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Henkersmahlzeit

Henkersmahlzeit: Henkersmahlzeit

Umschreibung: letzte (gemeinsame) Mahlzeit vor einer (längeren) Trennung, vor einem Ereignis, dessen Ausgang einem ungewiss erscheint, einer Entscheidung, die etwas Unwiderrufliches hat, o. Ä. [DUO: Henkersmahlzeit]; jegliche Art von (häppchenhaftem/opulentem) Genuss vor einem absehbaren Ende von etw. [GG]

Analyse der Bedeutung: Zur Etymologie von ‚Henker‘ siehe den Eintrag zu (wie) ein Henker (von etw./jmdm.)( sein). Das Neutrum ‚Mahl‘ (‚Essen, Einnahme eines Essens‘) wird im Mhd. als māl (‚Gastmahl, Mahlzeit’), im Nl. unter maal, im Engl. in der Form meal wiedergegeben und im Schwed. als mål (‚Essen, Mahlzeit’) realisiert. Der Buchstabe ‚h‘ tritt ab dem 17. Jh. hinzu. Das feminine Substantiv ‚Mahlzeit‘ (‚Essen, Essenszeit‘) ist ab dem 15. Jh. belegt. [Vgl. WPE: Mahl]. Das Kompositum ‚Henkersmahlzeit‘ bzw. ‚Henkermahl‘ in der Bedeutung von ‚Abschiedsmahl‘, welches im ursprünglichen Kontext mit der letzten Speise steht, die einer zu Tode verurteilten Person zusteht, ist seit dem 16. Jh. bzw. durch die frühere Form Henckermol des Jahres 1575 und ab 1691 als ‚Henkersmahlzeit‘ belegt, der Brauch hingegen bereits ein Jahrhundert zuvor. [Vgl. WPE: henken; vgl. ROE: Henkersmahlzeit].
Historisch betrachtet wurden der zu Tode verurteilten Person nach der Urteilssprechung unterschiedliche Wünsche erfüllt, die sich im Beziehen von Einzelzellen, dem Zugestehen von Damengesellschaft oder dem Ordern von bestimmten Speisen sowie Getränken äußern konnten. Dieses Gewähren basiert zum einen auf der religiösen Überzeugung, wonach zwar der Körper, jedoch nicht die Seele vernichtet werden konnte. Von der Sorge befördert, dass die Seele Rache nehmen konnte, war man vor dem Akt der Hinrichtung besonders darum bemüht, diese durch bestimmte Vergünstigungen wohl zu stimmen. [Vgl. Ortner 2017, S. 124f.]. Einer anderen These zufolge resultieren diese aus dem Prinzip der Caritas. [Vgl. HRG-AD: Henkersmahlzeit]. Das gewährte Henkersmahl, das als Bildspender für die vorliegende metaphorische Wendung (wie) (eine) Henkersmahlzeit (sein) dient, könnte über die Rezeption des römischen Rechts Einzug in die Praxis des deutschsprachigen Raumes gefunden haben. Diesbezüglich ließe sich die letzte Speise auf die sog. coena libera, die Gladiatoren-Mahlzeit vor dem kämpferischen Akt, als Vorbild zurückführen. Als weitere Annahme besteht der Essigtrunk, der Jesus Christus am Kreuz offeriert wurde. Die Tradition der Verabreichung einer reichhaltigen Mahlzeit vor einer Hinrichtung ist interkulturell nachvollziehbar, jedoch in ihrer Umsetzung different. Bereits anhand eines Vergleichs von Städten Deutschlands im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit zeigt sich, dass das Henkersmahl bereits fixiert sein konnte oder je nach Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln in seiner Zusammensetzung variierte, die Delinquentin/der Delinquent das Essen auswählen konnte oder dafür finanziell aufkommen musste. Ab späterer Zeit, wie es bspw. durch dreitägige Essen in Nürnberg im Jahr 1700 nachvollziehbar ist, fällt die Henkersmahlzeit deutlich üppiger aus. [Vgl. HRG-AD: Henkersmahlzeit]. Gerichte wie Huhn, Fisch, Obst oder Süßes, alkoholhaltige Getränke oder auch Nikotin wurden häufig gewünscht. [Vgl. ROE: Henkersmahlzeit]. Zeitlich näher als das Henkersmahl konnte der ‚Scheidtrunk‘ erfolgen, der als alkoholischer Trank am Gang zur Hinrichtungsstätte gereicht wurde. [Vgl. HRG-AD: Henkersmahlzeit].
Wird im übertragenen Sinne etwas als Henkersmahlzeit bezeichnet, bezieht sich die Adressantin/der Adressant vor dem realen Ausgangspunkts der letzten Speise, die eine zu Tode verurteilte Person erhält, entweder ebenso auf eine Mahlzeit oder noch entfernter auf jegliche letzte Freuden, die vor einem anstehenden Ende zelebriert werden. [GG]
Die synonyme Bezeichnung ‚Henkersmahl‘ ist hingegen im gehobenen Sprachgebrauch geläufig, in der Regel jedoch nicht im Zusammenhang mit einer metaphorischen Bedeutung. Als beliebte Frage ist in heutiger Zeit Was wäre deine Henkersmahlzeit? höchst frequent, um das Lieblingsgericht einer Person ausfindig zu machen. [GG] - Entstehungszeit: 17. Jh. [WPE: henken]; 18. Jh. [KUE I: Henkersmahlzeit] - 

Realienkundliches: Melchior Adam Pastorius (1624–1702), Reiseschriftsteller, Lyriker, Jurist und Bürgermeister, hält in seiner Franconia Rediviva des Jahres 1702 fest, dass in der Stadt Schwarzach am Tag vor der Hinrichtung ein grüner Spinatbrei mit gebackenen Fischen serviert wird:

Es hat ein Centh⸗Gericht / welches ſie im im freyen Felde halten / und im Gebrauche haben / dem armen Suͤnder den Tag vor der Execution mit einem gruͤnen Spinat⸗Brey und gebackenen Fiſchlein zu ſpeisen / ſolte auch der Winter noch ſo hart gefroren ſeyn. [Pastorius 1702, S. 429]

Diastratik: umgangssprachlich [eWDG: Henkersmahlzeit] - Semantische Prozesse: auch ironisierend - Interlingual Kompatibles: engl.: final square meal [PONS]; engl.: last slap-up meal [PONS]; frz.: repas du condamné [PONS]; nl.: galgenmaal [PONS]; nl.: afscheidsmaal [PONS]; slowen.: zadnji skupni obrok [PONS]; span.: comida de despedida [PONS] - Figuriertheit: Hyperbel [GG]; scherzhaft [DUO: Henkersmahlzeit]

 

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Projektleitung

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr.

Wernfried HOFMEISTER



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