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Hand

Hand: über jmdn./etw. (schützend) die Hand/eine schützende Hand halten

Umschreibung: beschützen, Beistand leisten, helfen, zur Seite stehen [ROE: Hand]; jmdm. Schutz, Beistand gewähren [DUO: Hand]

Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie von ‚Hand‘ siehe ↑sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen).
Der vorliegende Beleg über jmdn./etw. (schützend) die Hand halten führt auf das Recht der Begnadigung zurück, wodurch eine berechtigte Person durch die symbolische Geste eine Delinquentin/einen Delinquenten vor einer schweren Strafe oder der Verfolgung bewahren konnte. Die schützende Hand spielte auch beim Zweikampf insofern eine Rolle, als dass dadurch ein Paukant abgeschirmt werden konnte. Dies hat sich auf ähnliche Weise in der heutigen Form des Boxkampfes erhalten. [Vgl. ROE: Hand; vgl. DUO: Hand].
Von der rechtlichen Begnadigungsgeste motiviert, wo wortwörtlich aus symbolisch-bekräftigenden Gründen die Hand über eine verurteilte Person gehalten wurde, bedeutet über jmdn./etw. (schützend) die Hand halten im übertragenen Sinne, dass der/die/das Betreffende in Schutz genommen wird. [GG] - Diastratik: gehoben [DUO: Hand] - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Interlingual Kompatibles: nl.: iem de hand boven het hoofd houden [PONS] - Querverweis: Beistand (leisten) / (um) Beistand (bitten); ↑jmdm. beistehen; ↑jmdm. zur Seite springen/treten/stehen; ↑sich auf jmds. Seite stellen

 

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Hand: um jmds. Hand anhalten/bitten

Umschreibung: jmdm. einen Heiratsantrag machen [DUR: Hand]

Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie des Substantivs ‚Hand‘ siehe ↑sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen).
Die Redensart um jmds. Hand anhalten/bitten lässt sich, wie Abbildungen des Sachsenspiegels beweisen, in den Bereich der Eheschließung einordnen, wo durch das Ineinanderlegen der Hände von Bräutigam und Braut der Wechsel der Schirmherrschaft symbolisiert wurde. Zuvor wurde die zu verehelichende Frau von ihrem Vormund an der Hand dem künftigen Ehemann übergeben. Für die spätere Zeit ist überliefert, dass der Priester die Frau am Unterarm herbeiführt und der Mann sie selbständig an der Hand fasst. [Vgl. ROE: Hand]. Über einen Handschlag wird u. a. das mittelalterliche/frühneuzeitliche Eheversprechen rechtskräftig. [Vgl. HRG-DH: Hand]. - 

Realienkundliches: Die Radolfzellner-Halsgerichtsordung von 1511 belegt den Handschlag, der das Ehegelübde zwischen Mann und Frau besiegelt:

das ich vormals ain eeliche hußfrawen, so ich zu Ratolfzelle offenlich zu kirchen und strassen gefürt, die hailigen ee verhaissen und bi der hand dargeschlagen hab (1511 RadolfzellHGO. 167) [DRW-WA: darschlagen V]

Anhand einer Buchmalerei des 14./15. Jhs. ist neben der Trennung eine neue Eheschließung zu erkennen, wobei das Heranführen an der Hand sichtbar ist. Die folgende präzisere Erläuterung stammt von Gernot Kocher:

Der König von Frankreich, kenntlich durch Krone und Stab beziehungsweise lilienverzierten Schild des Knappen, trennt sich von seiner Frau, die links durch eine Türe "abgeschoben" wird. In der rechten Bildhälfte wird ihm die neue Frau (Braut) von ihren Gewalthabern zugeführt. [RID-GK: Trennung einer Ehe]

