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Galgenvogel

Galgenvogel: Galgenvogel

Umschreibung: nichtswürdiger Bursche, junger Mensch, der nur Flausen im Kopf hat, Nichtsnutz [eWDG: Galgenvogel]; Herumtreiber(-in) [ROE: Galgen; GG]; Spitzbube [DRW-WA: Galgenvogel]; Strolch, Taugenichts [DUO: Galgenvogel]

Analyse der Bedeutung: Zur etymologischen Herleitung von ‚Galgen‘ siehe die metaphorische Wendung ↑ein Galgen für jmdn./etw.
Das Determinatum ‚Vogel‘ als ‚gefiedertes, in der Regel flugfähiges Wirbeltier‘ weist im Ahd. die Formen fogal bzw. fugal (8. Jh.) auf, wird im Mhd. als vogel, im Asächs. als fugal, im Mnd. als vōgel sowie vāgel wiedergegeben und lautet im Mnl. voghel, im Nl. vogel, im Aengl. fugol, im Engl. fowl, was sich eher auf das ‚Haushuhn‘ als auf den ‚Vogel‘ bezieht, im Anord. fugl, im Schwed. fågel und im Got. schließlich fugls (germ. *fugla-). Die weitere Herleitung gilt als nicht gesichert – eine mögliche These geht von der ie. Wurzel *pōu-, *pū̌- (‚klein, gering, wenig’) aus. Ab frühnhd. Zeit taucht das Substantiv im Zusammenhang mit der metaphorischen Bezeichnung von menschlichen Eigenschaften auf, sodass dadurch bspw. auf ‚einen leichtsinnigen, leichtfertigen Menschen‘ oder ‚eine sonderbare wunderliche Person‘ referiert wird. Die Redensart einen Vogel haben ist darüber hinaus ab dem 19. Jh. zu beobachten. [Vgl. WPE: Vogel].
Mit dem Kompositum ‚Galgenvogel‘, womit im Grunde der Rabe bezeichnet wurde, der als Aasfresser am Hinrichtungsplatz die leblosen Körper umkreiste und zerhackte und somit auch den Ausdruck ‚Rabenstein‘ motivierte, wurde bereits ab dem 16. Jh. ein ‚galgenreifer Schelm‘ betitelt. [Vgl. WPE: Galgen; vgl. DUO: Galgenvogel].
Wird eine Person als Galgenvogel bezeichnet, so hat dies nichts mit dem fliegenden Aasfresser oder dessen Perspektive zu tun, sondern ist durch die hin- und herschwankende Bewegung der/des Gehenkten am Galgen, das den Gedanken an das Fliegen evoziert, motiviert. [GG; vgl. ROE: Galgen] Dazu trägt zusätzlich der Umstand bei, dass man realhistorisch betrachtet, den Raben als Futter überlassen wurde, weshalb nicht nur ‚Galgenvogel‘ sondern auch ‚Galgenfleisch‘ als ironische Bezeichnung für galgenreife Strolche Verwendung fand. [Vgl. ROE: Galgen]. Die Zuschreibung von ‚Rabenkost‘ ist daher besonders abwertend, wird jedoch in aktueller Zeit besonders ironisch sowie in scherzhafter Weise gebraucht. [GG] - Entstehungszeit: 16. Jh. [WPE: Galgen] - 

Realienkundliches: In Jacob Döplers Theatrum poenarum, suppliciorum et executionum criminalium aus dem Jahr 1693 findet sich innerhalb von Caput VII ein erläuternder Eintrag zur örtlichen Bezeichnung ‚Rabenstein‘, die sich aus dem Umstand ableitet, dass Raben, also die wortwörtlichen Galgenvögel, an einer solchen Hinrichtungsstätte die Körper der verurteilten Personen, die sowohl auf Räder geflochten waren als auch am Galgen baumelten, zerhackten:

Caput VII
I.
4. Raben⸗Stein heiſſet der Orth deswegen / weil die Raben derer auf Raͤder allda gelegten / oder an Galgen gehengten Coͤrper zerhacken und freſſen / auch ſich deshalber an ſolchen Orthen haͤufig einfinden und aufhalten. Maſſen denn gemeiniglich in den groſſen Staͤdten die Galgen und Hoch⸗Gerichte von Steinen aufgefuͤhret / und mit Mauren umgeben ſind / damit der Scharffrichter bey der Execution, vor ungerechter Gewalt ſicher ſey / auch der Juſtificirten Coͤrper von ihren Freunden und Cameraden nicht ſo leicht vom Galgen und den Raͤdern abgenommen / und heimlich weggeſchafft werden koͤnnen. [Döpler 1693, S. 602f.]

Diastratik: umgangssprachlich [DUO: Galgenvogel] - Semantische Prozesse: pejorativ [DUO: Galgenvogel]; aber auch meliorativ, wenn positiv bzw. scherzhaft konnotiert [GG] - Interlingual Kompatibles: frz.: gibier de potence [PONS] - Figuriertheit: Drastik [GG]; auch scherzhaft [eWDG: Galgenvogel]

 

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Projektleitung

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr.

Wernfried HOFMEISTER



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