schreiben
schreiben: jemanden/etwas abschreiben/abgeschrieben haben
Umschreibung: aufgeben, verloren geben; mit etwas nicht mehr rechnen [DUW: abschreiben] bzw. in der Partizip-Form: aufgegeben werden, verloren gegeben werden [DUW: abschreiben]; mit etwas nicht mehr rechnen können, etwas als verloren ansehen [Fr: abschreiben]
Analyse der Bedeutung: Bereits in mhd. Zeit bezieht sich abescriben nicht nur auf das Kopieren, sondern auch auf Streichungen in einem Schriftstück [Pf: abschreiben]. Wenn man an ausstehende Schulden denkt, die nicht mehr einzubringen waren, so mussten diese aus Geschäftsbüchern o.Ä. gestrichen werden. In übertragener Weise rechnet man mit jemandem/etwas nicht mehr, wenn man diesen/dieses abschreibt, ähnlich wie man mit der Bezahlung der Schulden nicht mehr rechnen konnte. [WH] - Entstehungszeit: 15. Jh. [Pf: schreiben] - Diastratik: ugs. [DUW: abschreiben] - Interlingual Kompatibles: engl. to write something off [dict.cc] - Querverweise: etwas in den Schornstein/Kamin schreiben; etwas in den Mond schreiben; etwas in den Wind schreiben
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schreiben: (bei jemandem) gut/schlecht angeschrieben sein
Umschreibung: bei jemandem viel/wenig gelten [Rö: angeschrieben]; bei jemandem in gutem/schlechtem Ansehen stehen und dadurch leichter/schwerer etwas erreichen können [DUW: anschreiben]
Analyse der Bedeutung: Die Redensart bezieht sich auf die Bibel: An mehreren Stellen (u.a. Exodus und mehrfach in der Offenbarung) wird ein "Buch des Lebens" erwähnt, in welches Gott die Gerechten anschreibt und aus dem er die Sünder tilgt. Wer also im übertragenen Sinn gut angeschrieben ist, gilt bei jemandem viel, da er in dieser Vorstellung im "Buch des Lebens" einen Platz hat. Eine spätere Deutung bezieht die Redewendung auf den Lehrer, der die Leistungen seiner Schüler im Klassenbuch anschreibt [Rö: anschreiben]. - Entstehungszeit: 18. Jh. [Kü: angeschrieben sein] - Diastratik: ugs. [DUW: anschreiben] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. to stand well in a person's books [Rö: angeschrieben]; nl. goed/slecht aangeschreven staan [Rö: angeschrieben]; fr. être bien/mal noté [Rö: ange-schrieben] - Querverweise: (über etwas) Buch führen; zu Buche schlagen
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schreiben: etwas ist einer Sache/jemandem eingeschrieben
Umschreibung: einer Sache bzw. jemandem innewohnend sein [WH]
Analyse der Bedeutung: In dieser Redewendung zeigt sich die Verbindung von Schrift und Körper: Wenn einer Sache oder jemandem etwas eingeschrieben ist, so ist es im übertragenen Sinn als Teil dieser Sache oder Person deutlich erkennbar. Auch Außenstehende können es leicht sehen, genauso wie sie Schrift auf einem Blatt Papier lesen könnten. [WH] - Querverweise: etwas steht jemandem auf die Stirn geschrieben; etwas steht jemandem ins Gesicht geschrieben
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schreiben: sich etwas auf die Fahnen/Fahne schreiben
Umschreibung: sich etwas zum Ziel setzen, als Programm verkünden und für dessen Verwirklichung kämpfen [DUW: Fahne]; etwas als Ziel proklamieren [Fr: Fahne]
Analyse der Bedeutung: In Fahnen waren früher häufig Inschriften eingestickt [DUR: Fahne]. Man kann davon ausgehen, dass diese Inschriften nicht nur der Identifikation, sondern auch der Verkündung eines Programms gedient haben. Wenn man sich also etwas auf die Fahnen schreibt, gibt man für alle sichtbar zu erkennen, wofür man eintritt. [WH] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: nl. iets in zijn vaandel schrijven [dict.cc] - Querverweise: Vgl. Hofmeister 2003: Fahne(n); sich etwas auf sein Panier schreiben
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schreiben: sich die Finger wund schreiben
Umschreibung: vieles geschrieben haben, teilweise ohne Erfolg [DUW: Finger]; sehr viel, bis zum Überdruss schreiben [DUR: Finger]; sehr fleißig schreiben bzw. arbeiten [Rö: Finger]