Diastratik: gehoben [DUR: Hand] - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Allgemeiner Gebrauchskontext: Ehe - Interlingual Kompatibles: dän.: anholde [PONS]; engl.: to request [or ask for] sb's hand in marriage [PONS]; frz.: prétendre à la main d'une femme [PONS]; frz.: demander la main de la fille [PONS]; isl.: biðja um hönd e-s [PONS]; kroat.: zaprositi čiju ruku [PONS]; nl.: om de hand van een meisje vragen [PONS]; nl.: een vader om de hand van zijn dochter vragen [PONS]; poln.: prosić o czyjąś rękę [PONS]; port.: pedir a mão a alguém [PONS]; serb.: tražiti nečiju ruku [PONS]; slowen.: zaprositi (starše) za roko (njihove) hčere [PONS]; span.: pedir la mano de alguien [PONS]; span.: solicitar la mano de una mujer [PONS]; tschech.: [perf po] žádat o ruku kohu [PONS] - Figuriertheit: Metonymie

 

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Hand: Hand aufs Herz(!)

Umschreibung: jetzt aber (einmal) ehrlich; Seien Sie mal ehrlich! [ZDL: Hand aufs Herz]

Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie des Substantivs ‚Hand‘ siehe ↑sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen).
Die übrigen Formen des Neutrums ‚Herz‘ (‚zentrales Antriebsorgan des Blutkreislaufes‘, ‚Sitz der Seele/des Gemütes/Verstandes/der Vernunft), die sich dem germanischen Sprachraum zuordnen lassen, lauten ahd. herza, mhd. herz(e), asächs. herta, mnd. und mnl. herte sowie harte, nl. hart, aengl. heorte, engl. heart, anord. hjarta, schwed. hjärta und got. haírtō unter germ. *hertan-. Deren Ursprung lässt sich aufgrund der außergermanischen Verbindung mit griech. kḗr (κῆρ) (‚Herz’) bzw. kardíā (καρδία) (‚Herz, Magen, Mark der Pflanzen’), lat. cor (‚Herz’), air. cride, lit. širdìs, aslaw. srьdьce, russ. sérdce (сердце) (‚Herz’) und aslaw. srěda (‚Mitte, Mittwoch’), russ. seredína (середина) (‚Mitte’) auf ie. *k̑ē̌rd-, *k̑ṛd- (‚Herz’) zurückführen. [Vgl. WPE: Herz].
Unter der Prämisse, dass mittels ‚Herz‘ innerhalb der Paarformel auf die ‚äußere Herzgegend‘ bzw. ‚Brust‘ [vgl. DWB1: herz] referiert wird, bezieht sich die phraseologisierte Form Hand aufs Herz auf die mittelalterliche Eidesleistung, wo eine Hand zur Bekräftigung neben dem Schwert, dem Haarzopf oder Bart (vgl. ↑Bei meinem Barte!) oder neben christlichen Reliquien auch auf das Herz gelegt wurde. Vergleichbar mit den Frauen, die sich an die linke Brust oder zusätzlich an den Zopf fassten, berührten auch Geistliche oder Fürsten mittels der rechten Hand die Herzgegend. [Vgl. ROE: Hand; vgl. GRA II, S. 548].
Unter dem Vorbild der Eidesablegung, wo zur Beteuerung u. a. die linke Brust berührt wurde, wird mittels Hand aufs Herz an die Ehrlichkeit appelliert. [GG] - 

Realienkundliches: Der Schriftsteller und Jurist Matthias Abele von und zu Lilienberg (1618–1677) schildert in seiner Künstlichen Unordnung des Jahres 1670 die richterliche Anweisung, dass die Frau Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand auf die linke nackte Brust legen und dadurch einen Schwur abzulegen habe:

Der Richter ſagte:
Die Frau muſz das Wammes aufmachen / und ihre zween rechte Finger nach dem Daumen / auf die lincke bloſſe Bruſt legen. ſie aber hierauf:
Ach / erbarme es GOtt im Himmel / keiner hot meine bloſſe Bruſt / als nur meine zween Ehemaͤnner / und meine ſelbſtgesſaͤugte Kinder geſehen.
Ich gedachte bey mir / vielleicht auch ſchmarotzeriſche Floͤhe!
Sie muͤſte aber dennoch ſchwoͤren. […]
[von und zu Lilienberg 1670, S. 122]

