besitzen
besitzen: etw. besitzen
Umschreibung: etw. zu eigen haben, im täglichen Leben gewöhnlich gleichbedeutend mit etw. als Eigentum haben, etw. sein Eigen nennen [DWDS: besitzen]; etw. haben [DUO: besitzen]
Analyse der Bedeutung: Das Verbum ‚besitzen‘ (‚etw. (in Besitz) haben, darüber verfügen können’) lautet im Ahd. bisizzen, im Mhd. besitzen, wo es im transitiven Sinne ‚sich in etw. setzen, belagern, in Besitz nehmen’ und im intransitiven Sinne ‚sitzen, sitzen bleiben, standhalten, besitzen’ bezeichnet. Die weiteren germanischen Formen sind got. bisitan (‚umwohnen’), aengl. besittan und asächs. bisittian. Aus der mhd. transitiven Bedeutung geht die Idee von ‚in Besitz nehmen, haben‘ hervor. [Vgl. WPE: besitzen].
Die bildhafte Wendung etw. besitzen führt hinsichtlich ihres Ursprungs auf die Rechtsgepflogenheit im Rahmen des Grundstückserwerbes zurück. Als Alternative zu urkundlichen Bestätigungen musste die das Grundstück erwerbende Person drei Tage auf einem dreibeinigen Stuhl, der auf der betreffenden liegenden Habe platziert war, sitzen, um symbolisch den Übergang des Besitzes, der mit neuen Rechten verbunden war, für jedermann sichtbar und damit gültig zu machen. [Vgl. Wagner 2015, S. 41; vgl. DWB1: besitzen]. Die Verwendung des dreibeinigen Stuhles führt Wagner auf die dadurch garantierte Stabilität beim Sitzen zurück, während Jacob Grimm in seinen Rechtsalterthümern vermerkt, dass die Fläche, worauf ein dreibeiniger Stuhl passt, den kleinstmöglichen Guts-/Grundeigentumsbesitz darstellt. Zusätzlich dazu findet ein dreibeiniger Stuhl in unterschiedlichen symbolischen Rechtshandlungen Gebrauch. [Vgl. Wagner 2015, S. 41; vgl. GRA I, S. 258–260].
Der metaphorische Beleg etw. besitzen ist an den symbolischen Rechtsakt des wortwörtlichen Besitzens der liegenden Habe geknüpft, wobei die Bildhaftigkeit aus heutiger Perspektive weniger präsent oder auf den ersten Blick sogar verblasst zu sein scheint. Der historische Usus des Sitzens auf einem dreibeinigen Stuhl führt zur Integration des Grundstückes in den persönlichen Besitz und motiviert darüber hinaus als Bildspender die übertragene Bedeutung von ‚etw. zu seinem Eigentum zählen‘. [GG] -
Realienkundliches: Einem der Belege, die Jacob Grimm in seinen Rechtsalterthümern zur Bedeutung des dreibeinigen Stuhles als Rechtssymbol anführt, ist zu entnehmen, dass bei Besitzübergabe durch Erbe die betreffende Person auf dem Grundstück dreimal auf einen dreibeinigen Stuhl umgeben vom Richter und anderen Gerichtspersönlichkeiten gesetzt wird:
ſo ſal der richter mit den ſcheffin unde gerichtis knechten ufftehin unde das gerichte nicht ufgebin ſundern mit dem cleger gehin in die huſunge adir uf das erbgut unde mit ſich nemen einin ſtul mit dri beinen. da ſal he den cleiger uf dem erbe uf ſetzin, eins, zwi, zum dritten mal. (Frankenberger ſtat. (a. 1493) bei Schminke 2, 741). [GRA I, S. 259f.]
Einem Eintrag in den Rechtsquellen des Kantons Aargau des Jahres 1424 zufolge dauert die Inbesitznahme eines Grundstückes drei Jahre, unter der Bedingung, dass niemand anderes eine Beschwerde einreicht oder dies anfechtet:
Wer ouch gůt koufft oder in von erbſchaft anuallet, wa er das hat driuw jar in gewalt vnd in gewer vnangeſprochen von den liuten, die in dem land ſind oder by im wonhaft ſind, der hat es beſaͤſſen nach recht des hofs; woͤlt aber si jemand darivber noͤten oder beſchweren, welchen waͤg das beſchehe, das ſoͤllent inen die vorgenanten Truchſaͤſſen vor ſin vnd beholffen mit aller macht vnd nach recht des hofs. [Merz 1923, S. 661]
Semantische Prozesse: alltagssprachlich besonders hochfrequent; verblasster rechtshistorischer Bereich - Interlingual Kompatibles: dän.: besidde [PONS]; engl.: to possess sth [PONS]; frz.: posséder [PONS]; ital.: possedere [PONS]; kroat.: posjedovati [PONS]; nl.: bezitten [PONS]; poln.: posiadać [PONS]; port.: possuir [PONS]; schwed.: besitta [PONS]; serb.: posedovati [PONS]; slowen.: posedovati [PONS]; span.: poseer [PONS] - Querverweis: ↑etw. in Besitz nehmen
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