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vierteilen

vierteilen: jmdn./etw. vierteilen / gevierteilt werden (für etw.)

Umschreibung: hart zur Rechenschaft ziehen [eWDG: vierteilen]; jmdn./etw. ruinieren, zugrunde richten [GG] / strengstens zur Rechenschaft gezogen werden, mit aller Härte verdammt werden [GG]

Analyse der Bedeutung: Das Numerale ‚vier‘ stammt vom ie. Zahlwort *ku̯etu̯ōr (‚vier’) ab und weist u. a. die Formen ahd. fior , mhd. vier, asächs. fi(u)war sowie fior, mnd. vēr, mnl. vier(e), nl. vier, aengl. fēower, engl. four ‘vier’, aengl. fyþer-, fiþer-, anord. fjōrir und got. fidwōr, fidur- auf. [Vgl. WPE: vier]. Das Verbum ‚teilen‘ in der Bedeutung von ‚ein Ganzes in Einzelstücke zerlegen‘ wird im Ahd. als teilen bzw. teilōn (8. Jh.), im Mhd. als teilen, im Asächs. als dēlian, im Mnd. sowie im Mnl. als dēlen und deilen, im Nl. als delen, im Aengl. als dǣlan, im Engl. als to deal, im Anord. als deila und im Got. durch die Form dailjan realisiert. Vermutlich sind sie auf die ie. Wurzel *dā(i)-, *dī̌- (‚teilen, zerschneiden, zerreißen’) zurückzuführen. [Vgl. WPE: Teil]. Als Komposition taucht ‚vierteilen‘ in den Formen mnd. vêrdelen, vêrdendelen, varndelen, nl. vierdelen, vierendelen sowie ags. fyderdæled auf. [Vgl. DWB1: vierteilen].
Der drohende bildliche Ausdruck jmdn./etw. vierteilen / gevierteilt werden (für etw.) entstammt der speziellen Hinrichtungspraxis der Vierteilung, die am lebenden oder am toten Körper erfolgen konnte. [GG] Diese Art der Todesstrafe ist seit dem frühen Mittelalter nachgewiesen, war von besonders unehrenhaftem Charakter und fand bei Hoch- sowie Landesverrat und Majestätsverbrechen Anwendung. [Vgl. Auler 2012, S. 532f.; vgl. HRG-GS: Hochverrat; vgl. HRG-GL: Landesverrat]. Während des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit wurde im Sinne einer Strafverschärfung (mit der Funktion des nachträglichen Schändens des Leichnams) erst nach der Tötung durch Enthaupten, Erhängen oder Erwürgen gevierteilt. Dies erfolgte entweder über das Zerschlagen mithilfe einer Axt oder eines Richtbeils, was unter mhd. zerliden belegt ist, oder durch das Zerreißen durch Pferde. Eine weitere ältere Bezeichnung für diese Marter stellt quartiren dar. [Vgl. DRW-WA: quartieren I, II]. Die abgetrennten Glieder wurden – wie auch bildliche Darstellungen nahelegen – nach der Prozedur am Richtrad, am Galgen oder an der Landstraße angebracht und den Menschen zur Abschreckung vor Augen geführt. [Vgl. DWB1: vierteilen; vgl. Ortner 2017, S. 39; vgl. Auler 2012, S. 532f.]. Nach alemannischem Recht wurde die Vierteilung bei Verrat verhängt und meistens über vier Pferde umgesetzt, an deren Schweife die vier Körperglieder gebunden wurden. Im Anschluss wurden die Tiere auseinandergetrieben, was das Zerfetzen des Körpers bewirkte. Der Gesta Francorum zufolge wurde auch Königin Brunehild durch jene grausame Methode vom Leben zum Tode befördert. Die Vierteilung des Attentäters Robert Daumiens im Jahr 1757 in Paris stellt ein Beispiel für die spätere Zeit dar. [Vgl. Ortner 2017, S. 39].
Ist man gewillt, jemanden oder eine Sache zu vierteilen, droht man im übertragenen Sinne damit an, den Ruin oder die Zerstörung einzuleiten. Hat bspw. eine Person im Umkehrschluss den Eindruck, für etw. gevierteilt zu werden, bezieht sich dies auf den Umstand, dass sie mitunter härteste Kritik erleiden muss. Die intendierte Härte, Strenge und Gnadenlosigkeit, die sich im realen Kontext gegen den Körper der verurteilten Person richten, stellen ebenso historisch geprägte Faktoren dar. [GG] - 