Analyse der Bedeutung: Wenn man sich die Finger wund schreibt, hat man so viel geschrieben, dass die Hand davon in Mitleidenschaft gezogen wurde. Häufig ist dabei konnotiert, dass das Geschriebene eventuell ohne Erfolg erstellt wurde und daher viele weitere Schriftstücke von Nöten waren, um ein bestimmtes Ziel, z.B. beim Verfassen eines Gesuchs, zu erreichen [vgl. DUW: Finger]. - Diastratik: ugs. [DUR: Finger] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Figuriertheit: Hyperbel - Interlingual Kompatibles: ita. consumarsi le dita a furia di scrivere [leo.org]
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schreiben: etwas ins Gedächtnis schreiben
Umschreibung: sich eine Sache merken; eine Sache der Erinnerung übergeben [WH]
Analyse der Bedeutung: In dieser Redewendung wird das Gedächtnis an die Stelle eines Beschreibstoffes gesetzt. Wenn sich etwas ins Gedächtnis schreibt, kann man es sich besonders gut merken. Das zu Merkende soll nicht leicht aus dem Gedächtnis wieder entfernt werden können, ebenso wie es einen gewissen Aufwand erfordert, Schrift von beschriebenem Papier zu löschen. Eine zusätzliche Deutungsvariante kann die Vorstellung des Gehirns als tabula rasa darstellen, die erst durch das Lernen mit Inhalten befüllt wird (vgl. dazu den Beleg ein/kein unbeschriebenes Blatt). [WH] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Querverweise: etwas ins Gehirn meißeln; jemandem/sich etwas hinter die Ohren schreiben; jemandem etwas ins Stammbuch schreiben
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schreiben: Geschichte schreiben
Umschreibung: für die Entwicklung der Menschheit etwas Entscheidendes leisten oder bedeuten [DUW: Geschichte]; als Politiker, Wissenschaftler oder Forscher maßgeblich Veränderungen herbeiführen, positive Entwicklungen einleiten, neue wesentliche Erkenntnisse beibringen [Rö: Geschichte]
Analyse der Bedeutung: Die Redewendung geht von der Vorstellung eines Buchs der Geschichte aus, in dem alle Taten und Ereignisse der Menschheitsgeschichte versammelt sind. Wenn jemand oder etwas Geschichte schreibt, so empfindet man es als derart spektakulär, dass dies in einem Absatz des metaphorischen Buchs der Geschichte festgehalten werden sollte. - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. to make history [dict.cc]; swe. att skriva historia [dict.cc]; spa. hacer historia [leo.org] - Querverweise: Buch der Geschichte; in die Annalen eingehen
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schreiben: etwas steht jemandem ins Gesicht geschrieben
Umschreibung: etwas ist als Gefühlsregung o.Ä. am Gesichtsausdruck deutlich erkennbar [DUW: Gesicht]; etwas ist in jemandes Gesichtszügen deutlich erkennbar [DUR: Gesicht]
Analyse der Bedeutung: In dieser Redwendung wird das Gesicht als Beschreibstoff gesehen, der die Gefühle eines Menschen trägt. Der Mensch wird als Buch wahrgenommen, auf dessen Gesicht im übertragenen Sinn seine Gefühlsregungen so gut gelesen werden können, wie Schrift in einem offenen Buch. [WH] - Realienkundliches: Die Physiognomik geht davon aus, dass man aus dem Gesicht des Menschen Rückschlüsse auf seinen Charakter ziehen könne. In der Antike hatte sie eher hermetischen Charakter, wurde von Galen allerdings als Möglichkeit der Temperamentenbestimmung angesehen. Eine populärwissenschaftliche Blüte erlebte sie im Zeitalter der Aufklärung mit den "Physiognomischen Fragmenten" des Johann Caspar Lavater. Dessen Ideen werden im 19. Jh. zur Phrenologie (Schädelkunde) ausgebaut, die im 20. Jh. von den Nationalsozialisten als pseudowissenschaftliche Untermauerung ihres Ausrottungsprogramms verwendet wurde. [Wiki: Physiognomik]. - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. to be writ large in somebody's face [dict.cc]; isl. að mega lesa það af svip hans [dict.cc] - Querverweise: etwas steht jemandem auf die Stirn geschrieben; etwas ist einer Sache/jemandem eingeschrieben; jemanden wie ein offenes Buch lesen
