Papier
Papier: etwas zu Papier bringen
Umschreibung: etwas aufschreiben, schriftlich formulieren, niederlegen [DUW: Papier]; einen Brief, ein Gedicht, einen Aufsatz, ein Manuskript vollenden und sich mit der entsprechenden Formulierung besonders abmühen [Rö: Papier]
Analyse der Bedeutung: Papier ist in der Neuzeit der häufigste Beschreibstoff. Wenn man etwas zu Papier bringt, so schreibt man es auf, es wird aus dem Gedächtnis des Schreibenden auf das Papier gebracht. Die Wendung bezieht sich aber auch auf die Schwierigkeit des Vorgangs und impliziert eine längere Dauer des Schreibens im Vergleich zum flüchtigen aufs Papier werfen. [WH] - Diastratik: bildungssprachlich [WH] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. to commit/put sth. on paper [dict.cc]; fr. mettre qc. sur le papier [dict.cc]; lat. litteris mandare [dict.cc]; spa. llevar algo al papel [leo.org] - Querverweise: etwas aufs Papier werfen; ein Papier vorlegen/zusammenstellen
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Papier: (etwas steht/existiert/...) nur auf dem Papier
Umschreibung:
- etwas besteht nur der Form nach, wird praktisch nicht durchgeführt bzw. nicht verwirklicht [DUW: Papier]; zwar schriftlich festgelegt, aber nicht verwirklicht sein [DUR: Papier]
- Maßnahmen o.Ä., die angekündigt werden, aber keinerlei Wirkung zeigen [Rö: Papier]
Analyse der Bedeutung: Die Prägung dieser Wendung erfolgte entlang des Gegensatzes von Schriftlichkeit und (außerschriftlicher) Wirklichkeit. Dinge, die nur auf dem Papier bestehen, haben (noch) keine Entsprechung in der Realität. In dieser Art können ganze Organisationen oder Gesetze existieren, die nicht wirklich funktionieren. In ihrer zweiten Bedeutung zielt die Wendung auf angekündigte Maßnahmen, deren Auswirkungen in der Realität aber nicht sichtbar werden können und die daher im Bereich der Schriftlichkeit (also auf dem Papier) bleiben. [WH] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. (existing) in name only [dict.cc] - Querverweise: Papiertiger
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Papier: ein Papier vorlegen/zusammenstellen
Umschreibung: Dokumente, Verhandlungsvorschläge, Forschungsergebnisse, bestimmte Informationen o.Ä. präsentieren [WH]
Analyse der Bedeutung: In dieser Wendung wird Papier metonymisch für Dokumente, Pläne, Vorschläge o.Ä. verwendet, die schriftlich vorgelegt und zur weiteren Besprechung, Verhandlung oder Diskussion präsentiert werden. [WH] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Figuriertheit: Metonymie - Interlingual Kompatibles: engl. to present a paper [dict.cc] - Querverweise: etwas zu Papier bringen
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Papier: etwas aufs Papier werfen
Umschreibung: etwas schnell, nur flüchtig skizzieren; seinen Eindruck, einen Sachverhalt schriftlich festhalten; sich Notizen machen [Rö: Papier]; etwas entwerfen, skizzieren, rasch niederschreiben [DUR: Papier]; etwas schnell, flüchtig malen/zeichnen [WH]
Analyse der Bedeutung: Werfen ist üblicherweise eine weniger präzise Tätigkeit als beispielsweise stellen oder legen. Das Moment des wenig präzisen und flüchtigen Tuns zeigt sich in unserer Wendung: Wenn man etwas aufs Papier wirft, schreibt man flüchtig und schnell, um einen Eindruck festzuhalten oder sich Notizen zu machen. Wenn man derart erstellte Notizen später ausformuliert darlegen will, kann man den Gedanken dann in aller Ruhe zu Papier bringen. [WH] - Diastratik: bildungssprachlich [DUW: Papier] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: fr. jeter quelque chose sur le papier [dict.cc] - Querverweise: etwas zu Papier bringen; ins Unreine schreiben/sprechen
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Papier: papieren (sein)
Umschreibung: dem Ausdruck nach der gehobenen, oft geschraubten Schriftsprache zugehören, Natürlichkeit und Lebendigkeit der Sprache vermissen lassen [Rö: Papier]; trocken, unlebendig, steif sein (v.a. bezogen auf den Sprachstil) [DUW: papieren]
Analyse der Bedeutung: Im wörtlichen Sinn sind papierene Dinge aus dem Beschreibstoff Papier gemacht oder ähneln diesem. Im übertragenen Sinn wird jemand als papieren bezeichnet, wenn er einen sehr schriftsprachlichen, umständlichen Stil schreibt oder so spricht bzw. sich durch sein Verhalten als schriftnaher (und darin häufig impliziert: etwas realitätsfremder) Mensch zu erkennen gibt. [WH] - Interlingual Kompatibles: engl. wooden [dict.cc]
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Papier: jemanden papierln; sich (nicht) papierln lassen