Realienkundliches: In den 1970er Jahren fanden archäologische Grabungstätigkeiten im Chor von Hulton Abbey statt, im Zuge derer u. a. das sog. Skelett HA16 geborgen wurde. Eine Neuuntersuchung im Jahr 2008 bestätigt die Hinrichtung über die Vierteilung im frühen 14. Jh.:

Skelett HA16
Alter und Geschlecht des Individuums HA16 werden als „mature adult male“ (Lewis 2008, 113) angegeben; es war „over 34 years of age based on the morphology of the pubic symphyses“ (Lewis 2008, 119). Die Körpergröße betrug 178 cm. Das geborgene Knochenensemble zeigt zahlreiche perimortem entstandene Spuren scharfer Gewalt. Diese wurden ursprünglich (Browne 2004) als Kampf- und vor allem Zerlegungsspuren gedeutet, die eine leichtere Überführung des Leichnams in Teilen nach dem Abkochen des Fleisches zur Beisetzung in Hulton Abbey ermöglicht haben sollten. Eine Neuuntersuchung des Skelettmaterials (Lewis 2008) erbrachte jüngst ein deutlich differenzierteres Ergebnis. Unter den geborgenen Knochen befi nden sich die Rückgratwirbel vom dritten Halswirbel bis zum zweiten Lendenwirbel, beide Arm- und Schulterknochen, das rechte Femur sowie rechter und linker Unterschenkel. Die Rippen waren schlecht erhalten; das Brustbein fehlte. Teile des Beckens liegen vor; zum Zeitpunkt der Bestattung muss das Becken also vorhanden gewesen sein. Der Schädel fehlte ebenso wie die Hand- und Fußknochen. Das Skelett zeigt – wie bereits gesagt – zahlreiche Spuren scharfer Gewalt (Abb. 10): Schnittspuren an dem dritten Halswirbel (C3) belegen eine Dekapitation (Lewis 2008, 114, 117 Abb. 3); der Befund an diesem Wirbel belegt zudem, dass mehrere weitere Schnitte notwendig waren, um den Kopf vollständig abzutrennen. Die folgenden Wirbel (C4 bis C6) waren schlecht erhalten; sie zeigten keine Gewalteinwirkungen. Eine leichte Vertiefung in Form einer dreieckigen Verletzung, des hervorgehobenen Teils des siebten Halswirbels (C7) belegt einen Stich in den Hals; ob dies vor oder nach dem Köpfen geschah, ist nicht bekannt (Lewis 2008, 114, 117 Abb. 4). Der folgende Brustwirbel (T1) ist unbeschädigt. Eine weitere mögliche Stichwunde ist am rechten unteren Rand von L2 zu konstatieren; dies deutet darauf hin, dass dem Opfer auch in den Magen gestochen worden war.
Die Vierteilung des Körpers hat ebenfalls deutliche Spuren auf dem Knochenmaterial hinterlassen (Abb. 10). Das Zerteilen des Körpers wird durch die Halbierung des zweiten und dritten Brustwirbels vertikal entlang des Brustbeins. Es gibt keine weiteren Spuren scharfer Gewalt bis T11, wohingegen ein sauberer Schnitt zwischen T11 und L2 entlang des Brustbeins zu befunden ist. Der erste Lendenwirbel (L1) wies einen horizontalen Schnitt auf, der andeutet, dass nach der vertikalen Teilung der Körper halbiert wurde und der gesamte Thorax ein Teilstück darstellte. „The deliberate nature of the division of the body is best demonstrated by the chop marks on the left shoulder” (Lewis 2008, 115). Beide Hände waren abgetrennt worden, wobei der linke Unterarmknochen etwas höher als der rechte separiert worden war. Der linke Unterarmknochen zeigte ebenfalls zwei kleine, schwache Schnitte entlang des Schafts; diese können nicht als Abwehr- oder Verteidigungsspuren gedeutet werden. Schnitte auf der Rückseite des rechten Oberschenkelknochens könnten von einem Trauma durch eine Klinge stammen; am rechten Unterschenkel scheint das Wadenbein gerade unterhalb des Mittelschaftes zertrennt worden zu sein (nach Lewis 2008, 113-116). [Auler 2012, S. 537f.]

