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Blutsbrüderschaft

Blutsbrüderschaft: Blutsbrüderschaft (schließen, begehen, machen…)

Umschreibung: sehr enge Freundschaft [eWDG: Blutsbrüderschaft]; die engste Freundschaft mit jmdm. eingehen [GG]

Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie von ‚Blut‘ vgl. den Eintrag ↑(für etw.) bluten (müssen).
Durch seine besiegelnde Funktion bei Eiden, Gelübden oder Bündnissen kam dem Blut eine besonders starke symbolische Bedeutung zu. Der metaphorische Ausdruck Blutsbrüderschaft, wie er in unterschiedlichen Wendungen kombiniert vorkommen kann, führt auf einen alten Ritus zurück, bei welchem durch das Austauschen von Blut oder Blutstropfen nicht nur ein freundschaftliches oder künstlich verwandtschaftliches, sondern auch ein rechtliches Bündnis eingegangen wurde. Die damit verbundenen Rechte und Pflichten manifestieren sich u. a. erstens in der Blutrache, zweitens der Totenfolge, d. h. der (symbolischen) Mitbestattung im gleichen Grab des zu Tode gekommenen Blutsbruders oder der Obsorge über die hinterbliebene Familie, drittens der Einhaltung des Friedens und viertens der Gütergemeinschaft. Im engen Zusammenhang mit der Schwur- und Eidbrüderschaft stehend, stellt die Blutsbrüderschaft ein weltweit verbreitetes Phänomen dar und lässt sich neben dem keltischen, germanischen, slawischen, skythischen, iberischen, lydischen, arabischen Raum und Teilen Asiens insbesondere für den afrikanischen nachweisen. Mit Blick auf die germanische Ausübung des Rituals ist dieses innerhalb der altnordischen sowie altskandinavischen Gegend über literarische Belege nachvollziehbar. Besonders eigentümlich für die nordgermanische Tradition ist zum einen das Zusammenfließenlassen des Blutes beider beteiligter Personen in einer Fußspur und zum anderen das Eintreten des Blutes in die Erde. Andere prominente Beispiele sind das gegenseitige Trinken des Blutes oder das Tauchen der Hände in Blut, wie es für die schottischen Inselbewohner schriftlich überliefert ist. Mit der Übernahme durch das Christentum war der auf Island durch literarische Quellen des Hochmittelalters dokumentierten Blutsbrüderschaft ein Ende gesetzt, was vor dem Hintergrund zu denken ist, dass die Blutsbrüderschaft den Antagonisten zur Eucharistiegemeinschaft des Christentums bildete. Dieser Umstand ist bspw. in der altirischen Erzählung Boroma vorzufinden. Neben dem rechtlichen Aspekt ist das altertümliche Ritual religiös und sozial aufgeladen und mit magischen Vorstellungen verknüpft. [Vgl. Hellmuth 1975, S. 1–3, 6f., 64f., 67, 115–117, 122, 125–127, 144; vgl. ROE: Blut; vgl. GRA I, S. 265–267].
Vor dem Hintergrund der rituellen Schließung eines Bündnisses mittel der symbolischen Besiegelung durch Blut, die Rechte und Pflichten nach sich zieht, wird mittels der Blutsbrüderschaft im heutigen, übertragenen Sinne ein besonders enges, wenn nicht gar das engste Freundschaftsverhältnis, zum Ausdruck gebracht. [GG] - 

Realienkundliches: Nachdem Gunnar an seinem Blutsbruder Sigurd den Mord begangen hat, wird ihnen der Bruch der Blutsbrüderschaft durch einen Raben vorgeworfen, der das Ende der Burgunden besiegeln wird. Brünhild klagt innerhalb der Strophen 16–18 der altnordischen Dichtung Brot af Sigurðarkviðu, die einen Teil der Lieder-Edda bildet, Gunnar an, da sie von einem Traum veranlasst, den Untergang der Burgunden durch den verbrochenen Meineid vorausahnt. Über die Erwähnung er þit bloþi i spor baðir rendvt referiert sie auf die Blutsbrüderschaft, die über das Tröpfeln des Blutes in eine Fußspur zwischen den Beteiligten geschlossen wurde [vgl. Hellmuth 1975, S. 17f.]:

16 Brynhildr qvaþ:
„Hvgða ec mer, Gvnnarr!
grimt i svefni,
svalt alt i sal,
ętta sęing kalda;
enn þv, gramr! riþir
glꜹms andvani,
fiotri fatlaþr,
i fianda liþ;
sva mvn ꜹll yðor
ętt Niflvnga
afli gengin,
eroþ eiþrofa.
17 Mantattv, Gvnnarr!
til gorva þat,
er þit bloþi i spor
baðir rendvt;
nv hefir þv hanom þat alt
illo lꜹnat,
er hann fremstan sic
finna vildi.
18 Þa reyndi þat,
er riþit hafði
moþigr a vit
mín at biþia,
hve herglꜹtvþr
hafði fyrri
eiþom haldit
viþ inn vnga gram.
[Bugges o. J., 16–18]

Ausschnitte aus dem Kaun Lekë Dukagjini, dem albanischen Gewohnheitsrecht des 15. Jhs., belegen die Blutsbrüderschaft wie folgt:

8. Buch: Die Ehre
3. Kapitel: Das Blut und die Verwandtschaft, die Bruderschaft und Patenschaft im Kanun der Berge
3. Die Bruderschaft

Die Bruderschaft entsteht durch das Bluttrinken und hindert die Verschwägerung für immer zwischen den Blutsbrüdern, ihren Häusern und Herdstätten.
10. Buch: Der Kanun gegen das Verbrechen
3. Kapitel: Der Mord
22. Die Blutsbruderschaft, das Bluttrinken

Wenn sich die Herzen des Täters und die Häuser des Täters und des Erschlagenen versöhnen, trinken sie wechselseitig ihr Blut. Sie nehmen zwei kleine Gläser, füllen sie halb mit Branntwein, halb mit Wasser. Einer der Freundschaft erhebt sich, verbindet die beiden kleinen Finger (des Herrn des Blutes und des Täters), durchsticht sie mit einer Nadel und läßt zwei Blutstropfen einzeln in die Gläser fallen. Danach vermischen sie das Blut (mit dem Wasser und Branntwein), schütteln die Gläser gut, tauschen die Gläser und reichen sie sich gegenseitig mit überkreuzten Händen, so daß jeder das Blut des andern trinkt. Mit 100 Freudenrufen schießen sie die Büchsen ab, und sie werden neue Brüder desselben Vaters, derselben Mutter.
[von Godin o. J., online]

Diastratik: gehoben [eWDG: Blutsbrüderschaft] - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart (wie z. B.: Blutsbrüderschaft schließen, begehen, machen…) - Interlingual Kompatibles: engl.: blood brotherhood [PONS]; ital.: fratellanza di sangue [PONS]; poln.: braterstwo krwi [PONS]; slowen.: krvna bratovščina [PONS]; span.: hermandad de sangre [PONS] - Figuriertheit: Drastik; auch Hyperbel

 

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Projektleitung

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr.

Wernfried HOFMEISTER



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