt in einer bis dahin ausgeglichenen Situation [ZDL: Zünglein an der Waage]; Person oder Sache, die bei etwas den Ausschlag gibt [DUO: Zünglein]
Analyse der Bedeutung: Das Femininum ‚Zunge‘ als ‚Organ zum Sprechen und Schmecken‘ wird im Ahd. in der Form von zunga (‚Zunge, Rede, Sprache), im Mhd. als zunge, wo es zusätzlich ‚Volk, Land, Heimat‘ bedeuten kann, im Asächs. als tunga, im Mnd. als tunge oder tonge, im Mnl. als tonghe sowie tunghe, im Nl. als tong, im Aengl. als tunge, im Engl. als tongue, im Anord. und Schwed. als tunga und im Got. schließlich in der Form tuggō wiedergegeben. Das Substantiv basiert auf germ. *tungōn und lässt sich auf ie. *dṇg̑hu̯ā (‚Zunge‘) zurückführen. [Vgl. WPE: Zunge]. Die Diminutivform ‚Zünglein‘ lautet im Mhd. zungelîn, züngelîn, zungel oder züngel. [Vgl. DWB1: zünglein].
Das feminine Substantiv ‚Waage‘ als ‘Gerät zum Feststellen des Gewichts‘ weist die Formen ahd. wāga (‚Waage, Waagschale, Gewicht’), mhd. und mnd. wāge (‚Waage, Waagamt, Kippe, ungewisser Ausgang, Wagnis, Schwere, (ein bestimmtes) Gewicht’), asächs. wāga (‚Waagschale’), mnl. wāghe (‚Waage, Waagschale, Gewicht, Druck’), nl. waag (‚Waage’), aengl. wǣge (‚Waagschale, Gewicht’), anord. vāg (‚Waage, Gewicht, Hebel, Brechstange’), schwed. våg (‚Waage’) auf und fußt auf germ. *wēgō. Zugrunde liegt die ie. Wurzel *u̯eg̑h- (‚bewegen, ziehen, fahren’). [Vgl. WPE: Waage].
Das Zünglein an der Waage, das den Ausschlag je nach Gewichtsverhältnis gibt, ist der essentielle Indikator einer Balkenwaage, wie sie im attributiven Repertoire der personifizierten Gerechtigkeit auftritt. Siehe dazu näher ↑den Ausschlag geben. [GG] Ist jemand das Zünglein an der Waage, bedeutet dies im übertragenen Sinne, dass deren/dessen Entscheidung ausschlaggebend ist. Im Hinblick auf eine Situation bildet diese das Zünglein an der Waage, wenn durch sie etwas außer Balance gerät. Streng genommen kommt der Zunge an der Waage allein eine Anzeigefunktion zu, sodass sich das Potential der Beeinflussung, wie es im redensartlichen Kontext vermittelt wird, nicht mit dem realen deckt. [Vgl. Geolino: Das Zünglein an der Waage; vgl. LDR: Waage]. - Realienkundliches: Zur gerichtlichen Wiegepraxis vgl. ↑den Ausschlag geben. - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart; Diminutiv - Interlingual Kompatibles: dän.: tungen på vægtskålen [PONS]; engl.: to tip the scales [PONS]; ital.: essere l’ago della bilancia [PONS]; nl.: op de wip zitten [PONS]; poln.: być języczkiem u wagi [PONS]; schwed.: tungan på vågen [PONS]; serb.: biti jezičak na vagi [PONS]; slowen.: biti [oder tvoriti] jeziček na tehtnici [PONS]; span.: ser el fiel de la balanza [PONS]; tschech.: být jazýčkem na vahách [PONS] - Figuriertheit: Komik - Querverweis: ↑den Ausschlag geben; ↑ausschlaggebend sein
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