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schreiben: wie gestochen/gedruckt (schreiben)
Umschreibung: eine saubere und regelmäßige Schrift schreiben, die man für den Druck in eine Kupferplatte schneiden könnte [Rö: schreiben]; äußerst sorgfältig und genau schreiben [DUW: gestochen]; sehr regelmäßig und schön schreiben [Fr: stechen]
Analyse der Bedeutung: Wenn man wie gestochen oder gedruckt schreibt, so ist man in der Lage, so regelmäßig und schön zu schreiben, dass man die Schrift für den Druck in eine Kupferplatte stechen könnte [Rö: schreiben]. Im übertragenen Sinn schreibt man also eine Handschrift, die so schön und leserlich ist, dass man sie sofort für ein breiteres Publikum vervielfältigen könnte. [WH] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Figuriertheit: Vergleich - Interlingual Kompatibles: engl. to write in a neat hand [dict.cc]
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schreiben: etwas groß schreiben
Umschreibung: eine Sache als wichtig erachten, ihr eine wichtige Rolle zuweisen [vgl. DUW: groß]; etwas sehr wichtig nehmen [Fr: groß]
Analyse der Bedeutung: Um die Wichtigkeit eines Wortes bzw. des von ihm bezeichneten Gegenstandes zu kennzeichnen, wird u.a. die Großschreibung aller Buchstaben des Wortes verwendet. Ein klassisches Beispiel dafür ist das Wort GOTT. Wenn man eine Sache also für sehr wichtig erachtet und entsprechend hervorheben will, schreibt man sie im übertragenen Sinne groß, damit alle die Wichtigkeit der Sache erkennen; dabei wird allerdings nicht tatsächlich geschrieben, das Schreiben findet in der Imagination statt. [WH] - Diastratik: ugs. [DUR: groß] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: spa. escribir algo con mayúscula [leo.org]
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schreiben: etwas in den Mond schreiben
Umschreibung: etwas als verloren betrachten [DUW: Mond]; etwas als unerreichbar aufgeben [Kü: Mond]; etwas als hoffnungslos aufgeben, verloren geben [Fr: Mond]
Analyse der Bedeutung: Der Mond ist in der Wahrnehmung des Menschen sehr weit von der Erde entfernt. In den Mond kann man nichts schreiben, da er zu weit weg ist. Er ist ebenso unerreichbar wie die Sache, die man in ihm schriftlich niederlegen soll; man muss dieses Unterfangen daher – genau wie die Sache – als unerreichbar aufgeben. [WH] - Entstehungszeit: 1950ff. [Kü: Mond] - Diastratik: ugs. [DUW: Mond] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Querverweise: etwas in den Wind schreiben; etwas in den Schornstein/Kamin schreiben; jemanden/etwas abschreiben; jemanden/etwas abgeschrieben haben
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schreiben: jemandem/sich etwas hinter die Ohren schreiben
Umschreibung: sich etwas gut merken [DUW: Ohr]; sich etwas nachdrücklich merken [Fr: Ohren] bzw. jemandem etwas hinter die Ohren schreiben: jemanden belehren, so dass sich derjenige die Belehrung gut merkt [WH]
Analyse der Bedeutung: Die Redewendung bezieht sich vermutlich auf den alten Rechtsbrauch bei Grenzverlegungen (im bäuerlichen Bereich) kleine Kinder als Zeugen mitzunehmen und sie an den Ohren zu ziehen bzw. zu ohrfeigen, damit sie sich der Bedeutung des Aktes bewusst sind und sich noch lange daran erinnern [DUR: Ohr]. Dieser Rechtsbrauch ist bereits im 7./8. Jh. im alemannischen Volksrecht belegt und soll bis ins 18. Jh. in Bayern, bis ins 19. Jh. in Schwaben ausgeübt worden sein [vgl. Rö: Ohr]. Der Brauch zeigt Relikte einer semioralen Gesellschaft, die Rechtsgeschäfte lieber über menschliche Zeugen abwickelt, als über Schriftstücke, wobei die Zeugen analog zu schriftlichen Verträgen die Erinnerung an das Ereignis bewahren sollten. Eine andere