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Nägel

Nägel: etw. brennt (jmdm.) unter/auf den Nägeln

Umschreibung: es drängt, es ist höchste Zeit [Wagner 2015, S. 69]; etw. ist jmdm. sehr eilig [LDR: Nägeln]; (für jmdn.) sehr dringlich sein [DUR: Nagel]

Analyse der Bedeutung: Beim Maskulinum ‚Nagel‘ handelt es sich einerseits um einen ‚runden Metallstift mit flachem Kopf‘ sowie andererseits um ‚die Hornplatte an Fingern und Zehen‘. Ahd. nagal bedeutet im 8. Jh. allein ‚Nagel‘, ‚Pflock‘ oder ‚Riegel‘ und referiert ab dem 9. Jh. auf den ‚Finger-‘ bzw. ‚Zehennagel‘. Die mhd. Form nagel umfasst das Bedeutungsspektrum von ‚Aststelle im Holz, Gewürznelke, Augenübel‘, während das Anord. mittels nagl ‚Finger‘ und ‚Zehennagel‘ eine Unterscheidung zu anord. nagli (‚Nagel, Pflock‘) ermöglicht. Diese sowie die übrigen Formen (asächs. nagal, mnd. nāgel, negel, neil, mnl. nāghel, nl. nagel, afries. neil, aengl. nægl, nægel, engl. nail, schwed. nagel und got. *nagls) lassen sich auf germ. *nagla- sowie weiter auf ie. *ongh-, *nogh- in der Bedeutung von ‚Nagel an Fingern und Zehen, Kralle’ zurückführen. [Vgl. WPE: Nagel].
Die sprichwörtliche Redensart etw. brennt jmdm. unter/auf den Nägeln könnte hinsichtlich ihrer Herkunft fälschlicherweise an die Gottesurteilspraxis und die damit verbundene Redewendung sich die Finger verbrennen erinnern. Eine mögliche Theorie ist die Rückführung auf das Kloster- bzw. Mönchsleben, wo zu nächtlicher Stunde im Rahmen der Vigil oder winterlicher Frühmessen vorgelesen wurde. Wie sich anhand von Holzschnitten belegen lässt, klebten sich die Mönche Kerzenstummel auf die Daumennägel, um ihre Texte zu belichten. Die ebenso mittels der Redewendung implizierte Eile rühre daher, dass sich die Hitze beim Herunterbrennen sukzessive erhöht und auf den Nägeln spürbar wird. [Vgl. Wagner 2015, S. 69; vgl. LDR: Nägeln; vgl. DUR: Nagel; vgl. DSL: Nagel; vgl. ROE: Nagel; vgl. SWR Wissen 2020]. Die Variante etw. brennt jmdm. unter den Nägeln lässt sich dadurch jedoch nicht erklären. [GG]
Eine weitere Möglichkeit ist durch die Zuweisung zur Folterpraxis gegeben. [Vgl. ROE: Nagel; vgl. LDR: Nägeln; vgl. DUR: Nagel; vgl. DUO: Nagel]. Die bildliche Redewendung mit ‚auf‘ (etw. brennt jmdm. auf den Nägeln) würde sich dabei näher darauf zurückführen lassen, dass der beschuldigten Person glühende Kohlen auf die Fingerspitzen gelegt worden wären. [Vgl. DUR: Nagel; vgl. ROE: Nagel]. „Das Brennen auf dem Nagel ist viel schmerzhafter, als auf die blosse [sic!] Haut, wie man durch eine Probe mit Zunder erfahren kann“ [DSL: Nagel], hält bereits Wander fest.
Bezüglich der synonym verwendeten Redensart etw. brennt jmdm. unter den Nägeln findet sich im Rahmen der frühneuzeitlich belegten Folter mittels Lunten, Schwefelhölzern und Kienspänen, die unter die Nägel der gefolterten Person getrieben und entzündet wurden, ein möglicher historischer Ursprung. [Vgl. SWR Wissen 2020]. Genannte Form der Folter wurde im Zuge des dritten Foltergrades – nachdem beim ersten mittels Daumen-, Beinschrauben sowie dem Schnüren und nach dem zweiten mithilfe der Streckfolter erfolglos gefoltert worden war – angewandt. Die Späne wurden dabei nicht nur unter die Finger-, sondern auch unter die Zehennägel getrieben und waren Teil der ‚Feuerfolter‘, die vor allem den Hexenprozessen zugeschrieben wird, jedoch noch im 18. Jh. bei Diebstahl-Delikten in der Österreichischen Strafgerichtsordnung von 1768 aufscheint. [Vgl. Zagolla 2006, S. 74].
Die metaphorischen Redensarten etw. brennt (jmdm.) unter den Nägeln sowie etw. brennt (jmdm.) auf den Nägeln sind als synonym gebrauchte Varianten zu verstehen, wobei erstere deutlich vom Folter-Kontext motiviert zu sein scheint, während letztere sowohl aus den Bereichen des Klosters als auch der Folter durch Auflegen von Kohlen herrühren könnte. Eile und Dringlichkeit, die die betreffende Person zum Ausdruck bringen will, wenn sie sich dieser Redensarten bedient, verspürt auch die gefolterte Person, wenn es ihr wortwörtlich unter den Nägeln brennt. [GG] - Entstehungszeit: um 1700 [KUE I: Nagel] - 

Realienkundliches: In Johann Conrad Casparts Allgemeiner Kriegs-Rechtlicher Unterricht des Jahres 1746 findet man die Folter im militärischen Kontext mittels Schwefelhölzern oder Lunten, die unter die Fingernägel gesteckt wurden, vor:

Cap. LXXIX.
Von der peinlichen Frag im Militari.
ES iſt die peinliche Frag eine fallable Sache; Dann von denen verhaͤrteten oder mit allerhand gottloſen Erfindungen umgehenden Gemuͤthern wird ſie nicht geachtet, und iſt offtmahlen ohne Effect, da iſt dann der Richter nachmahls ſo geſcheid, als er zuvor geweſen: Bey denen Weichling⸗ und Forchtſamen aber kan ſie leichtlich zu viel thun, und iſt es ſich wiederum ſo vest nicht darauf zu verlaſſen […] Man weiſzt, wie bey denen Kayſerlichen auch anderer Potentaten Troupen das Pruͤglen ſo gemein, daſz, wann einer oder der andere das Feciſti nega practicieren will, derſelbe ſo lang zwiſchen die Stoͤck genommen wird, bis er mit Ja heraus ruͤcket, damit ſolte dem Conſtituten ein Beneficium geſchehen, daſz er nicht unter Henckers Haͤnde gerathe, und quæſtionis locô ſeyn: Darwider iſt de Anno 1688. ein Edict von K. P. Majeſtaͤt, weyl. Friderich Wilhelm, in genere alles Pruͤglens halber, ergangen. Man nehmet Lunten, Schwefel⸗Hoͤltzlen unter die Naͤgel der Finger, zuͤndet dieſelbe an […] [Caspart 1746, S. 786f.]

Diastratik: umgangssprachlich [LDR: Nägeln] - Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Interlingual Kompatibles: kroat.: dogorjeti do nokata [PONS] - Figuriertheit: Drastik; Hyperbel

 

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Projektleitung

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr.

Wernfried HOFMEISTER



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