Diastratik: umgangssprachlich [DWDS: Hand aufs Herz] - Semantische Prozesse: phraseologisiert; satzwertig - Interlingual Kompatibles: engl.: hand on heart / Put your hand on your heart! [dict.cc]; engl.: Cross my heart (and hope to die)! [dict.cc]; kroat.: ruku na srce [PONS]; poln.: z ręką na sercu [PONS]; schwed.: med handen på hjärtat [PONS]; slowen.: rôko na srce [PONS]; span.: con el corazón en la mano [PONS]; tschech.: ruku na srdce! [PONS]

 

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Hand: von langer Hand (vorbereiten/planen…)

Umschreibung: etw. (meist Böses) lang und sorgfältig vorbereiten/planen [vgl. eWDG: Hand; vgl. DUO: Hand; vgl. LDR: Hand]

Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie des Substantivs ‚Hand‘ siehe ↑sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen).
Hinsichtlich der Herkunft der Wendung von langer Hand (vorbereiten/planen…) liegen differente Theorien vor: Zum einen besteht aufgrund der zeitlichen Bedeutung, die im übertragenen Sinne ausgedrückt wird, die Annahme, dass es sich um eine Entlehnung aus dem Lateinischen, konkreter von spätlat. longa manu (wörtlich ‚lange Hand‘ und bereits übertragen ‚langsam‘) handelt. [Vgl. DUR: Hand; vgl. ROE: Hand; vgl. DWB1: hand]. Die Brüder Grimm vermerken zusätzlich die genitivische Verbindung kurzer hand, die die lat. Entsprechung brevi manu aufweist. [Vgl. DWB1: hand]. Zum anderen könnte sich die metaphorische Wendung am herrschaftlichen Machtsymbol bzw. dem Richterstab im Sinne einer Armverlängerung orientieren, wie dies bereits bei Sebastian Franck und Ovid konzipiert wird. [Vgl. ROE: Hand; vgl. Dudenredaktion 2018, S. 48].
Vom Machtsymbol in der Form des Richterstabes motiviert, bedeutet bspw. von langer Hand geplant im bildhaften Sinne, dass etwas gründlich über einen längeren Zeitraum vorbereitet wurde, wobei insbesondere im Rahmen der negativen Bedeutungskomponente, die sich potenziell schädlich auswirkt, der Machtaspekt in der Gestalt von Handlangern und Einfluss zum Tragen kommt. [GG] - Realienkundliches: Das durch Ovid geprägte Zitat An nescis, longas regibus esse manus [nach DSL: Herrenhand] verweist auf die langen Hände bzw. den weitreichenden Einfluss der Herrschenden und wird einerseits als Herenhand reycht in (geht durch) alle land [DSL: Herrenhand] und andererseits als ‚Weißt du nicht, dass die Könige lange Hände haben?‘ [Dudenredaktion 2018, S. 48] übersetzt. - Semantische Prozesse: phraseologisiert (von langer Hand); sprichwörtliche Redensart (von langer Hand vorbereiten, planen); auch pejorativ - Interlingual Kompatibles: engl.: long beforehand [PONS]; frz.: de longue main [PONS]

 

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Hand: die Hand heben

Umschreibung: sich zu/für etw. melden; zustimmen [vgl. ROE: Hand]

Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie des Substantivs ‚Hand‘ siehe ↑sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen).
Die sprichwörtliche Redensart die Hand heben lässt sich aus dem historisch-rechtlichen Handgelöbnis (‚Gelöbnis oder Versicherung mit bestimmter Handgebärde oder Handschlag, schwächer als der Eid, auch Vorstufe zu ihm‘ [DRW-WA: Handgelöbnis]) erklären, in dessen Rahmen bspw. zwei Parteien die Hand hoben und die Handflächen zusammenführten. Durch den Sachsenspiegel sind unterschiedliche Arten des Hebens der Hand überliefert. Im wörtlichen Sinne wird die Hand heute in Fällen von Bejahung, Meldung oder Abstimmung gehoben. [Vgl. ROE: Hand].
Häufig in der Formulierung hebe die Hand wird als rhetorisches Mittel die Aufforderung suggeriert, sich zu melden, wenn man anders handelt oder empfindet als es der von einer Person geschilderte gemeinsame Konsens vorgibt. Mit Gegenstimmen wird jedoch nicht gerechnet. Vor dem Hintergrund eines Votums beschreibt das Handheben zum einen den tatsächlichen Gestus und drückt zum anderen im übertragenen Sinne die damit verbundene Zustimmung zu einer Angelegenheit aus. Da das wörtliche Heben der Hand die Affirmation impliziert und diese umgekehrt den speziellen Gestus voraussetzt, lassen sich die wörtliche und die metaphorische Bedeutung für gewöhnlich nicht voneinander separieren. [GG] - 

Realienkundliches: In den Weisthümern von Jacob Grimm befindet sich eine Passage aus dem Jahre 1658, die das Handgelübde anstelle des Eides, der sich durch eine besondere Fingergestik auszeichnet, geschildert:

Diejenige, als schöffen, und andere, so vereidet seyn, schwören mit bey selben eyd, nur mit handgelöbniſs, und recken die finger nicht aus. So das geschehen, wünschet der schultheiſs ihnen glück, und gehen wieder auf das rathhauſs. [GRW I, S. 607]

Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Interlingual Kompatibles: engl.: to raise one's hand [PONS]; frz.: lever la main [PONS]; ital.: alzare la mano [PONS]; poln.: jeżeli ktoś coś wie, niech podniesie rękę [PONS]; slowen.: nihče si ni predѓznil dvigniti roko [PONS]; span.: el/los que [o quien/quienes] sepa/sepan algo, que levante/levanten la mano [PONS]

 

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Hand: etw. in der Hand haben

Umschreibung: etw. haben, worauf man sich berufen kann [DUR: Hand]

Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie des Substantivs ‚Hand‘ siehe ↑sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen).
Die sprichwörtliche Redensart etw. in der Hand haben führt entweder auf den Stab des Richters, der armverlängernd als Machtsymbol (vgl. dazu u. a. ↑von langer Hand (vorbereiten/planen…)) fungiert, zurück oder auf gesetzliche Dokumente, die als handfester Beweis herangezogen werden können. [Vgl. ROE: Hand].
Vom Stab, den der Richter in den Händen hält, aus hat sich der Machtaspekt auf die Redensart etw. in der Hand haben insofern übertragen, als dass jmd. bspw. über einen stichhaltigen Beweis oder ein wasserdichtes Argument verfügt. [GG] - 

Realienkundliches: Die Alte Rottweiler Hofgerichtsordnung von 1523 hält das Hofgericht betreffend fest, dass der Hofrichter weder vor Gerichtsende aufsteht noch seinen Stab aus den Händen gibt:

I [7]
Wie der hoffrichter das hoffgericht besitzet.