Erklärung der Redewendung stammt von Christian Thomasius, der 1690 meinte, dass die Redewendung daher stamme, dass Menschen, die man hinter den Ohren zur Ader ließ, unfruchtbar wurden und sich daher lebenslänglich an dieses Ereignis erinnern könnten [vgl. Rö: Ohr]. Küpper hingegen vermutet, dass die Wendung aus dem Schreibunterricht stammt, bei dem trägen oder unbegabten Schülern Ohrfeigen gegeben wurden, bis diese richtig schreiben lernten [vgl. Kü: Ohr]. - Entstehungszeit: 1600ff. [Kü: Ohr] - Diastratik: ugs. [DUW: Ohr] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Figuriertheit: scherzhaft- Interlingual Kompatibles: nor. å skrive seg noe bak øret [dict.cc]; ita. attaccarsi qualcosa all'orecchio [leo.org] - Querverweise: sich etwas ins Gedächtnis schreiben; jemandem etwas ins Stammbuch schreiben; etwas ins Gehirn meißeln
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schreiben: etwas auf sein Panier schreiben
Umschreibung: ein Ziel unbeirrt verfolgen, gemäß dem Wahlspruch oder Motto, dem man sich verpflichtet hat [Rö: Panier]; etwas als Ziel oder Programm haben [WDG: Panier]
Analyse der Bedeutung: Unter einem Panier (frz. bannière) versteht man ein Banner oder Feldzeichen bzw. einen Wahlspruch oder eine Parole. Wenn man etwas auf sein Panier schreibt, so wird das Wort in seiner (heute wenig geläufigen) ersten Bedeutung gebraucht [vgl. DUW: Panier-1]. Ähnlich dem Programm, das man sich auf die Fahnen/Fahne schreibt wird auch etwas, das man im übertragenen Sinn auf sein Panier schreibt, als Ziel sichtbar gemacht und verfolgt. [WH] - Realienkundliches: Im Mittelalter wurden auf das Panier (frz. bannière) Zeichen aufgesetzt, die verbildlichen sollten wofür man kämpft. Die Kreuzritter hatten auf ihrem Panier beispielsweise das Kreuz [Rö: Panier]. - Diastratik: bildungssprachlich [DUW: Panier-1] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Querverweise: Vgl. Hofmeister 2003: Panier; sich etwas auf die Fahnen/Fahne schreiben
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schreiben: jemandem/sich etwas verschreiben
Umschreibung: jemandem etwas verordnen [vgl. DUW: verschreiben]; für jemanden etwas festlegen, anordnen [WDG: verschreiben]
Analyse der Bedeutung: Verschreiben bedeutet im Mittelhochdeutschen '(auf)schreiben, verzeichnen, schriftlich festsetzen' [Pf: verschreiben]. In dieser Wendung meint verschreiben eigentlich die schriftliche Verordnung einer Arznei durch den Arzt an den Patienten [vgl. DUW: verschreiben; WDG: verschreiben]. Im übertragenen Sinn können jedoch Handlungen empfohlen werden, die nicht schriftlich vom Arzt auf einem Rezept festgehalten werden, so z.B. das Nachdenken (siehe aktuellen Beleg). Das motivierende Moment dürfte die zu erwartende Besserung der Situation sein, die sowohl für schriftlich verordnete Medikamente als auch für im übertragenen Sinn verschriebene Handlungen gilt. [WH] - Entstehungszeit: 17. Jh. [Pf: verschreiben] - Querverweise: sich einer Sache verschreiben
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schreiben: sich einer Sache verschreiben
Umschreibung: sich an eine Sache hingeben, sich ihr widmen [WDG: verschreiben]; sich einer Sache ganz, mit Leidenschaft widmen [DUW: verschreiben]
Analyse der Bedeutung: Das Verschreiben bedeutete ursprünglich 'aufschreiben, schriftlich festsetzen, zuerkennen' einer Sache [vgl. Pf: verschreiben]. Das schriftliche Festlegen konnte im Sinne einer schriftlichen Verpflichtung gemeint sein [vgl. Gr: verschreiben]. Daraus könnte die übertragene Bedeutung entstanden sein: Man verpflichtet sich einer Sache, wenngleich nicht mehr schriftlich, und gibt sich ihr hin. Im Sinn der Hingabe ist wohl auch die Bedeutung des sich Verschreibens an eine böse Macht (z.B. den Teufel) zu sehen, die unter Einfluss des lat. proscribere v.a. in der älteren Sprache anzutreffen ist [vgl. Gr: verschreiben].
