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Folterwerkzeug

Folterwerkzeug: (kein/ein) Folterwerkzeug (für jmdn./etw. sein) / (keine) Folterwerkzeuge sein

Umschreibung: (keine) Druckmittel, mental quälende Umstände oder Dinge, mit dem Ziel, etwas zu erzwingen [GG]

Analyse der Bedeutung: Der Terminus ‚Folter‘ (siehe dazu näher ↑etw. ist eine/die reinste (seelische) Folter) geht bereits auf ein römisches Foltergerät, das einem Pferd ähnelt und mit lat. eculeus bezeichnet wurde, zurück. [Vgl. HRG-RL: Folter; vgl. WPE: Folter]. Als weiteres römisches Folterwerkzeug fungierte die Geißel bzw. Peitsche, wie aus der Apostelgeschichte und dem darin häufig genannten Auspeitschen bzw. Geißeln hervorgeht. Wie Tacitus berichtet, fanden bei Kaiser Nero die Peitsche und das Feuer als ‚beliebte‘ Utensilien Verwendung, während nach anderen Überlieferungen auch Haken und Zangen gerne zum Einsatz kamen, um die Haut zu zerreißen. Die zu folternde Person wurde dazu entweder an einem Pfahl oder am bereits erwähnten eculeus, einem pferdeähnlichen Holzbock, fixiert. Eine gewichtige Rolle kommt spätantiken Heiligenlegenden zu, die das Prozedere der Folter hochstilisieren, um das Vertrauen in Gott und die Leidensfähigkeit hervorzuheben. Geschildert werden einerseits aufgespießte, zerhackte, zersägte oder in Nageltonnen gesteckte männliche Heilige und andererseits weibliche Heilige, denen mittels Zangen die Brüste abgezwickt werden oder deren Vagina mit flüssigem Eisen befüllt wird. [Vgl. Zogolla 2006, S. 22]. Auch im 16. Jh. ist die Verwendung von Nagelfässern, jedoch im Sinne einer Leibesstrafe rechtlich belegt: „[leugnet der der Zauberei Beschuldigte die Tat] so soll er ... in ein faß mit neglen durchspickt geworffen werden, vnd mit solcher straff ... seine buß erstatten (1575 Weier, de praestigiis II 410)“ [DRW-WA: Nagel II 3].
Aus den Geschichten der Franken bzw. der Historia Francorum von Gregor von Tours geht hervor, dass von 657–727 insbesondere mittels Fäusten und Knüppeln geschlagen, mit Füßen getreten, über Ruten ausgepeitscht, durch Feuer oder glühendes Eisen gebrannt, oder mittels Spänen, die man unter Finger- sowie Fußnägel trieb, gefoltert wurde. Die Wandalen verübten unter Vorbildnahme der Römer die Streckfolter am eculeus, während bei den Franken die zu folternde Person an der troclea hochgezogen wurde. [Vgl. Zagolla 2006, S. 29].
Folterwerkzeuge wie Daumen- und Schienbeinschrauben, Seilwinde, Streckbank oder Leiter, Peitschen, Kerzen, Schwefelpflaster, heiße Eier, Branntwein und glühende Kienspäne sind in ihrer Anwendung bereits im Spätmittelalter, jedoch insbesondere während der Frühen Neuzeit nachgewiesen. [Vgl. Zagolla 2006, 70, 74, 97]. Mit einem dünnen, rauen Seil als eines der simpleren Werkzeuge wurde die spezifische Methode des ‚Schnürens‘ der Unterarme bewerkstelligt: Nachdem das Seil um die Arme geschlungen war, wurde durch den Henker und dessen Knecht an den Seilenden gezogen, bis Muskeln und Sehnen gequetscht und die Haut zerrissen war. [Vgl. Zagolla 2006, 53].
Im 18. Jh. ist neben dem Nahrungsentzug im Rahmen der gradus carceris die Folter mittels Spitzruten belegt [vgl. Zagolla 2006, S. 98, 105], während im 20. Jh. vor allem Schläge durch Reitpeitschen, Gummiknüppel, Ochsenziemer oder Stöcke ausgeteilt wurden. [Vgl. Zagolla 2006, 100, 135f., 140].
Geräte wie die ‚Eiserne Jungfrau‘, stachelbesetzte Folterstühle oder Utensilien wie aus Eisen gefertigte Scharfrichtermasken, so wie sie in diversen modernen Foltermuseen oder -ausstellungen zu bestaunen sind, sind vor dem 19. Jh. nicht nachweisbar. Vielmehr handelt es sich bei diesen um fantasievolle Konstrukte des 19. Jhs., womit die mittelalterliche Grausamkeit inszeniert werden sollte. [Vgl. Zagolla 2006, S. 111].
Die metaphorische Wendung (kein/ein) Folterwerkzeug (für jmdn./etw. sein) / (keine) Folterwerkzeuge sein bezieht sich vor dem Hintergrund der auszugshaft angeführten Instrumente darauf, dass sich jemand bestimmter Druckmittel bedient, um etwas zu erzwingen, was wiederum für die Adressatin/den Adressaten eine mental quälende Situation generiert. [GG] - 