WAn der hofrichter das hofgericht besitzet / so sol er des ersten so er süben vrtelsprecher darob vnd nit darunder hat / fragen mit seinem stab den er in seiner hand haben sol vnd sagen / ich fragen dich ob es in der zeit sey das gericht zů verbieten so vrteilend die richter mit solchen worten / herr ich sprich es zů dem rechten wellen ir richten / so spricht der hofrichter zů des hofgerichts waybel / voͤrster oder statknecht also / verbüt das gericht das nieman on sein fürsprechen red / so rüfft der voͤrster oder statknecht also / ich verbüt das gericht das nieman rede on seinen fürsprechen. Darnach fragt der hofrichter die vrtelsprecher also / ich frage dich vm{b} offen verschriben ächter / die iar vnd tag vnd einen monat vnd me in acht gewesen sein / vn{d} die sich da von nit ziehen wellen wer darüber sie begert vnd fordert supplicatoria in die bistumb da hin dz hofgericht zerichte{n} hat / ob man die geben sol / so vrteilen die vrtailsprecher also / her ich sprich zů dem rechten wa der hofschreiber sagt das es so fer kumen sei / vnd dan so fahet das gericht an. So dan der hofrichter nider sitzet so sol er nit vff ston / noch den stab von handen geben biß sich das gericht endet / vnd wan er vff stat so ist das gericht vß / es wer dan das er niernends auch richten wolt / vnd das er das in dem gericht verkündete wie man dan desse gesagt ist / das mag er wol thůn. Wa aber yemand gegen dem andern sein sach verwilkürt in die stat Rotweil zů ziehen / vnd die selbig sach da vß zůrichten / das mag der hofrichter wol thůn / doch sol er darumb fragen vnd das mit vrtail zů gon lassen / vnd was auch also mit vrtail vnd wilkür in die stat Rotweil gezogen würt darumb vrtelt man mit aucht vnd mit anleitin in der maß als wer es vff dem hoffgericht vnder der linden an offner freyer Kayserlicher straß geschehen. [Konrad III. 1523, Blatt D iii r–v]

Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Interlingual Kompatibles: frz.: avoir [ou détenir] des preuves entre les mains [PONS]

 

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Hand: etw./nichts gegen jmdn./etw. in der Hand/in den Händen haben/halten

Umschreibung: etw. Belastendes, Nachteiliges von jmdm. (nicht) wissen, was man gegebenenfalls als Druckmittel einsetzen will [DUR: Hand; GG]

Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie des Substantivs ‚Hand‘ siehe ↑sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen).
Die vorliegende Wendung etw. gegen jmdn./etw. in der Hand/in den Händen haben lässt Parallelen zur Redensart ↑etw. in der Hand haben, die sich u. a. auf den Amtsstab des Richters bezieht, erkennen: In der Gewalt des Stabes potenziert der Richter symbolisch seine Macht gegenüber den anderen. Vom Machtaspekt motiviert, kommt es analog zu einer Höherstellung der Person, die im übertragenen Sinne etw. gegen jemand anderen in der Hand/den Händen hält, was dem Gegenüber beim Einsatz Schaden zufügen kann. Der Bezug zu den Rechtsdokumenten, die als zweitere These beim o. g. Beleg eine Rolle spielen könnten, lässt sich auch beim vorliegenden herstellen, da schriftliche Quellen ein belastendes Material darstellen können. [GG]
Die Pluralform ist im aktuellen Sprachgebrauch besonders selten. [GG] - Realienkundliches: Siehe dazu ↑etw. in der Hand haben. - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Interlingual Kompatibles: engl.: to have sth on sb [PONS]; isl.: hafa e-ð í höndunum gegn e-m [PONS]; poln.: mieć haka na kogoś [PONS]

 

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Hand: durch mehrere/(zu) viele Hände gegangen sein

Umschreibung: mehrfach herumgereicht werden [GG]; schon häufig den Besitzer gewechselt haben [DUO: Hand]

Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie des Substantivs ‚Hand‘ siehe ↑sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen).
Die vorliegende metaphorische Redensart durch mehrere/(zu) viele Hände gehen/gegangen sein leitet sich aus der Freilassung aus einer Knechtschaft und dem damit verbundenen Brauch ab, wonach die unfreie Person durch das Berühren und Loslassen mit der Hand symbolisch befreit wurde. Bei den Langobarden wurde die Manumission, „Freilassung, Entlassung aus einem Abhängigkeitsverhältnis (Leibeigenschaft, Vormundschaft)“ [DRW-WA: Manumission I], wie sie bei den Römern genannt wurde, über das Anfassen und erneute Loslassen durch mehrere freie Hände rechtlich bewerkstelligt. [Vgl. ROE: Hand; vgl. GRA I, S. 196, 459].
Aus diesem symbolischen Akt der Freilassung hat sich innerhalb der Wendung durch mehrere/(zu) viele Hände gehen/gegangen sein im übertragenen Sinne die Idee des häufigen Besitzerwechsels sowie des Herumreichens erhalten. [GG] - 

