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Gnadenstoß

Gnadenstoß: der Gnadenstoß (für jmdn./etw.) sein

Umschreibung: besonders hart getroffen, niedergeschmettert, zur Aufgabe gezwungen [ROE: Gnadenstoß, Gnadenschuss]; eine meist rasche Beendigung (der Existenz von jmdm./etw.) [GG]

Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie von ‚Gnade‘ siehe ↑Gnadenschuss.
Das maskuline Substantiv ‚Gnadenstoß‘ in seiner nicht übertragenen Bedeutung von ‚Stoß, Stich zur Beendigung der Todesqual (eines verwundeten Tieres)‘ findet sich bereits in der mhd. Form genādenstōʒ vor und bezeichnete zunächst ‚den Anstoß der göttlichen Gnade‘. Ab 1700 referiert das Substantiv auf ‚den vom Henker ausgeführten Todesstoß ins Genick oder Herz des Verurteilten‘. [Vgl. WPE: Gnade].
Der metaphorische Ausdruck Gnadenstoß lässt sich somit in den Kontext der mittelalterlichen Hinrichtungspraxis einordnen, im Zuge welcher ein Genick-, Herz-, oder Halsstoß das Leiden der/des Schuldigen verkürzte. Letzterer konnte der verurteilten Person z. B. bei der ‚Räderung von oben herab‘ gewährt werden, wobei der Henker das Rad vor dem Zerstoßen der Gliedmaßen auf den Hals fallen ließ und damit den Tod einleitete. [Vgl. LDR: Gnadenschuss/Gnadenstoß]. Das Rad konnte auch, wie verschiedensten Rechtsbelegen unter der Begrifflichkeit des ‚Herzstoßes‘ zu entnehmen ist, direkt gegen die Herzgegend gestoßen werden. [Vgl. DRW-WA: Herzstoß]. Eine weitere Art der Begnadigung stellte der Stich durch den Henkersdegen ins Herz oder ins Genick der verurteilten Person dar, der erteilt wurde, wenn die Person noch lebend ans Rad geflochten war oder nachdem sie bereits diverse Folterqualen zu erleiden gehabt hatte [vgl. DUR: Gnadenstoß/Gnadenschuss; vgl. ROE: Gnadenstoß, Gnadenschuß].
Bedeutet ein Umstand für eine Person oder eine Sache den Gnadenstoß, so hat dies vor dem Hintergrund der Reduktion der Grausamkeit sowie der frühzeitigen Beendigung des Leids im Rahmen der Hinrichtung ein rasches, weniger qualvolles Ende zur Folge. [GG] - Entstehungszeit: 2. H. 18. Jh. [LDR: Gnadenstoß/Gnadenschuß] - 

Realienkundliches: Laut der Constitutio Criminalis Theresiana des Jahres 1769 wird vor der Räderung beginnend von unten der Gnadenstoß am Hals erteilt:

in betreff der radbrechung von untenhinauf verwilligen wir den gnadenstoß dergestalten, daß einem solchen delinquenten zuerst der hals abgestossen werden solle [DRW-WA: Gnadenstoß]

Sozialhistorisches: Jäger- und Soldatensprache [ROE: Gnadenstoß, Gnadenschuß] - Semantische Prozesse: pejorativ - Interlingual Kompatibles: nl.: genadeslag [PONS]; slowen.: milostni sunek [PONS]; tschech.: rána z milosti [PONS] - Figuriertheit: Drastik; Hyperbel - Querverweis: ↑Gnadenschuss

 

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Gnadenstoß: jmdm./etw. den Gnadenstoß (ver-)setzen/geben…

Umschreibung: einer/einen dem Untergang bereits Geweihten völlig zugrunde richten [eWDG: Gnadenstoß; GG]; einen Vorgang mit negativem Ausgang beenden [LDR: Gnadenstoß/Gnadenschuss]

Analyse der Bedeutung: Zu etymologischen Aspekten siehe die Einträge ↑Gnadenschuss sowie ↑der Gnadenstoß (für jmdn./etw.) sein, wobei letzterer die Hintergründe zur historischen Einbettung liefert.
Analog zur vorausgehenden Wendung ↑der Gnadenstoß (für jmdn./etw.) sein lässt sich auch die vorliegende sprichwörtliche Redensart jmdm./etw. den Gnadenstoß (ver-)setzen/geben… dem Kontext der leidensmindernden Hinrichtungsprozedur zuweisen. [GG]
Vor dem Hintergrund des realhistorischen Bildes des Henkers, der mit dem Rad den Hals zerstieß oder einen Degen durch das Herz oder den Nacken treibt, versetzt man jemandem oder einer Sache bildlich den Gnadenstoß, wenn man eine jähe Beendigung einleitet oder das Aufgeben bewirkt, was sich für die betreffende Person respektive Sache besonders negativ und schmerzlich auswirkt. [GG] - Entstehungszeit: 2. H. 18. Jh. [LDR: Gnadenstoß/Gnadenschuß] - 

Realienkundliches: Neben dem Terminus ‚Gnadenstoß‘ taucht vor allem in früheren Belegen die Bezeichnung ‚Herzstoß‘ im Zuge der Räderung auf:

[dem Magistrat steht frei,] dem delinquenten gnad widerfahren zu lassen, daß ihm ... zu allererst der hertzstoß mit dem rad gegeben werden möge (1675 Schindler,VerbrFreib. 14) [DRW-WA: Herzstoß]

Siehe auch die Einträge unter ↑der Gnadenstoß (für jmdn./etw.) sein.

Sozialhistorisches: Jäger- und Soldatensprache [ROE: Gnadenstoß, Gnadenschuß] - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart; pejorativ - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik - Querverweis: jmdm./etw. den Gnadenschuss geben/verpassen

 

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Projektleitung

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr.

Wernfried HOFMEISTER



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