Realienkundliches: Stephan Ostermeyer, der Scharfrichter von Kaiserslautern Mitte des 17. Jhs., wird als Henker und damit Folter-Experte nach seinen Folterwerkzeugen und marternden Instrumenten befragt:

1656 ist meister Stephan Ostermeyer, der scharfrichter, beschickt und befragt worden nach seinem foltergezeug und andern peinlichen instrumenten, (Chr Kaiserslautern 205) [DRW-WA: Foltergezeug]

Im Simplicissimus, einem Schelmenroman des Jahres 1669, tragen Henker und Knechte ‚grausame Folterinstrumente‘ heran, was sich deutlich auf den psychischen Zustand des Betroffenen auswirkt:

Dieſer Anfang mich zu bewillkommen / war der Welt noch nicht genug / ſondern es kamen Hencker und Steckenknecht / mit grauſamen Folterungs⸗Inſtrumenten / welche mir / ohnangeſehen ich mich meiner Unſchuld zu getroͤſten hatte / meinen elenden Zuſtand allererſt grauſam machten […] [Sulsfort 1669, S. 71]

In Der Zauberberg von Thomas Mann von 1924 ist die Rede von einer Birne, die die gefolterten Personen am Schreien zu hindern vermag:

Hier fiel Wehsal mit dem Thema der Folter ein; es stand ihm zu Gesichte. Das peinliche Verhör, – wie die Herren darüber dächten. Er, Ferdinand, hatte auf Geschäftsreisen immer gerne die Gelegenheit benutzt, an alten Kulturstätten jene verschwiegenen Orte zu besichtigen, an denen einst diese Art von Gewissenserforschung geübt worden war. So kannte er die Folterkammern von Nürnberg, von Regensburg, zu Bildungszwecken hatte er sich dort umgesehen. Allerdings, dort hatte man dem Leibe um der Seele willen recht unzärtlich zugesetzt, auf mancherlei sinnreiche Weise. Und nicht einmal Geschrei hatte es gegeben. Die Birne in den offenen Mund gerammt, die berühmte Birne, an sich schon kein Leckerbissen, – und dann hatte Stille geherrscht in aller Geschäftigkeit… [Mann 1924, S. 491]

Bei dieser handelt es sich näher um einen ‚Mundknebel‘ [DRW: Birne], der seit der spanischen Inquisition ab dem 13. Jh. belegt ist und sich danach im europäischen Raum ausbreitet: Aufgrund dessen, dass solche metallenen Geräte relativ selten in ihrer tatsächlichen Anwendung nachweisbar sind und dass es sich bis dato um eine niedrige Anzahl an gefundenen Stücken handelt, wird davon ausgegangen, dass für den Zweck, auch aus praktischeren Gründen heraus, vielmehr simple Knebel Verwendung fanden. Zusätzlich dazu waren die Schmerzensschreie im Rahmen der Folter sogar erwünscht. Eine Verstummung wäre auch in Anbetracht dessen, dass man auf verbale Äußerungen oder gar das Geständnis wartete, unvorteilhaft gewesen. [Vgl. Zagolla 2006, S. 114f.].

Ein Bericht eines Berliner Arbeiters über die Folter (insbesondere mittels Reitpeitschen) in der SA-Zentrale der Heidemannstraße 6 im Braunbuch 1933:

Nachdem man uns eine Weile hatte ruhen lassen, erfolgten die ersten «Vernehmungen». Jeder von uns wurde einzeln in ein Zimmer gerufen, wo etwa 6 SA-Leute mit Reitpeitschen standen. Ein Mann sass an der Schreibmaschine. Wir mussten uns vollständig ausziehen, und man erklärte uns, dass wir solange geschlagen würden, bis wir alles ausgesagt hätten. Man verlangte die unmöglichsten Geständnisse von uns. Gefragt wurde nach Namen und Adressen von kommunistischen Funktionären, nach angeblichen Verstecken von Waffen und Vervielfältigungsapparaten. Während dieser Vernehmung schlug man ununterbrochen auf uns ein. Dann wurden uns 1/2stündige Bedenkpausen gegeben, nach deren Ablauf die Folterungen von neuem begannen. [Kommunistische Partei Deutschlands 1933, S. 202]

Figuriertheit: Hyperbel; Drastik - Querverweis: ↑Daumenschrauben(-…); ↑Marterinstrument

 

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Folterwerkzeug: jmdm. die Folterwerkzeuge zeigen

Umschreibung: jmdm. gegenüber erste Mahnungen, Drohungen äußern; vorsorglich auf die eigenen Machtmittel verweisen [DUR: Folterwerkzeug]