Realienkundliches: Jacob Grimm vermerkt innerhalb seiner Rechtsalterthümer einen Ausschnitt der Leges Rothari, der von der Freilassung durch die Hände mehrerer freier Personen handelt:

qui fulfreal et a ſe extraneum, id eſt amund, facere voluerit, ſic debet facere. tradat eum prius in manus alterius hominis liberi et per garathinx ipſum confirmet, et ille ſecundus tradat eum in manus tertii hominis, eodem modo et tertius tradat eum in quarti. et ipſe quartus ducat eum in quadrivium et thingat in wadia et giſiles ibi ſint et dicant ſic: de quatuor viis etc. (lex Roth. 225) [GRA I, S. 459]

Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart; meist pejorativ

 

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Hand: sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen)

Umschreibung: sich für jmdn./etw. (nicht) vorbehaltlos und uneingeschränkt verbürgen [DUR: Hand; GG]; für jmdn./etw. (nicht) vollends einstehen [GG]

Analyse der Bedeutung: Das Femininum ‚Hand‘ als ‚unterster Teil des Armes zum Greifen und Halten‘ wird in den Formen ahd. hant, mhd., mnd. sowie mnl. hant, asächs. hand, aengl. hand wie hond, nl. und engl. hand, anord. hǫnd, schwed. hand sowie got. handus wiedergegeben und resultiert aus got. -hinþan (‚greifen, fangen’). [Vgl. WPE: Hand].
Die metaphorische Wendung sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen) fußt auf der mittelalterlichen Strafpraxis des Abhauens der Hand [vgl. DUR: Hand], die zu den ‚Verstümmelungsstrafen‘ zu rechnen ist. Den Leges barbarorum zufolge wurde sie in Fällen von Meineid und Fälschungsdelikten verhängt. Spätere Gesetzeswerke wie das Freiberger Stadtrecht um 1300 halten ihre Anwendung bei Fälschung diverser Art aufrecht und ordnen sie zusätzlich bei gewaltsamen Friedbrüchen wie Haus-, Burg-, Stadt-, Markt- oder Friedhofsbruch an. Der Sachsenspiegel von 1224/35 straft schwere Körperverletzung mit dem Abschlagen der Hand, wobei es sich um eine sog. ‚Spiegelstrafe‘ handelt, die die Gewalt verübende Hand der schuldigen Person betrifft. Die Strafe konnte in seltenen Fällen durch das Abhacken des Arms zusätzlich verschärft werden, während eine Strafmilderung über das ‚bloße‘ Durchstoßen der Hand mittels eines Messers angeordnet werden konnte. Anfänglich war die rechte Hand vom Abhacken betroffen, wohingegen sich in späterer Zeit das Durchtrennen der linken Hand durchsetzte. Finger wurden einerseits im Zuge einer Strafmilderung anstelle der Hand abgehackt, andererseits waren sie bei zugeführten Verletzungen eines fremden Fingers von einer spiegelnden Strafe betroffen. Auf den Daumen wurde bei Diebstahl oder Wilderei abgezielt, während die Schwurfinger bei Meineid oder falschem Zeugnis abgeschlagen wurden. Als Instrument wird dabei häufig das Beil genannt. Mitsamt allen anderen Verstümmelungsstrafen verbot die Constitutio Criminalis Theresiana von 1768 unter Ausnahme der Strafkumulation bei der Hinrichtung das Abhacken der Hand. [Vgl. HRG-AD: Leibesstrafen].
Mittels der Wendung sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen) wird vor dem Hintergrund der erläuternden Form der Leibesstrafe betont, wie groß respektive gering das Vertrauen ist, das jemand in eine Person oder Sache gewillt ist zu setzen, um sich einer solchen Pein als Stellvertreterin oder Stellvertreter hinzugeben. [Vgl. DUR: Hand; GG]. - 