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schreiben: sage und schreibe
Umschreibung: ohne Übertreibung gesagt, ungelogen [DUR: sagen]; tatsächlich, wahrhaftig, obwohl es kaum zu glauben/zu fassen ist [DUW: sagen]; ganz bestimmt, ob du es glaubst oder nicht [Fr: sagen]
Analyse der Bedeutung: Die Wendung sage und schreibe betont die Glaubwürdigkeit einer Aussage. Sie könnte aus einer Rechtsformel stammen, die Vetragspartner aufforderte, ihre Abmachung mündlich und schriftlich zu bekräftigen [Rö: sagen]. Die Schrift dient hier im übertragenen Sinn der Beglaubigung eines schwer zu glaubenden Sachverhalts. [WH] - Diastratik: ugs. [DUR: sagen] - Semantische Prozesse: phraseologisiert; Zwillingsformel [Hof, Nr. 933] - Figuriertheit: Alliteration
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schreiben: etwas in den Schornstein/Kamin schreiben
Umschreibung: etwas verloren geben; eine unsichere Forderung der Vergessenheit anheimgeben [Rö: Schornstein]; eine Geldsumme oder Schuld als verloren ansehen [Fr: Schornstein]
Analyse der Bedeutung: Schrift wird im Kamin durch Ruß und Rauch bald unleserlich [DUR: Schornstein]. Gleichermaßen soll die Erinnerung an etwas, das man verloren geben muss (z.B. ausstehende Kredite), ausgelöscht werden [vgl. Rö: Schornstein]. Das Geld ist zuletzt genauso wenig zu sehen, wie die in den Kamin geschriebene Schrift. [WH] - Entstehungszeit: 18. Jh. [Kü: Schornstein]; 19. Jh. [Rö: Kamin] - Diastratik: ugs. [WDG: Schornstein] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Querverweise: etwas in den Wind schreiben; etwas in den Mond schreiben; jemanden/etwas abschreiben; jemanden/etwas abgeschrieben haben
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schreiben: Schreibtischtäter
Umschreibung:
- nicht direkt als Ausführender Straftaten begehen, aber durch die berufliche Stellung als Berater, Planer, Beamter, Publizist usw. indirekt zu Verbrechen oder kriminellem Verhalten beitragen [Rö: Schreibtischtäter]; jemand, der von verantwortlicher Position aus ein Verbrechen o.Ä. vorbereitet, veranlasst, von anderen ausführen lässt [DUW: Schreibtischtäter]
- Bürokrat [Kü: Schreibtischtäter]
- Journalist, der Meldungen manipuliert [Kü: Schreibtischtäter]
Analyse der Bedeutung: In dieser Wendung steht der Schreibtisch für den Arbeitsplatz eines Machthabers oder Entscheidungsträgers, der von eben diesem Arbeitsplatz aus Straftaten (schriftlich) anordnet, an deren Ausführung jedoch nicht unmittelbar beteiligt ist. Aus dieser Bedeutung leitet sich ab ca. 1970 in der Umgangssprache der pejorative Gebrauch des Wortes für Bürokraten und manipulative Journalisten ab [vgl. Kü: Schreibtischtäter]. - Realienkundliches: Der Begriff des Schreibtischtäters kam bei der Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen in Gebrauch. Heute wird er auch scherzhaft-ironisch gebraucht, um auf den fehlenden Praxisbezug von Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik hinzuweisen. [Rö: Schreibtischtäter]. - Entstehungszeit: 2. Hälfte 20. Jh. [Rö: Schreibtischtäter] - Semantische Prozesse: pejorativ - Interlingual Kompatibles: engl. desk criminal [dict.cc]
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schreiben: jemandem etwas schriftlich geben (können)
Umschreibung: jemandem mitteilen, dass er einer Sache absolut sicher sein kann, sich darauf verlassen kann [vgl. DUW: schriftlich]