Umschreibung: jemanden veralbern, hintergehen, übertölpeln [Kü: papierln]; jemanden zum besten haben, hänseln [Gr: papierlen, papiereln] bzw. sich von jemandem (nicht) veralbern, hintergehen, übertölpeln, hänseln lassen [WH]
Analyse der Bedeutung: Die Redewendung bezieht sich auf die spotthafte Zuschreibung wertvoller Eigenschaften an eine Person, die diese nicht hat. Die derart zugeschriebenen Vorzüge existieren also nur in der Welt der Schriftlichkeit und entsprechen nicht dem tatsächlichen Wesen der Person [vgl. Kü: papierln]. Da dies die entsprechende Person auch weiß, fühlt sie sich veralbert oder übertölpelt. [WH] - Entstehungszeit: 1800ff. [Kü: papierln] - Diatopik: bair.-österr. [Kü: papierln] - Diastratik: ugs. [WH] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Figuriertheit: scherzhaft
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Papier: seine Papiere bekommen
Umschreibung:
- entlassen werden [Fr: Papier; Rö: Papier; DUW: Papier]
- gültige Personaldokumente/Urkunden/... erhalten [WH]
Analyse der Bedeutung: Der Plural Papiere bezeichnet 'amtlich beglaubigte Dokumente, die der Legitimation dienen' [WDG: Papier], also schriftlich festgelegte Rechtsansprüche, Identitätsnachweise o.Ä. Dabei erfolgt eine Übertragung vom Beschreibstoff auf die Funktion der Schriftstücke. Wenn man seine Papiere bekommt, erhält man entweder Reisedokumente, welche die Identität bescheinigen oder die rechtsgültige Entlassung. [WH] - Diastratik: ugs. [WDG: Papier] - Semantische Prozesse: phraseologisiert
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Papier: Papierkrieg
Umschreibung: übermäßiger, lange dauernder (als überflüssig empfundener) Schriftverkehr mit Behörden [DUW: Papierkrieg]; viele Formulare, Gesuche, Verfügungen; bürokratische Maßnahmen, die unsinnig, langwierig und zwecklos erscheinen [Rö: Papier]; bürokratischer aufwendiger Briefwechsel in dienstlichen Angelegenheiten [WDG: Papierkrieg]
Analyse der Bedeutung: Krieg ist ein 'mit Waffengewalt ausgetragener Konflikt zwischen Staaten' und erstreckt sich über einen längeren Zeitraum [DUW: Krieg]. Wenn man einen Papierkrieg führt, so steht man in einer langwierigen schriftlichen Auseinandersetzung, die in den meisten Fällen mit öffentlichen Stellen ausgetragen wird. Die Auseinandersetzung mit der Behörde wird also als Krieg aufgefasst. Küpper spricht gar von einem unblutigen Krieg, dessen Opfer das Individuum sei [vgl. Kü: Papierkrieg]. Das Papier bezieht sich in der Wendung auf die vielen Formulare u.Ä., die für die Erledigung einer bestimmten bürokratischen Formalität auszufüllen sind, wenngleich die Angelegenheit vermutlich auch einfacher zu erledigen wäre. - Entstehungszeit: 1900ff. [Kü: Papierkrieg] - Diastratik: ugs. [DUW: Papierkrieg] - Semantische Prozesse: pejorativ [DUW: Papierkrieg] - Figuriertheit: Hyperbel - Interlingual Kompatibles: engl. paper-warfare [dict.cc]; ita. lotta burocratica [leo.org] - Querverweise: Vgl. Hofmeister 2003: Papierkrieg
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Papier: Papiertiger
Umschreibung:
- nur dem Schein nach starke, gefährliche Person, Sache oder Macht [DUW: Papiertiger]; nur scheinbar wirkungsvolle Behauptung, Bluff [Kü: Papiertiger]
- Maßnahme, die sich in der praktischen Auswirkung als fruchtlos erweist [Kü: Papiertiger]
Analyse der Bedeutung: Der Begriff Papiertiger ist eine Lehnprägung aus dem Chinesischen, die über das Englische Eingang ins Deutsche gefunden hat [DUW: Papiertiger]. Die Wendung verweist auf eine Person oder Institution, die nur auf dem Papier gewisse Dinge ausrichten kann, deren Verwirklichung dieser Person oder Institution aber nicht möglich ist. In ähnlicher Weise werden auch fruchtlose Maßnahmen bezeichnet, die sich in der Praxis nicht so umsetzen lassen, wie es die theoretische (schriftliche) Ausarbeitung auf dem Papier vorgesehen hat. [WH] - Realienkundliches: Der Begriff wurde von der Kommunistischen Partei Chinas zur Bezeichnung der USA geprägt und wird in seiner übertragenen Form auf alle Personen, Institutionen oder Mächte angewandt, die sich den Anschein von Stärke und Gefährlichkeit (zu Unrecht) geben [vgl. Wiki: Papiertiger]. - Entstehungszeit: 1950ff. [Kü: Papiertiger] - Semantische Prozesse: pejorativ - Figuriertheit: scherzhaft - Interlingual Kompatibles: engl. paper tiger [DUW: Papiertiger]; nor. papirtiger [dict.cc]; fr. tigre de papier [leo.org]; ita. tigre di carta [dict.cc]; spa. tigre de papel [leo.org]; chin. zhilaohu [DUW: Papiertiger] - Querverweise: (etwas steht/existiert/...) nur auf dem Papier
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