Realienkundliches: Der Landtgerichts-Ordnung Österreichs von 1656 zufolge ist das Abhacken der rechten Hand von der Prangerstrafe und der Verbannung begleitet. Zusätzlich wird die Hand der delinquenten Person für das Volk sichtbar festgenagelt:

§I.
Handt abſchlagen.
§3 Der N: ſolle zum Pranger gefuͤhrt / jhme alldorten durch den Freymann ſein rechte Handt abgeſchlagen / ſelbige an den Pranger genagelt / vnd er folgents deſz Landtgerichts ewig verwiſen werden. [Ferdinand III. 1656, S. 50 §3]

Diastratik: umgangssprachlich [DUR: Hand] - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Interlingual Kompatibles: engl.: to stake one's life on sb/sth [PONS] - Figuriertheit: Drastik; Hyperbel - Querverweis: ↑ für jmdn./etw. die/seine Hand ins Feuer legen/halten; ↑(für jmdn./etw.) den Buckel hinhalten; ↑Prügelknabe; ↑seinen Kopf in die Schlinge halten/stecken

 

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Hand: etw. hat Hand und Fuß / etw. hat weder Hand noch Fuß

Umschreibung: (kein) durchdachter, planvoller Aufbau; (kein) begründeter, fundierter Inhalt [ZDL: Hand und Fuß; GG]; (nicht) gut durchdacht, vernünftig begründet sein [ROE: Hand; GG]

Analyse der Bedeutung: Zu etymologischen Aspekten rund um ‚Hand‘ siehe ↑sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen).
Das Maskulinum ‚Fuß‘ als ‚unterer Teil des Beines‘ weist die Formen ahd. fuoʒ, mhd. vuoʒ, asächs. fōt, mnd. vōt, mnl., nl. voet, aengl. fōt, engl. foot, anord. fōtr sowie got. fōtus auf und lässt sich mit aind. pā́t, griech. pū́s, dor. pṓs, pós und lat. pēs außergermanisch verbinden. Die ie. Wurzel *pē̌d-, *pō̌d- (‚Fuß‘) ist dabei als Ursprung anzunehmen. [Vgl. WPE: Fuß].
Die metaphorische Wendung etw. hat Hand und Fuß bzw. etw. hat weder Hand noch Fuß, die eine aus der Rechtssprache stammende Zwillingsformel aufweist, ist von ihrem Ursprung her im Kontext mit den Verstümmelungsstrafen zu sehen. [GG] Als Talionsprinzip, das sich bereits im indischen Codes Hammurabi um 1700 v. Chr. vorformuliert findet und über das mosaische Recht ins römische integriert wurde, taucht das Abhauen des linken Fußes insbesondere ab der römischen Spätzeit auf. Wie die früheren Landfrieden des Mittelalters belegen, erfolgt das Hand- sowie Fußabhacken gemeinsam mit der Blendung in Fällen von Raub oder Totschlag. Ab der Mitte des 12. Jhs. setzt sich das Abhacken der Hand als häufigste Form der Leibesstrafe vorerst durch, bis sich jedoch ab dem 13. Jh. vermehrt das Abhauen von Finger, Zunge, Ohr, Nase und Fuß sowie die Blendung vor allem im südlichen und westlichen Deutschland nachweisen lassen. Nichtsdestotrotz wurde der Fuß in vergleichsweise seltenen Fällen wie z. B. Wilderei oder (Markt-)Friedensbruch abgetrennt. [Vgl. HRG-AD: Leibesstrafen]. Mit Bezug auf das Ritterwesen wird mit der rechten Hand das Schwert geführt und mit dem linken Fuß das Pferd bestiegen, weswegen das Fehlen dieser Körperteile besonders schwer wiegt. [Vgl. ROE: Hand].
Hat eine Sache Hand und Fuß, bedeutet dies vor dem Hintergrund der erläuterten Form der Verstümmelungsstrafe und der Gewichtigkeit, die den angesprochenen Körperteilen gerade im ritterlichen Kontext zukommt, dass im übertragenen Sinne eine fundamentale Basis geschaffen ist. Weist hingegen eine Sache weder Hand noch Fuß auf, sind die wesentlichen Faktoren nicht gewährleistet. [GG] - 