Analyse der Bedeutung: Mit der Verschriftlichung des Rechtswesens im hohen und späten Mittelalter wurden Urkunden, Briefe und andere schriftliche Belege zu Garanten für die Einhaltung bestimmter Abmachungen. Das schriftliche Festhalten der Sache ermöglicht die Überprüfung und eventuelle Einforderung der Abmachung. Wenn man jemandem versichern möchte, dass er sich auf eine Sache verlassen kann, so kann man ihm den Sachverhalt im übertragenen Sinn schriftlich geben. Er soll dann als gleich bindend angesehen werden, wie eine schriftliche Vereinbarung.[WH] - Entstehungszeit: 19. Jh. [Kü: schriftlich] - Diastratik: ugs. [DUR: schriftlich] - Semantische Prozesse: phraseologisiert
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schreiben: sich etwas von der Seele schreiben
Umschreibung: über etwas, das einen bedrückt, schreiben und sich dadurch Erleichterung verschaffen [DUR: Seele]
Analyse der Bedeutung: Die Seele steht hier für die Psyche eines Menschen, die durch eine Sache bedrückt wird. Um sich davon zu lösen, kann man sich das Problem im übertragenen Sinn von der Seele schreiben, indem man seine Sorgen schriftlich darlegt und so versucht, seine innere Ruhe wieder zu erlangen. [WH] - Diastratik: ugs. [DUR: Seele] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: ita. sfogarsi scrivendo qualcosa [leo.org]
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schreiben: etwas steht in den Sternen (geschrieben)
Umschreibung:
- etwas ist noch ganz ungewiss, lässt sich noch nicht voraussagen [DUW: Stern-2]
- etwas ist vorherbestimmt [WH]
Analyse der Bedeutung: Der Volksglaube geht davon aus, dass man aus den Sternen die Zukunft ablesen kann [DUR: Stern]. Wenn etwas also in den Sternen geschrieben steht, so ist es dort (für diejenigen, die der Sternlesekunst mächtig sind) möglich, etwas über die Zukunft, also über etwas Ungewisses herauszufinden. Diese Bedeutung findet sich häufiger in älteren Belegen. In neueren Belegen wird im übertragenen Sinn darauf hingewiesen, dass es für das Sternelesen speziellen Personals bedarf, denn auch Dinge, die sich nicht vorhersagen lassen, werden als in den Sternen geschrieben bezeichnet, weil eben nicht jeder die Zukunft derart entschlüsseln kann. [WH] - Realienkundliches: Die Vorstellung vom Sternenhimmel als göttliche Schrift, in der die Schicksale des Menschen verzeichnet sind, geht vermutlich bereits auf die babylonische Astrologie zurück, da die Sterne schon dort als "Himmelsschrift" bezeichnet werden [vgl. Tiemann 2006, 27895]. - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. to be written in the stars [leo.org]; fr. être inscrit dans les astres [Rö: Stern]
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schreiben: etwas steht jemandem auf die Stirn geschrieben
Umschreibung: etwas ist deutlich an jemandes Gesichtsausdruck erkennbar, ist jemandem sogleich anzumerken [DUW: Stirn]; eine Lüge, Untat usw. wird an einem Menschen sichtbar [Fr: Stirn]
Analyse der Bedeutung: Die Stirn wird hier als Teil des Gesichts herausgegriffen, auf dem eine Gemütsregung erkannt werden kann. Die Redewendung fasst den Menschen als Beschreibstoff auf, dessen Stirn Gefühlsregungen so gut sichtbar und verstehbar macht, als sei die Gefühlsregung deutlich darauf geschrieben. [WH] Ein Zusammenhang mit dem Kainszeichen, das auf der Stirn zu sehen ist, ist möglich, aber nicht beweisbar [vgl. Rö: Stirn]. - Entstehungszeit: 15. Jh. [Rö: Stirn] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Querverweise: etwas steht jemandem ins Gesicht geschrieben; etwas ist einer Sache/jemandem eingeschrieben
