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spannen

spannen: jmdn./etw. (nicht) auf die Folter spannen

Umschreibung: jmdn. (nicht) in quälende Spannung versetzen, indem man sie/ihn über etw., was sie/er gern wissen möchte, noch im Unklaren lässt [DUR: Folter; GG]; jmdn. (nicht unnötig) sehr neugierig machen, jmds. Neugier (nicht) durch Verzögern vergrößern [LDR: Folter; GG]; jmdn. (nicht) in qualvolle Erwartung versetzen [eWDG: Folter; GG]; (nicht) quälend lange warten lassen [Wagner 2015, S. 49; GG]

Analyse der Bedeutung: Dem Verb ‚spannen‘ in seiner transitiven Bedeutung von ‚etw. straff (an)ziehen, dehnen‘, im intransitiven Sinne ‚zu eng, zu straff sein‘ sowie reflexiv ‚straff werden‘ liegt die ie. Wurzel *sp(h)ē(i)- (‚ziehen, spannen’) zugrunde, worauf sich auch griech. spā́n (σπᾶν) (‚ziehen, zerren, reißen, verrenken’), spasmós (σπασμός) (‚das Ziehen, Zuckung, Krampf’) sowie air. sēim (‚winzig, mager’) und sēime (‚Dünne’) zurückführen lassen. Die beiden stark flektierenden Verben, erstens ahd. spannan (‚fesseln, spannen’) (9. Jh.), mhd. spannen (‚dehnen, straff anziehen’), intransitiv (‚sich dehnen, gespannt sein’) sowie zweitens ahd. spanan (9. Jh.), mhd. spanen (‚locken, reizen, antreiben’), asächs. aengl. spanan, afries. spana lauten im Germ. *spannan und *spanan. Aus germ. *spannijan geht hingegen das schwach flektierende Verb mhd. sowie mnd. spennen (‚spannen, dehnen’), anord. spenna (‚spannen, festbinden, fügen’) und schließlich schwed. spänna (‚spannen, schnallen’) hervor. [Vgl. WPE: spannen].
Obwohl für die Bedeutung von ‚spannen‘ das Spannen der Bogensehne als Bedeutungsursprung definiert ist, ist das Verb in der metaphorischen Wendung jmdn./etw. auf die Folter spannen mit der Folterpraxis kombiniert und bezieht sich im vorliegenden Fall auf die Streckfolter als spezielle Form der peinlichen Befragung, die unter Karl V. innerhalb der Constitutio Criminalis Carolina 1532 festgelegt wurde. [Vgl. Wagner 2015, S. 49; vgl. DWB1: spannen]. Die Wurzeln der europäischen Streckfolter reichen bis zum römischen Recht zurück, wo die zu folternden Personen auf den eculeus bzw. das ‚Füllen‘ aufgespannt wurden. [Vgl. Liebs 2011, S. 255].
Die Streckfolter wurde in der Frühen Neuzeit innerhalb des zweiten Foltergrades entweder auf der Streckbank, der Streckleiter oder an einem Seil vollzogen. Mit Bezug auf erstere beide Formen wurden die Füße am einen Ende fixiert und die Hände am anderen Ende hinter dem Rücken zusammengebunden. Mithilfe einer Seilwinde wurden die Hände sukzessive nach hinten bzw. oben gezogen, bis Arm- und Schultermuskulatur überdehnt, Arm- und Handgelenke ausgerenkt waren und die Durchblutung gehemmt war. Aufgrund von moderner Forschung ist erwiesen, dass sich bei dieser Form der Folter Ödeme im Bereich des Nackens bilden, die den Botenstoff Histamin ausschütten. Dieser ist für die Erzeugung von Schmerzen verantwortlich und wird im Rahmen der modernen Folter bereits direkt injiziert. Das Aufziehen an einem Seil – auch unter ‚Wippe‘ oder ‚trockener Zug‘ geläufig – erfolgte über eine Rolle oder einen Flaschenzug. Die Füße wurden meistens mit Steingewichten beschwert, konnten jedoch auch am Boden fixiert werden. Über das sog. ‚Schnellen‘ war es möglich, die Schmerzen zu intensivieren, indem das Seil kurz locker und gleich wieder angezogen wurde. [Vgl. Zagolla 2006, S. 73; vgl. DUR: Folter; vgl. LDR: Folter].
Ab dem Jahr 1740, wo die Streckfolter in Preußen abgeschafft wurde, sind die Redewendung jmdn./etw. auf die Folter spannen sowie die Redensart gespannt sein zu beobachten. [Vgl. Wagner 2015, S. 49]. Bei letzterer sowie den Wendungen überspannt/abgespannt/angespannt sein erfolgt die Herleitung aus dem Bild des Straffziehens der Bogensehne. [Vgl. WPE: spannen].
Wird jemand im bildlichen Sinne auf die Folter gespannt, so unterstreicht dies analog zur historischen Praxis der Streckfolter den extremen Spannungszustand, in dem sich die Person befindet, wenn eine Informationsweitergabe hinausgezögert wird. [GG] - Entstehungszeit: 18. Jh. [LDR: Folter] - 