Realienkundliches: Im Helmbrecht (1250–1285) des Wernher der Gartenaere werden Helmbrecht, der sich einer Raubritterbande angeschlossen hat, zur Strafe die Augen ausgestochen, ein Bein sowie ein Arm abgehackt:

Der scherge dô die niune hie;
den einen er dô leben lie
(daz was sîn zehende und sîn reht):
der hiez Slintezgeu Helmbreht.
Swaz geschehen sol daz geschiht.
got dem vil selten übersiht,
der tuot des er niht tuon sol.
daz schein an Helmbrehte wol,
an dem man den vater rach:
der scherge im ûz diu ougen stach.
dannoch der râche niht was genuoc:
man rach die muoter, daz man im sluoc
abe die hant und einen fuoz.
dar umbe daz er swachen gruoz
vater unde muoter bôt,
des leit er schande unde nôt.
[Harsch 1998: Helmbrecht, 1679–1694]

Im Augsburger Stadtrecht von 1276 wird u. a. analog zum Talionsprinzip im Sinne einer Vergeltung geregelt, dass die Zerstörung eines Auges, Ohres, Zahnes, Fingers, Fußes und einer Nase, Zunge sowie einer Hand mit der Vernichtung desselben Körperteils bestraft wird:

§ 2
Swaer den andern wundet unde wirt er lam von der wunden, kumt er fur daz gerihte gebunden unde gevangen unde wirt sin uberchomen mit drin mannen, daz er ez hat getan, da gehoeret niwer diu hant fur. Unde ist aber daz er in den furgeboten ungebunden unde ungevangen furkumt unde wil sin laugen bieten, ist danne diu ware wizzen da, so mag er mit nihtiu enbresten wan mit der notwer, mag er die beziugen selbe dritte als reht ist. Mag er des niht getun, bringet danne iener hinze im selbe dritte daz er an der lem schuldic ist, so hoeret auch niwer diu hant dafur. Unde als man im die hant abegesleht, so ist dem vogte gebezzert unde dem clager gebuzet, unde hat der vogt mit dem gute niht mer ze schafenne, unde sol auch sin vint niemen furbaz darumbe sin. Welt ir nu wizzen, waz diu lem ist: daz ist ein auge wider auge, ore wider ore, nase wider nase, zunge wider zungen, zan wider zan, hant wider hant, vinger wider vinger, fuz wider fuz; unde swie der man anders lam wirt, daz gat im an die hant, als davor geschrieben stat. Kumt aber er in den furgeboten niht fur, er oder swen man daran schuldiget, wirt er danne in die aehte getan, der mak davon niht chomen, er enbezzer dem vogte unde buzze dem clager.
[Meyer 1872, Art. 49, §2]

Zum Abhacken der Hand vgl. auch sich (für jmdn./etw.) die/keine Hand abhacken (lassen).

Diastratik: umgangssprachlich [ZDL: Hand und Fuß] - Semantische Prozesse: Zwillingsformel (Hand und/noch Fuß); sprichwörtliche Redensart (Hand und/noch Fuß haben) - Interlingual Kompatibles: ital.: stare in piedi [PONS]; kroat.: nemati ni glave ni repa [PONS]; nl.: goed in elkaar zitten [PONS]; serb.: to ima glavu i rep [PONS]; slowen.: imeti rep in glavo [PONS]; span.: tener pies y cabeza [PONS] - Figuriertheit: Drastik; Hyperbel (etw. hat weder Hand noch Fuß) [GG]

 

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Projektleitung

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr.

Wernfried HOFMEISTER



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