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schreiben: etwas ins Unreine schreiben/sprechen
Umschreibung: etwas in vorläufiger, noch nicht ausgearbeiteter Form niederschreiben [DUW: unrein]; einen Entwurf, ein Konzept anfertigen [Rö: schreiben]; etwas (schriftlich) entwerfen bzw. nicht exakt, sondern vorläufig formulieren [DUR: unrein]
Analyse der Bedeutung: Im Gegensatz zur (fertigen) Reinschrift steht das Schreiben ins Unreine, das ein Festhalten von Gedanken, Notizen, etc. in Entwurfs- bzw. Konzeptform meint. Der derart entstehende Text ist nicht rein, da er z.B. Streichungen, Flüchtigkeitsfehler in der Orthographie o.Ä. enthalten kann. Bevor man einen solchen Text also zur weiteren Verwendung aus der Hand gibt, muss er ins Reine geschrieben werden [vgl. DUW: unrein]. Das ins Unreine sprechen meint daran anschließend seit ca. 1900 scherzhaft den Vortrag eines noch nicht durchdachten Gedankengangs, ein zwangloses Sprechen [vgl. Kü: Unreines]. - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. (written) in rough [dict.cc] - Querverweise: etwas ins Reine schreiben; etwas aufs Papier werfen
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schreiben: etwas unterschreiben können
Umschreibung: etwas bestätigen, bekräftigen [DUR: unterschreiben]; etwas gutheißen [DUW: unterschreiben]; einer Sache zustimmen können [WH]
Analyse der Bedeutung: Mit einer Unterschrift bestätigt man den Inhalts eines Schriftstücks und erklärt sein Einverständnis mit dessen Inhalt [vgl. DUW: unterschreiben]. Wenn man etwas im übertragenen Sinn unterschreiben kann, so erklärt man sich mit einer bestimmten Sache/Meinung etc. einverstanden und bringt damit seine Unterstützung zum Ausdruck. [WH] - Diastratik: ugs. [DUR: unterschreiben] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Interlingual Kompatibles: engl. to be able to subscribe to something [dict.cc]; isl. að geta heils hugar undir eitthvað [dict.cc]
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schreiben: etwas in den Wind schreiben
Umschreibung: etwas als verloren ansehen [DUR: Wind]; mit Rückerhalt des verliehenen Geldes oder Gegenstandes nicht länger rechnen [Kü: Wind]; von einer Sache Abstand nehmen [Kü: Wind]
Analyse der Bedeutung: Der Wind wird in dieser Redewendung als etwas nicht Fassbares, das nicht von Dauer ist angesehen. Er steht als Bild für Leere, Vergeblichkeit und Verlust [vgl. DUR: Wind]. Wenn man also etwas in den Wind schreiben muss, so ist es verloren und muss aufgegeben werden. [WH] - Entstehungszeit: Küpper datiert auf 1920ff. [Kü: Wind], allerdings sind frühere Belege zu finden (siehe histor. Belege) - Diastratik: ugs. [WDG: schreiben] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Querverweise: etwas in den Mond schreiben; etwas in den Schornstein/Kamin schreiben; jemanden/etwas abschreiben; jemanden/etwas abgeschrieben haben
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schreiben: jemandem etwas zuschreiben
Umschreibung:
- jemanden/etwas für den Urheber, die Ursache von etwas halten [DUW: zuschreiben]
- der Meinung sein, dass einer Person, Sache etwas Bestimmtes zukommt, eigentümlich ist [DUW: zuschreiben]