Analyse der Bedeutung: Die figurative Redensart jmdm. die Folterwerkzeuge zeigen geht auf die einzelnen Stufen der Folter, wie sie aus der Frühen Neuzeit überliefert sind, zurück. [GG] Die erste Stufe stellte dabei die sog. ‚Verbalterrition‘ dar, im Zuge derer der/dem Angeklagten die einzelnen Gerätschaften vom Henker vorgeführt sowie präzise in ihrer praktischen Anwendung erklärt wurden. Oftmals reichte diese Art von psychischer Stresssituation aus, um die/den Betroffenen zu einem Geständnis zu drängen. [Vgl. DUR: Folterwerkzeug; vgl. Zagolla 2006, S. 71].
Das Drohen und Mahnen, das mit der Redewendung verbunden ist, wirken sich, wie die realen Folterwerkzeuge auf die/den Angeklagten im historischen Kontext, einschüchternd auf die Adressatin/den Adressaten aus, was bereits zu zielführenden Ergebnissen führen kann. [GG] - 

Realienkundliches: In der Constitutio Criminalis Theresiana von 1769 wird der Unterschied zwischen Tortur (d. h. der eigentlichen physischen Folter) und Territion bzw. ‚Schreckung‘ an den tatsächlichen physischen Schmerzen festgemacht:

Die Territion, oder Schreckung mit der peinlichen Frage unterſcheidet ſich von der wirklichen Tortur in dem, daſz durch letztere des Inquiſitens Leib gemarteret wird, die erſtere hingegen keinen Schmerzen beybringet, ſondern bey dem eingejagten Schrecken ſtillſtehet [Maria Theresia von Österreich 1769, Art. 38, S. 108, §9]

Nach Johann Heinrich Zedlers Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschafften und Künste (1731-1754) wird die Tortur mittels Worten (Territio verbalis) von jener mittels Taten (Territio realis) differenziert. Ohne den Angeklagten physisch zu schädigen, werden ihm die Folterinstrumente vorgeführt und näher erläutert. Dies alleine könne analog zur eigentlichen Folter bereits zum Geständnis führen:

Schrecken, Schreck, Schreckung, oder Schroͤck, Schroͤcken, Schroͤckung, Territion. Lat. Terror, Metus, Terrere, Territio, heiſzt bey denen Rechtsgelehrten, und ſonderlich den Criminaliſten, diejenige Bedrohung, welche halsſtarrigen und verſtockten Inquiſiten, oder ſolchen Miſſethaͤtern geſchiehet, welche aller geſchehenen guͤtlichen Vorſtellung ungeachtet und ob ſie gleich des ihnen Schuld geaebenen und wider ſie angebrachten Verbrechens, theils durch unverwerffliche Zeugen, theils auch durch andere dabey mit unterlauffende Umſtaͤnde und Anzeigungen zur Gnuͤge uͤberfuͤhret ſind, dennoch GOtt [sic!] und der Gerechtigkeit zu Ehren die klare und lautere Wahrheit nicht bekennen wollen, daſz man ſie nehmlich bey fernerer Fortſetzung ihrer bisher bezeigten Hartnaͤckig⸗ und Halsſtarrigkeit dem Scharffrichter uͤbergeben und mit der Tortur belegen werde. Es gehet aber dieſelbe in zwey verſchiedene Arten ab, und geſchiehet entweder nur mit bloſſen Worten, oder mit der That ſelbſt. Daher denn auch die erſtere insgemein die woͤrtliche Schreckung oder die Verbal⸗Territion (Territio verbalis) die letztere aber die thaͤtliche Schreckung oder Real⸗Territion (Territio realis) genennet wird. Die erſtere, oder die Verbal⸗Territion iſt, wenn dem Inquiſiten der Scharffrichter mit denen peinlichen Inſtrumenten vorgeſtellet, und als ſolte und wolte er ihn wuͤrklich angreiffen, gedrohet wird, welcher jedoch ſolchenfalls noch unangegriffen zu laſſen. […] Wenn nun gleich dieſe bloſſe Schreckung, weil ſie den Leib nicht peiniget, eigentlich keine Tortur iſt; ſo hat ſie doch zum oͤffteren mit der Tortur ſelbst gleiche Wuͤrckung, und bringet jezuweilen eben ſo wohl die Wahrheit heraus, wird auch alsdenn zuerkannt, wenn die wuͤrckliche Tortur, nach Beſchaffenheit der Perſonen oder Indicien, nicht Statt findet. […] [Zedler: Schrecken, Sp. 1113f.]

Das bloße Demonstrieren der Gerätschaften mitsamt ihrer Funktionsweisen wird bereits bei Jacob Döpler Ende des 17. Jhs. festgehalten:

Sondern es muͤſte nur eine Territio nuda ſeyn / ſo / daſz der Scharfrichter zwar dem Inquiſiten die zur Tortur gehoͤrige Inſtrumenta vorlegen / zeigen / und deren effect mit Worten beſchreiben moͤchte / aber nicht angreiffen ſoll […] [Döpler 1693, S. 262]

Diastratik: umgangssprachlich [DUR: Folterwerkzeug] - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Allgemeiner Gebrauchskontext: auffallend häufig im politischen Kontext - Figuriertheit: Drastik; Hyperbel

 

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Projektleitung

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr.

Wernfried HOFMEISTER



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