Realienkundliches: In der Constitutio Criminalis Theresiana von 1769 ist u. a. die Streckfolter mit den dazugehörigen Utensilien, deren Zusammensetzungen sowie die Foltervorgehensweise präzise erläutert. Die zwei Säulen bestehen aus Lärchenholz und sollen eine Höhe von 7 Schuh und 2 Zoll, eine Breite von 11 Zoll sowie eine Dicke von 6,5 Zoll aufweisen. Der festgelegte Abstand zwischen den Hölzern hat dabei 2 Schuh und 1,5 Zoll zu betragen. Der ebenso breite ‚eingefalzte Zwergpfosten‘ ist um 0,5 Schuh dicker. Die ebenfalls aus Lärchenholz bestehende Walze ist in ihrem Gesamtumfang 22,5 Zoll dick. Über fixiertes Eisenblech mit Zähnen, auf welches bei Antrieb-Stopp ein aufgebogenes 2 Zoll breites Eisenstück fällt und einrastet, kann die Walze am Drehen gehindert werden. Das Rad, das die Walze antreibt, ist aus Eichenholz gefertigt. Zwei Gewichte, ein 25 sowie ein 46 Pfund schweres, zählen ebenfalls zur Ausstattung, um bei Bedarf an die Beine der gefolterten Person gehängt zu werden und so die Schmerzen zu erhöhen. Das Aufzugsseil mit Haken, wo die angeklagte Person über ihre Handfesseln eingehängt wird, ist 8 Klafter lang mit einer Dicke von 1,5 Zoll. [Vgl. Maria Theresia von Österreich 1769, XL–XLI]. Als weiteres Utensil wird benötigt:

Ein zwey Schuhe langer Glang von einer im Durchſchnitt 3/8. Zoll dicken hanffenen Schnur, dergleichen zwey erforderlich ſind, deren einer zwiſchen die dem Inquiſiten mit einem anderen Strick zuſammen gebundene Haͤnde, und der andere zwiſchen die eben ſchon zusammen gebundene Fuſze uͤber den Bund dergeſtalten eingeleget wird, daſz ein-ſo anderer einen doppelten Glang formiret, und in jenem Doppelglang an den Haͤnden der Hacken von dem Aufzugſeil, in dem an den Fuͤſſen aber die Haͤcken von den ſteinernen Gewichtern eingehenket werden koͤnnen. [Maria Theresia von Österreich 1769, XLI]

Am Deckengewölbe ist ein metallenes Zugrad befestigt – Eisenschienen sorgen dabei dafür, dass das Seil nicht entweichen kann. Die gefolterte Person wird an ihren Händen zweimal mit einer ¼ Zoll dicken Hanfschnur umwickelt, wobei die Handballen nach außen gedreht sind, und schließlich vom ‚Freymann‘ über das Rad aufgezogen. [Vgl. Maria Theresia von Österreich 1769, XLIII, XLV].
Die gefolterte Person wird an ihren Händen zweimal mit einer ¼ Zoll dicken Hanfschnur umwickelt, wobei die Handballen nach außen gedreht sind, und schließlich vom ‚Freymann‘ über das Rad aufgezogen. [Vgl. Maria Theresia von Österreich 1769, XLIII, XLV].

Die Streckleiter weist horizontal liegende Walzen mit aufgewundenem Strick auf, die über vier Handhebel gedreht werden können. Die Höhe vom Boden bis zum Loch, wo die Leiter aufliegen muss, beträgt 11 Schuh und 10 Zoll. Zusätzlich wird ein ¾ Ellen langer Knebel benötigt, an welchem ein ‚Mannsdaumen‘ starker, 8 Ellen langer Strick befestigt wird, welcher durch die gebundenen Füße des Beklagten gesteckt wird. Die Hände der zu folternden Person sind am Rücken überkreuzt und mit den Handflächen nach außen zusammengebunden, wobei die Seilenden noch eine Länge von 2 Ellen aufweisen sollen. Bei der Fixierung an der Streckleiter ist die Person an der vierten Sprosse von oben mit den Händen festzubinden. Die genaue körperliche Position des Oberkörpers ist dabei zusätzlich über eine Abbildung festgehalten. Der ‚Scharffrichter‘ befindet sich rechts vom vermeintlichen Delinquenten und steht mit seinem rechten Fuß an der Sprosse, während er den linken hinabhängen lässt. Mit der rechten Hand stabilisiert er dessen Körper, während sich die linke hinter dem Rücken des Inquisiten befindet. Während einer der Henkersknechte die Walzen antreibt, sorgt ein anderer dafür, dass die Füße des Gefolterten bei der Tortur nach außen gedrückt werden, um ein Abstemmen durch die Fersen zu verhindern.

Die folgende Abbildung stellt eine Rekonstruktionszeichnung des römischen eculeus mit zwei auf unterschiedliche Weise aufgespannten Personen dar.

Semantische Prozesse: sprichwörtliche Redensart - Interlingual Kompatibles: dän.: spænde på pinebænken [PONS]; engl.: to put sb on the rack [PONS]; engl.: to keep sb on tenterhooks [PONS]; ital.: far stare qn sulle spine [PONS]; ital.: tenere qn sulla corda [PONS]; nl.: iem op de pijnbank leggen [PONS]; span.: tener a alguien en el potro [PONS] - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik

 

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Projektleitung

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr.

Wernfried HOFMEISTER



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