Die Sterische Landgerichtsordnung von 1574 sieht für Verrat bei Männern die Vierteilung, die durch Strafkumulation mittels Schleifen und Hautaufreißen durch Zangen verschärft werden kann. Als Strafminderung kann vor der Vierteilung die Enthauptung erfolgen, sodass es zwar schmerzerleichternd ist, der Leichnam dennoch post mortem geschändet wird, was als ebenso ehrlos anzusehen ist. Bei weiblichem Verrat wird das Ertränken als Todesstrafe verhängt:

LXXXIX.
Straff der Verretaͤrey.
ITem welcher mit boſzhafftiger Verraͤterey miſzhandelt / ſoll der gewonhait nach / ſo es ein Manns perſon iſt / durch vierthailung ſeines Leibs / vnd ein Weibs perſon mit ertrencken vom Leben zum Todt geſtrafft werden / Vnd wo ſolche Verraͤtterey anſehenlichen ſchaden oder ergernuſz bringen moͤchte / Als ſo die ein Landt / Statt / ſeinen aigen Herrn / Bethgenoſſen / oder nechſt geſipten freundt betraͤffe / So mag die ſtraff durch Schlaipffen oder zangen Reiſſen gemehrt werden / Es moͤcht auch die verraͤterey alſo geſtalt ſein / das der miſzthaͤtter erſtlich enthaupt / vñ volgunds geuierthailt wurde / nach gelegenhait der that vnd ermeſſung des Gerichts. [Erzherzog Karl II. von Österreich 1583, LXXXIX]

Diastratik: umgangssprachlich [eWDG: vierteilen] - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik - Querverweis: ↑jmdn. einen Kopf kürzer machen; ↑jmdn./etw. den Hals kosten; ↑jmdm./jmdn./etw. den Kopf kosten; ↑jmdn./etw. in Stücke reißen / in Stücke gerissen werden; ↑ jmdn./etw. zerreißen / von jmdm./etw. zerrissen werden; ↑jmdn. kreuzigen / gekreuzigt werden; ↑jmdn. steinigen / gesteinigt werden (für etw.)

 

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vierteilen: sich nicht vierteilen können

Umschreibung: nicht an mehreren Orten physisch sowie psychisch gleichzeitig sein können; seine Kräfte nicht überall einsetzen können [GG]

Analyse der Bedeutung: Zu den etymologischen Hintergründen sowie zum historischen Kontext siehe die Wendung ↑jmdn./etw. vierteilen / gevierteilt werden (für etw.).
Das Verb ‚vierteilen‘ wird nach Jacob und Wilhelm Grimm ausschließlich der speziellen Form der Hinrichtung zugewiesen, wodurch sich sämtliche übertragene Wendungen ausschließlich auf die Vierteilung zurückführen lassen. [Vgl. DWB1: vierteilen].
Als prägendes Bild der bildhaften Ausdrucksweise mit der o. g. Bedeutung fungiert das strafrechtlich angeordnete Abtrennen der vier Gliedmaßen. [GG] - Realienkundliches: Beachte dazu den anschaulichen Bericht zum Befund einer gevierteilten Person aus dem frühen 14. Jh. innerhalb der metaphorischen Wendung ↑jmdn./etw. vierteilen / gevierteilt werden (für etw.). - Figuriertheit: Hyperbel; Drastik - Querverweis: ↑sich nicht zerreißen können

 

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Projektleitung

Ao. Univ.-Prof. i.R. Dr.

Wernfried HOFMEISTER



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