Analyse der Bedeutung: In ahd. Zeit verstand man unter zuschreiben das 'schriftliche Hinzu- oder Anfügen' [vgl. Pf: zuschreiben]. Im Laufe der Zeit wurde der Ursprung in der Schriftsprache weniger präsent, eine Zwischenstufe stellt das Zueignen eines Werks dar [vgl. Gr: zuschreiben]. Noch im Schriftbereich steht das frühneuzeitliche Schreiben einer Anrede bzw. eines Titels an eine Person, wodurch diese Ansehen und Würde erhält [vgl. Gr: zuschreiben]. Daraus entwickelt sich die gegenwartssprachliche Bedeutung, wobei die Vorstellung des Schreibens zurücktritt: Man bringt durch eine Zuschreibung ganz allgemein eine Person in Verbindung mit einer Sache, wobei ihr einerseits die Urheberschaft einer Sache zugewiesen werden kann, andererseits eine bestimmte Eigenschaft, die positiv oder negativ sein kann. [WH] - Entstehungszeit: 1.) 16. Jh. [Pf: zuschreiben] - Interlingual Kompatibles: engl. to ascribe [dict.cc]; nl. iets aan iemand toeschrijven [dict.cc]; swe. att tillskriva någon något; ita. ascrivere qualcosa a qualcuno [dict.cc] - Querverweise: Zuschreibung; sich etwas selbst zuzuschreiben haben
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schreiben: Zuschreibung
Umschreibung:
- jemanden/etwas für den Urheber, die Ursache von etwas halten [DUW: zuschreiben]
- einer Person oder Sache eine Eigenschaft o.Ä. zuweisen [WH], der Meinung sein, dass einer Person, Sache etwas Bestimmtes zukommt, eigentümlich ist [DUW: zuschreiben]
Analyse der Bedeutung: Als Zuschreibung wurde bis ins 17. Jh. die Widmung eines Werkes bezeichnet [vgl. Gr: Zuschreibung]. Danach entwickelte sich das Wort ähnlich dem Verb zuschreiben (siehe dort). Durch eine Zuschreibung bringt man heute - vom Schriftbereich losgelöst - eine Person mit einer Sache in Verbindung, wobei der Person einerseits die Urheberschaft einer Sache zugewiesen werden kann, andererseits eine bestimmte Eigenschaft, die positiv oder negativ sein kann. [WH] - Interlingual Kompatibles: engl. ascription [dict.cc] - Querverweise: jemandem etwas zuschreiben; sich etwas selbst zuzuschreiben haben
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schreiben: sich etwas selbst zuzuschreiben haben
Umschreibung: an etwas selbst die Schuld tragen [DUW: zuschreiben]
Analyse der Bedeutung: In ahd. Zeit verstand man unter zuschreiben das 'schriftliche Hinzu- oder Anfügen' [vgl. Pf: zuschreiben]. Im Laufe der Zeit wurde die Herkunft der Wendung aus dem Schriftbereich weniger deutlich, eine Zwischenstufe stellt das Zueignen eines Werks dar [vgl. Gr: zuschreiben]. Noch im Schriftbereich steht das frühneuzeitliche Schreiben einer Anrede bzw. eines Titels an eine Person, wodurch diese Ansehen und Würde erhält [vgl. Gr: zuschreiben]. Daraus entwickelt sich die gegenwartssprachliche Bedeutung, wobei die Vorstellung des Schreibens zurücktritt: Man bringt durch eine Zuschreibung ganz allgemein eine Person in Verbindung mit einer Sache, im speziellen wird jemandem die Urheberschaft an etwas Bestimmtem zugewiesen [vgl. Gr: zuschreiben]. Wenn sich jemand etwas selbst zuzuschreiben hat, so muss derjenige erkennen, selbst der Urheber einer (negativ konnotierten) Sache zu sein. Damit verbunden muss derjenige auch die Konsequenzen für seine Urheberschaft bzw. die von ihm ausgelösten Ereignisse tragen. [WH] - Entstehungszeit: 16. Jh. [Pf: zuschreiben] - Semantische Prozesse: phraseologisiert - Querverweise: jemandem etwas zuschreiben; Zuschreibung
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